1897
‘ JUGEND
Nr. 42
Und richtig, im September wars, da kam
von Uusum her ein Mädchen angesegelt
Mit ihrem Bett und Staat, und übernahm
Sofort den Haushalt; er war rasch geregelt.
Dann haben sich die Brüder wonnesam
Plumsbumsrnms auf ihr Lager hingeslegelt.
Breitschultrig, kräftig war die Fraunsperson,
Gutmüthig, nur im Hirn 'was monoton.
So lebten denn die drei, weitab der Welt,
Linträchtiglich, wie treue Freunde wohnen,
Bald hat sie Klöße auf den Tisch gestellt,
Bald gab es Linsen, Erbsen, Speck und Bohnen.
Nie tobte Zank noch Zorn in ihrem Zelt,
Sie dachten nur an essen, schlafen, frohnen.
Nachts lag dies Märchenschloß als wärs erstickt;
Sogar der Tod schien leise eingenickt.
Lin schwerer Winter finsterte herein,
Die Fluth begrub mit Schollen-Lis die plane,
Das liegen blieb, als wollt es dort gedeih».
Einmal besuchten dreizehn wilde Schwäne
Das öde Eiland, doch im Abendschein
verließen südsüdwestlich sie die Seeiie.
Im dunklen, offnen Meer hebt sich mitunter
Ein Robbeukopf, und taucht schnell wieder unter.
wie einsam nun der kurze, kalte Tag,
Die Nacht wie laug, schier endlos schleicht ihr Zieh».
Die werft gleicht einem grauen Sarkophag,
Bedeckt vom Schneepelz wie mit Hermelin.
Zuweilen krorahxt ans dem Heerdenschlag
Ein Rabe; ach, du armer Peregrin.
Der eine Bruder schnitzt am Haifischzahn;
Der andre, bibelfest, ist Hanskaplan.
Zwei Flaggen liegen stets bereit zum hissen:
Die schwarze winkt bei Krankheit und bei Tod.
Dann kommt der Arzt mit seinen Feldmelissen;
Auch Kindesnöthe kündet ihr Gebot.
Die gelbe ködert manchen guten Bissen,
Sie ruft dem Landvogt zu: Hilf, uns fehlt Brod;
Wenns geht — denn meistens thürmt das Vröckel-Eis
Ganz undurchdringlich seinen Herrschaftskreis.
Der Frühling siegt. Der Liswall löst sich auf,
Auch hier bestickt die Erde sich mit Grün.
Das zarte Halligblümchen kriecht herauf,
Bis endlich alle Gräserrispen blühn.
Der Kampfhahn sträubt den Hals in drolligem Lauf,
Und selbst der Mövenvater zeigt sich kühn.
Allleben bis ins kleinste Pflanzenröhrchen,
Den Lämmern schimmern rosaroth die Vehrchen.
Und seltsam: fremde Vögel kommen an,
Mit bunten Federn, niemals noch gesehn.
Die singen süß, wie keiner singen kann,
Und haben gold'ne Krallen an den Zehn.
Najaden huschen um die Hallig dann
Und lassen sichs am Strande wohlergehn.
Am andern Morgen ist das Vogelvölkchen,
Spurlos verschwunden wie ein Abendwölkchen.
_:_
707
Fritz Erler (München).
‘ JUGEND
Nr. 42
Und richtig, im September wars, da kam
von Uusum her ein Mädchen angesegelt
Mit ihrem Bett und Staat, und übernahm
Sofort den Haushalt; er war rasch geregelt.
Dann haben sich die Brüder wonnesam
Plumsbumsrnms auf ihr Lager hingeslegelt.
Breitschultrig, kräftig war die Fraunsperson,
Gutmüthig, nur im Hirn 'was monoton.
So lebten denn die drei, weitab der Welt,
Linträchtiglich, wie treue Freunde wohnen,
Bald hat sie Klöße auf den Tisch gestellt,
Bald gab es Linsen, Erbsen, Speck und Bohnen.
Nie tobte Zank noch Zorn in ihrem Zelt,
Sie dachten nur an essen, schlafen, frohnen.
Nachts lag dies Märchenschloß als wärs erstickt;
Sogar der Tod schien leise eingenickt.
Lin schwerer Winter finsterte herein,
Die Fluth begrub mit Schollen-Lis die plane,
Das liegen blieb, als wollt es dort gedeih».
Einmal besuchten dreizehn wilde Schwäne
Das öde Eiland, doch im Abendschein
verließen südsüdwestlich sie die Seeiie.
Im dunklen, offnen Meer hebt sich mitunter
Ein Robbeukopf, und taucht schnell wieder unter.
wie einsam nun der kurze, kalte Tag,
Die Nacht wie laug, schier endlos schleicht ihr Zieh».
Die werft gleicht einem grauen Sarkophag,
Bedeckt vom Schneepelz wie mit Hermelin.
Zuweilen krorahxt ans dem Heerdenschlag
Ein Rabe; ach, du armer Peregrin.
Der eine Bruder schnitzt am Haifischzahn;
Der andre, bibelfest, ist Hanskaplan.
Zwei Flaggen liegen stets bereit zum hissen:
Die schwarze winkt bei Krankheit und bei Tod.
Dann kommt der Arzt mit seinen Feldmelissen;
Auch Kindesnöthe kündet ihr Gebot.
Die gelbe ködert manchen guten Bissen,
Sie ruft dem Landvogt zu: Hilf, uns fehlt Brod;
Wenns geht — denn meistens thürmt das Vröckel-Eis
Ganz undurchdringlich seinen Herrschaftskreis.
Der Frühling siegt. Der Liswall löst sich auf,
Auch hier bestickt die Erde sich mit Grün.
Das zarte Halligblümchen kriecht herauf,
Bis endlich alle Gräserrispen blühn.
Der Kampfhahn sträubt den Hals in drolligem Lauf,
Und selbst der Mövenvater zeigt sich kühn.
Allleben bis ins kleinste Pflanzenröhrchen,
Den Lämmern schimmern rosaroth die Vehrchen.
Und seltsam: fremde Vögel kommen an,
Mit bunten Federn, niemals noch gesehn.
Die singen süß, wie keiner singen kann,
Und haben gold'ne Krallen an den Zehn.
Najaden huschen um die Hallig dann
Und lassen sichs am Strande wohlergehn.
Am andern Morgen ist das Vogelvölkchen,
Spurlos verschwunden wie ein Abendwölkchen.
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707
Fritz Erler (München).