Nr. 31
JUGEND
1897
Pietro Mazzoni giovine
Eine Lünfticrgcschichtc nur dem Li»a»cccmo
^^iie Geschichte har mir mein Freund.
Professor erzählt. Er hat sie
von einer italienischen 2icise mitgcbrachr,
als er seine ersten Lorbeeren auf dcm Ge-
biete der klassischen Textkritik pstüchte. Da-
mals war er von einem Lollegcn auf das
Schloß der Grafen Ravenna« bei Bologna
aufmerksam gemacht worden, das kostbare
Manuskripte barg. Er wurde von de»
Grafen, die gern bereit waren, alte pcr-
gamcnre gegen neue Lire auszutauschcn,
freundlich aufgenommen und gleich am
ersten Tage in die Gallerie des Hauses
geführt. Sie enthält wenige, aber ausge-
zeichnete Bilder. Ihr Stolz isteineHimmel-
fahrt Mariä und eine „hl. Agathe" von
Pietro Mazzoni, dem jünger», genannt
II petruccio. Des Maiers Studien und
Entwürfe füllen ein besonderes Rabiner.
Die Forscher des Linguecento hat die
Frage viel beschäftigt, warum Mazzoni
einzig und allein hier vertreten ist. Die
allgemeine Annahme gehr dahin, Giacomo
Graf Ravenna«, der um die gleiche Zeit
gelebt hat, habe sich de» Rünstier so sehr
verpflichtet, daß dieser keinem andern seine
Werke überlaßen wollte. Diese Ansicht
entspricht auch der Tradition des Hauses,
und so viel die Familie inzwischen zu
Geld gemacht hat, auf diese glorreiche
Erinnerung an ihre Ahnherren hat sie
bis heute nicht verzichtet. Prof. F., den
Mazzoni entzückt hatte, fand unter den
Schätzen des Archivs ein in lateinischer
Sprache geschriebenes Dokument: ckests-
msnlum Petri Mationj juvenis, das er sich
vo» der Familie zur Entzifferung ausbar.
Er erhielt die Einwilligung, reinigte das
Pergament und stellte den Text fest. Er
lauter in deutscher Ueberseyung: Testament
des jünger» Mazzoni. „Ich wurde geboren
am 17. Mär; 1572 in Imola. Mein Vater,
dessen Andenken gesegnet sei, hatte mich
zum Seidenwcber bestimmt, ich aber wollte
Maler werden. Er wollte nichts mehr
von mir wissen und starb, ohne mir zu
vergeben. In Bologna einen Meister zu
zahlen, war ich zu arm. was ich kann,
verdanke ich dem göttlichen Urbinatcn und
meinen eigenen Augen. Im Alrer von
21 Jahren malte ich meine heilige Agathe.
Auf den Rath meines Lollegen Niccolo
wandte ich mich an den Grafen Zapparelli,
den Gönner der Rünste. Er sah meine
2lrbcit und meinte, ich solle die Schule von
Ferrara aufslichc», deren Art die einzig
richtige sei. 2lbcr das ging nicht an, weil
ich keine Mittel besaß. Ich ging zum Fürsten
Lecconi. Er lobte den Faltenwurf des Ge-
wandes und schrieb mir einen Empfehl-
ungsbrief an Mauritius Tergestinus in
Padua, bei dem ich 2l»atomie studiren
sollte. Leider war mir auch das nicht
möglich. Ich malte meine Assunta und
zeigte sie dem Marchese Gagliardi. Er be-
dauerte sehr, weil er gerade für die Rirche
des hl. Borromäus ein Martyrbild gestiftet
und die 2lusführung einem der Larracci
J. Dcimbcrgcr (Müncncti).
übertragen hatte. Der Herzog von An-
cona, dem ich von Gagliardi empfohlen
wurde, beklagte, daß ich kein Bildhauer
sei. Ein Marmorblock stehe noch unbenüyt
im Hofe und den biete er mir ohne Ent-
gelt an, welches Geschenk ich nicht an-
nehmen konnte. Heute endlich führte mich
mein Glück zum Grafen Ravenna«. Er
empfing mich mit jenci» ruhigen Gleich-
muth, den alle Bologneser an ihm bewun-
dert haben. Ich seyrc ihm meine Pläne,
meine Enttäuschungen auseinander und
fragte ihn bescheidcntlich: „was soll ich
jetzt thun?" Graf Giacomo sah mich an
und sagte: „was Du thun sollst? Ei»
Rünstler, der nicht zu leben hat — häng'
Dich auf!" Dies war der erste Rath, den
auszuführen in meiner Macht liegt. Ehe
ich an seine Verwirklichung gehe, vermache
ich meinem einzigen wohlthäter, Grafen
Giacomo Aavcnnati, meine sämmtliche»
Arbeiten. College Piiccolo wird meinen
letzten willen vollziehen.
Viel gibt Menschen der Mensch und dank-
bar sollst Du's empfange»,
Doch wer die Wahrheit gab, gab Dir das
höchste Geschenk.
Gott sei meiner Seele gnädig!"
was weiter folgt, ergibt sich von selbst.
Niccolo trug gewissenhaft Testament und
Hinterlassenschaft zum Grafen Giacomo.
Der Graf nahm beides, legre die Urkunde
in sein Archiv und ließ die Bilder in seiner
Gallerie anbringen. Friedrich Adler.
-Ss ist «in [tlffcx
-Lntsanc^ <m SUu nitb Jlotn,
QDo Ancc^eit G b<is jc()tom Qvob,
Qtnb (BviisGfatU rvucHect <wv Qvanb,
nnb Vorn.
3viucp Sonne, jnfuucvtin,
Qtnb wifcnb« Qtocjcjcnbuji;
Lin tanjenb« ORncft«n|d()wtuin
Qtnb SAwakGen in jittembet Ln^t.
Qtnb mn bic cjCüf)c Q1tiU«<jsjeit
Liit vfläett inv b5cc<lcnfU«ut,
Qtnb weit
Kein Menschen tant. Gustav Falke.
;ro
JUGEND
1897
Pietro Mazzoni giovine
Eine Lünfticrgcschichtc nur dem Li»a»cccmo
^^iie Geschichte har mir mein Freund.
Professor erzählt. Er hat sie
von einer italienischen 2icise mitgcbrachr,
als er seine ersten Lorbeeren auf dcm Ge-
biete der klassischen Textkritik pstüchte. Da-
mals war er von einem Lollegcn auf das
Schloß der Grafen Ravenna« bei Bologna
aufmerksam gemacht worden, das kostbare
Manuskripte barg. Er wurde von de»
Grafen, die gern bereit waren, alte pcr-
gamcnre gegen neue Lire auszutauschcn,
freundlich aufgenommen und gleich am
ersten Tage in die Gallerie des Hauses
geführt. Sie enthält wenige, aber ausge-
zeichnete Bilder. Ihr Stolz isteineHimmel-
fahrt Mariä und eine „hl. Agathe" von
Pietro Mazzoni, dem jünger», genannt
II petruccio. Des Maiers Studien und
Entwürfe füllen ein besonderes Rabiner.
Die Forscher des Linguecento hat die
Frage viel beschäftigt, warum Mazzoni
einzig und allein hier vertreten ist. Die
allgemeine Annahme gehr dahin, Giacomo
Graf Ravenna«, der um die gleiche Zeit
gelebt hat, habe sich de» Rünstier so sehr
verpflichtet, daß dieser keinem andern seine
Werke überlaßen wollte. Diese Ansicht
entspricht auch der Tradition des Hauses,
und so viel die Familie inzwischen zu
Geld gemacht hat, auf diese glorreiche
Erinnerung an ihre Ahnherren hat sie
bis heute nicht verzichtet. Prof. F., den
Mazzoni entzückt hatte, fand unter den
Schätzen des Archivs ein in lateinischer
Sprache geschriebenes Dokument: ckests-
msnlum Petri Mationj juvenis, das er sich
vo» der Familie zur Entzifferung ausbar.
Er erhielt die Einwilligung, reinigte das
Pergament und stellte den Text fest. Er
lauter in deutscher Ueberseyung: Testament
des jünger» Mazzoni. „Ich wurde geboren
am 17. Mär; 1572 in Imola. Mein Vater,
dessen Andenken gesegnet sei, hatte mich
zum Seidenwcber bestimmt, ich aber wollte
Maler werden. Er wollte nichts mehr
von mir wissen und starb, ohne mir zu
vergeben. In Bologna einen Meister zu
zahlen, war ich zu arm. was ich kann,
verdanke ich dem göttlichen Urbinatcn und
meinen eigenen Augen. Im Alrer von
21 Jahren malte ich meine heilige Agathe.
Auf den Rath meines Lollegen Niccolo
wandte ich mich an den Grafen Zapparelli,
den Gönner der Rünste. Er sah meine
2lrbcit und meinte, ich solle die Schule von
Ferrara aufslichc», deren Art die einzig
richtige sei. 2lbcr das ging nicht an, weil
ich keine Mittel besaß. Ich ging zum Fürsten
Lecconi. Er lobte den Faltenwurf des Ge-
wandes und schrieb mir einen Empfehl-
ungsbrief an Mauritius Tergestinus in
Padua, bei dem ich 2l»atomie studiren
sollte. Leider war mir auch das nicht
möglich. Ich malte meine Assunta und
zeigte sie dem Marchese Gagliardi. Er be-
dauerte sehr, weil er gerade für die Rirche
des hl. Borromäus ein Martyrbild gestiftet
und die 2lusführung einem der Larracci
J. Dcimbcrgcr (Müncncti).
übertragen hatte. Der Herzog von An-
cona, dem ich von Gagliardi empfohlen
wurde, beklagte, daß ich kein Bildhauer
sei. Ein Marmorblock stehe noch unbenüyt
im Hofe und den biete er mir ohne Ent-
gelt an, welches Geschenk ich nicht an-
nehmen konnte. Heute endlich führte mich
mein Glück zum Grafen Ravenna«. Er
empfing mich mit jenci» ruhigen Gleich-
muth, den alle Bologneser an ihm bewun-
dert haben. Ich seyrc ihm meine Pläne,
meine Enttäuschungen auseinander und
fragte ihn bescheidcntlich: „was soll ich
jetzt thun?" Graf Giacomo sah mich an
und sagte: „was Du thun sollst? Ei»
Rünstler, der nicht zu leben hat — häng'
Dich auf!" Dies war der erste Rath, den
auszuführen in meiner Macht liegt. Ehe
ich an seine Verwirklichung gehe, vermache
ich meinem einzigen wohlthäter, Grafen
Giacomo Aavcnnati, meine sämmtliche»
Arbeiten. College Piiccolo wird meinen
letzten willen vollziehen.
Viel gibt Menschen der Mensch und dank-
bar sollst Du's empfange»,
Doch wer die Wahrheit gab, gab Dir das
höchste Geschenk.
Gott sei meiner Seele gnädig!"
was weiter folgt, ergibt sich von selbst.
Niccolo trug gewissenhaft Testament und
Hinterlassenschaft zum Grafen Giacomo.
Der Graf nahm beides, legre die Urkunde
in sein Archiv und ließ die Bilder in seiner
Gallerie anbringen. Friedrich Adler.
-Ss ist «in [tlffcx
-Lntsanc^ <m SUu nitb Jlotn,
QDo Ancc^eit G b<is jc()tom Qvob,
Qtnb (BviisGfatU rvucHect <wv Qvanb,
nnb Vorn.
3viucp Sonne, jnfuucvtin,
Qtnb wifcnb« Qtocjcjcnbuji;
Lin tanjenb« ORncft«n|d()wtuin
Qtnb SAwakGen in jittembet Ln^t.
Qtnb mn bic cjCüf)c Q1tiU«<jsjeit
Liit vfläett inv b5cc<lcnfU«ut,
Qtnb weit
Kein Menschen tant. Gustav Falke.
;ro