Nr. 42
JUGEND
1897
Jibgeblitzt!
Hans Thoma (Frankfurt).
Der Abenteurer
t^ier ist das Land. So rudert denn den Aahn zurück
Und meldet den Gefährten: ich betrat mein Reich.
Sie sehen mich als Fürsten wieder oder nie. —
was schweigt Ihr noch und zaudert ? Laßt mich nun allein,
Allein mit meinem guten Schwert und meinem Roß,
Nun werb' ich in der Fremde mir die eig'ne Schaar.
Lebt wohl! — Dem wandelbaren Meere kehr' ich nun
Den Rücken zu — mein Auge sucht die Burgen auf,
In deren Mauern sich der Feige sicher fühlt,
Mein Auge sucht am Horizonte seinen Feind. —
Der Hufschritt meines Rosses klingt an morsch Gebein,
An Menschenschädcl — mich zu schrecken sind sic wohl
Vom Schicksal auf des Reiches Schwelle ausgestrcut —
Zerstampfe sie, mein Schwarzer, stampfe über sie hinweg,
Sie waren nicht, der ich bin — darum fielen sie.
Vtto Erich Dartleben.
Mnn wir alt sein werben
Eine Phantasie von Max Halbe
y3fic Sonne steht schräg am wolkenlosen Himmel. Es ist ein Scptcmber-
tag, so um die zweite Halste herum, wann die Farben schon tiefer
glühen und alle Fernen zu leuchten beginnen. Dort hinten, den blauen
Streif am Horizont, erkennst Du ihn, Mathilde, mein Weib?
Die Luft ist durchsichtig und rein, wie geschliffener Krhstall. Kein
Wölkchen überhaucht die spiegelklare Weite. Still und glatt liegt das
Land im warmen Septemberlicht. Vorüber sind die schwülen Gewitter-
schauer blüthenschwerer Maicutage, vorüber der blendende Hoch-
sommerglanz ans grünen wogenden Waizenfluren. Die Sonne steht
schräg über gelben Stvppelslächen. Es ist ein Septembcrtag, mild
und reis und ruhig und ausgeblüht. Wie alle Farben schon tiefer
glühen und lvic die Fernen zu leuchte» beginnen!
Mathilde, mein Weib, erkennst Du den blauen Streifen weit,
weit hinten am Horizont? Verschalle die Augen mit der Hand, die
tiefen räthselvollen Augen, in die ich mein Geheimnis; versenkt habe,
und sich hinüber nach der seligen Ferne. Erkennst Du sie? Las; Dir
Zeit! Schau andachtsvoll hinüber! Du siehst nie mehr ihres Gleichen.
Dort liegt, was nicht wiedcrkommen wird. Dort liegt, tvas wir waren.
Unser Frühling und unser Sommer, Blüthenregen und Gewitterschauer,
Sturmgcsang und Nachtigallenschlag, Glctschcrschrosfen und leuchtende
südliche Meere, Gläserklang und silbernes Lachen und bachdurchrauschte
Mitsommcrnacht, lärmende Märkte, Kampf und Sieg und Widerstreit
rind ächzende Seufzer in letzter Roth, Menschenliebe und Menschenhai;,
gähnende Verachtung und tiefstes Verzeihen, heisteS Ringen und Erntc-
702
JUGEND
1897
Jibgeblitzt!
Hans Thoma (Frankfurt).
Der Abenteurer
t^ier ist das Land. So rudert denn den Aahn zurück
Und meldet den Gefährten: ich betrat mein Reich.
Sie sehen mich als Fürsten wieder oder nie. —
was schweigt Ihr noch und zaudert ? Laßt mich nun allein,
Allein mit meinem guten Schwert und meinem Roß,
Nun werb' ich in der Fremde mir die eig'ne Schaar.
Lebt wohl! — Dem wandelbaren Meere kehr' ich nun
Den Rücken zu — mein Auge sucht die Burgen auf,
In deren Mauern sich der Feige sicher fühlt,
Mein Auge sucht am Horizonte seinen Feind. —
Der Hufschritt meines Rosses klingt an morsch Gebein,
An Menschenschädcl — mich zu schrecken sind sic wohl
Vom Schicksal auf des Reiches Schwelle ausgestrcut —
Zerstampfe sie, mein Schwarzer, stampfe über sie hinweg,
Sie waren nicht, der ich bin — darum fielen sie.
Vtto Erich Dartleben.
Mnn wir alt sein werben
Eine Phantasie von Max Halbe
y3fic Sonne steht schräg am wolkenlosen Himmel. Es ist ein Scptcmber-
tag, so um die zweite Halste herum, wann die Farben schon tiefer
glühen und alle Fernen zu leuchten beginnen. Dort hinten, den blauen
Streif am Horizont, erkennst Du ihn, Mathilde, mein Weib?
Die Luft ist durchsichtig und rein, wie geschliffener Krhstall. Kein
Wölkchen überhaucht die spiegelklare Weite. Still und glatt liegt das
Land im warmen Septemberlicht. Vorüber sind die schwülen Gewitter-
schauer blüthenschwerer Maicutage, vorüber der blendende Hoch-
sommerglanz ans grünen wogenden Waizenfluren. Die Sonne steht
schräg über gelben Stvppelslächen. Es ist ein Septembcrtag, mild
und reis und ruhig und ausgeblüht. Wie alle Farben schon tiefer
glühen und lvic die Fernen zu leuchte» beginnen!
Mathilde, mein Weib, erkennst Du den blauen Streifen weit,
weit hinten am Horizont? Verschalle die Augen mit der Hand, die
tiefen räthselvollen Augen, in die ich mein Geheimnis; versenkt habe,
und sich hinüber nach der seligen Ferne. Erkennst Du sie? Las; Dir
Zeit! Schau andachtsvoll hinüber! Du siehst nie mehr ihres Gleichen.
Dort liegt, was nicht wiedcrkommen wird. Dort liegt, tvas wir waren.
Unser Frühling und unser Sommer, Blüthenregen und Gewitterschauer,
Sturmgcsang und Nachtigallenschlag, Glctschcrschrosfen und leuchtende
südliche Meere, Gläserklang und silbernes Lachen und bachdurchrauschte
Mitsommcrnacht, lärmende Märkte, Kampf und Sieg und Widerstreit
rind ächzende Seufzer in letzter Roth, Menschenliebe und Menschenhai;,
gähnende Verachtung und tiefstes Verzeihen, heisteS Ringen und Erntc-
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