Nr. 42
JUGEND
1897
Zahme Femen
zu Boecklin's 70. Geburtstag
Die Mltcn:
Uns gehört er, denn Ihr wißt,
Lr zählt siebzig Jahre;
Uns gehört, was siebzig ist,
Uns die weißen Haare!
Freilich hat er kollegial
Richt an uns gehandelt —
W i r veralteten zumal,
Lr blieb unverwandelt!
Die Jüngern:
Unverglühte Iugendgluth
Lebt in seinem Walten —
Uns gehört er! viel zu gut
Ist er für die Alten.
Uns bestrahlen leuchtend jetzt
Seines Ruhmes Sterne.
Hält' man ihn immer schon so geschätzt,
Ließen wir ihn Luch gerne.
Die Jüngsten:
wir bewundern Alle sehr
Seine schönen Sachen —
Wär's nur nicht so schrecklich schwer,
Ihn auch nachzumachen.
Heben bis zur Himmelshöh'
Wollten wir ihn willig,
Doch er geb' uns ein ClichS
Rett und glatt und — billig!
Der Musstellungs-tzuror von eg'dom:
Da gibt's was zum Lachen:
So närrische Sachen,
Die Farben so stark
Und die Formen so frei,
viel Frivoles dabei
Und Alles ist Fratze!
Hinaus mit dem Auark,
Ls fehlt uns am Platze!
Der Juror von gcute:
Herein mit dem Schatz,
Ls ist immer noch Play
Für die Lhiffre A. B.!
Und wär's auch uralt,
Und verzeichnet, vermalt,
Und verstaubt auf den Speichern,
Ls thut uns nicht weh,
Ls wird uns bereichern.
Si. Pr. riational-Galcrie-Geist:
Zuerst, es ist wahr, da schickten wir schon
Des Schweizers Gemälde zurücke,
Doch wies am Lnde die Lollection
Unter littera B eine Lücke.
Da kauften wir schnell noch Liniges ein,
That's uns auch leid, es zu zahlen —
Lomplet muß 'ne schneidige Sammlung sein,
Selbst auf Kosten des Idealen.
De. Exccllenz:
Ihn dekoriren? Schön — doch fragt sich eben,
TTCit welchem Kreuzlein man den Mann beglückt.
Man kann ihm doch nicht gleich die Drden geben,
Womit man sonst nur Kammerjunker schmückt.
Da machten uns die Herren saure Miene —
Doch halt, ich hab's: wir geben ihm das Band,
Mit dem man jüngst der Prima-Ballerine
Halbjundertjähr'gen Lifer anerkannt.
Der „Kuiistmalcr“ im Allgemeinen;
Ich, mit dem genialen Shlips
Und dem braunen Sammetröcklin,
Weiß, woran es fehlt dem Böcklin:
Lr studirte nie nach Gyps l
Boecklin-Medaille der „Jugend“
von Hugo Kaufmann (München)
Der Kunstmaler A. v. W. im Besonderen:
Lauter tolle Mißgestalten,
Fisch und Frosch und Mensch zumal!
Anatomisch nicht zu halten,
Zoologisch ein Skandal!
Gäbe doch in der enormen
Welt des Schönen reichstes Maaß,
Stiebet, Säbel, Uniformen,
Drden, Helme, dies und das!
Dieser Wust von Fabelthieren,
Schwindel ist er, blauer Dunst,
Wir, Gott Anton, dekretiren:
„Das ist nidzt die edzte Kunst!“
Geistlicher Ratg:
Daß er gar die religiösen
Stoffe auch zum Vorwurf wählt,
Mäg' uns Gott davon erlösen,
Weil ihm wahre Inbrunst fehlt!
Lr behandelt solch ein Thema
Ligenmächtig, keck und frech —
pnd wir hätten doch ein Schema
Ausgeschnitten, scharf, aus Blech.
Wollt Ihr wirklich Lure Seelen
An geweihter Kunst erbau'n,
Müßt ihr eine Firma wählen,
Der sich bester läßt vertrau'».
Namentlich macht Levy Meyer
Heilige von rarster Art,
Sind im Dutzend gar nicht theuer,
Saubre Arbeit, fromm und zart.
Der Ziervenkünstler:
Seine Landschaft muß id) schelten,
Weil sie gar zu glaubhaft spricht,
Seine Beefker last' ich gelten,
Aber seine Menschen nidzt.
Zugekniffene Lider taugen,
Zu erspäh'n den feinsten Ton,
Aber mit so Hellen Augen
Hat man keine Impression!
Der Franzose:
Als Großen grüß' ich ihn mit sdzeuem Gruße,
Ich ahn' ihn wohl, doch zieht er midz nidzt an:
Für seine Kunst war nicht das Weib die Muse,
Lr ist ein Mann!
Und Lins nodz hindert, daß mit lautem Munde
Mein Volk den wundermann als Meister preist:
Der Franzmann spürt in seines Wesens Grunde
Urdeutschen Geist!
Der Engländer:
Db er klein oder ungeheuer ist,
Gb er wirklich von heiligem Feuer ist,
Lntsdzeiden am Lnde die Zeiten.
Aber weil er so theuer ist,
Wie selten ein Alter, ein Neuer ist,
Muß er wohl Ltwas bedeuten!
Der Kunsthändler:
Uns trifft es hart, daß er zur Geltung kam —
wo ist sie hin, die gute Zeit, die alte,
Wo man nodz zwanzigmal so viel bekam
von seinen Käufern, als man selbst bezahlte!
Der Kritiker:
Was macht mir dieser Mensch für Pein!
Mir hilft kein Sdzematismus!
Lr paßt mir in kein Fadz hinein,
Und paßt auf keinen — Ismus!
Die Pietsche:
Jetzt wird er freilich hodz geehrt,
Mit Titeln, Geld und Drden —
Hätt' er auf unfern Rath gehört,
was wär er dann erst worden!
Die Lollegen:
An Sechzigtausend zahlen sie ihm gern
Jetzt ungeschaut für jeden bunten Lappen —
Ls ist nicht hübsdz von einem solchen Herrn,
Uns so das Geld der Käufer wegzuschnappen!
Der froinme Fürst Loewenstein:
wie mich gleich Lntrüstung padct,
Hör' ich diesen Ramen;
Alles malt er splitternackt,
Männer, Kinder, Damen.
Rirlein mit der runden Brust
Und mit prallen Lenden —
Alles weckt die Sündenlust!
Gott, wie soll das enden!
Künstler treiben allzufrei
Ihre Teufelstücken —
Staatsanwalt und Polizei
Müßten sie erdrücken!
Der Philistcr:
Dieses Jubeln, dieses Lärmen!
Seht doch soldze Thorheit an,
Wie sie für den alten Mann
Sich so lächerlich erwärmen!
Wär' er wirklich so erlaucht,
Hätt' er nicht in deutschen Landen
Fünfundsechzig Jahr' gebraucht,
Bis sie voll ihn anerkannten.
Diese Liebe, dieser Ruhm
Kommen etwas zu postlrum.
Der rintevzeichnelc:
Daß Ihr nie ihn voll erkannt,
war wohl nidzt zum Bösen —
Wenn der Pöbel ihn je verstand,
Wär' er kein Boecklin gewesen.
Fritz von Mstlni
Rückseite der Boecklin-Medaille
JUGEND
1897
Zahme Femen
zu Boecklin's 70. Geburtstag
Die Mltcn:
Uns gehört er, denn Ihr wißt,
Lr zählt siebzig Jahre;
Uns gehört, was siebzig ist,
Uns die weißen Haare!
Freilich hat er kollegial
Richt an uns gehandelt —
W i r veralteten zumal,
Lr blieb unverwandelt!
Die Jüngern:
Unverglühte Iugendgluth
Lebt in seinem Walten —
Uns gehört er! viel zu gut
Ist er für die Alten.
Uns bestrahlen leuchtend jetzt
Seines Ruhmes Sterne.
Hält' man ihn immer schon so geschätzt,
Ließen wir ihn Luch gerne.
Die Jüngsten:
wir bewundern Alle sehr
Seine schönen Sachen —
Wär's nur nicht so schrecklich schwer,
Ihn auch nachzumachen.
Heben bis zur Himmelshöh'
Wollten wir ihn willig,
Doch er geb' uns ein ClichS
Rett und glatt und — billig!
Der Musstellungs-tzuror von eg'dom:
Da gibt's was zum Lachen:
So närrische Sachen,
Die Farben so stark
Und die Formen so frei,
viel Frivoles dabei
Und Alles ist Fratze!
Hinaus mit dem Auark,
Ls fehlt uns am Platze!
Der Juror von gcute:
Herein mit dem Schatz,
Ls ist immer noch Play
Für die Lhiffre A. B.!
Und wär's auch uralt,
Und verzeichnet, vermalt,
Und verstaubt auf den Speichern,
Ls thut uns nicht weh,
Ls wird uns bereichern.
Si. Pr. riational-Galcrie-Geist:
Zuerst, es ist wahr, da schickten wir schon
Des Schweizers Gemälde zurücke,
Doch wies am Lnde die Lollection
Unter littera B eine Lücke.
Da kauften wir schnell noch Liniges ein,
That's uns auch leid, es zu zahlen —
Lomplet muß 'ne schneidige Sammlung sein,
Selbst auf Kosten des Idealen.
De. Exccllenz:
Ihn dekoriren? Schön — doch fragt sich eben,
TTCit welchem Kreuzlein man den Mann beglückt.
Man kann ihm doch nicht gleich die Drden geben,
Womit man sonst nur Kammerjunker schmückt.
Da machten uns die Herren saure Miene —
Doch halt, ich hab's: wir geben ihm das Band,
Mit dem man jüngst der Prima-Ballerine
Halbjundertjähr'gen Lifer anerkannt.
Der „Kuiistmalcr“ im Allgemeinen;
Ich, mit dem genialen Shlips
Und dem braunen Sammetröcklin,
Weiß, woran es fehlt dem Böcklin:
Lr studirte nie nach Gyps l
Boecklin-Medaille der „Jugend“
von Hugo Kaufmann (München)
Der Kunstmaler A. v. W. im Besonderen:
Lauter tolle Mißgestalten,
Fisch und Frosch und Mensch zumal!
Anatomisch nicht zu halten,
Zoologisch ein Skandal!
Gäbe doch in der enormen
Welt des Schönen reichstes Maaß,
Stiebet, Säbel, Uniformen,
Drden, Helme, dies und das!
Dieser Wust von Fabelthieren,
Schwindel ist er, blauer Dunst,
Wir, Gott Anton, dekretiren:
„Das ist nidzt die edzte Kunst!“
Geistlicher Ratg:
Daß er gar die religiösen
Stoffe auch zum Vorwurf wählt,
Mäg' uns Gott davon erlösen,
Weil ihm wahre Inbrunst fehlt!
Lr behandelt solch ein Thema
Ligenmächtig, keck und frech —
pnd wir hätten doch ein Schema
Ausgeschnitten, scharf, aus Blech.
Wollt Ihr wirklich Lure Seelen
An geweihter Kunst erbau'n,
Müßt ihr eine Firma wählen,
Der sich bester läßt vertrau'».
Namentlich macht Levy Meyer
Heilige von rarster Art,
Sind im Dutzend gar nicht theuer,
Saubre Arbeit, fromm und zart.
Der Ziervenkünstler:
Seine Landschaft muß id) schelten,
Weil sie gar zu glaubhaft spricht,
Seine Beefker last' ich gelten,
Aber seine Menschen nidzt.
Zugekniffene Lider taugen,
Zu erspäh'n den feinsten Ton,
Aber mit so Hellen Augen
Hat man keine Impression!
Der Franzose:
Als Großen grüß' ich ihn mit sdzeuem Gruße,
Ich ahn' ihn wohl, doch zieht er midz nidzt an:
Für seine Kunst war nicht das Weib die Muse,
Lr ist ein Mann!
Und Lins nodz hindert, daß mit lautem Munde
Mein Volk den wundermann als Meister preist:
Der Franzmann spürt in seines Wesens Grunde
Urdeutschen Geist!
Der Engländer:
Db er klein oder ungeheuer ist,
Gb er wirklich von heiligem Feuer ist,
Lntsdzeiden am Lnde die Zeiten.
Aber weil er so theuer ist,
Wie selten ein Alter, ein Neuer ist,
Muß er wohl Ltwas bedeuten!
Der Kunsthändler:
Uns trifft es hart, daß er zur Geltung kam —
wo ist sie hin, die gute Zeit, die alte,
Wo man nodz zwanzigmal so viel bekam
von seinen Käufern, als man selbst bezahlte!
Der Kritiker:
Was macht mir dieser Mensch für Pein!
Mir hilft kein Sdzematismus!
Lr paßt mir in kein Fadz hinein,
Und paßt auf keinen — Ismus!
Die Pietsche:
Jetzt wird er freilich hodz geehrt,
Mit Titeln, Geld und Drden —
Hätt' er auf unfern Rath gehört,
was wär er dann erst worden!
Die Lollegen:
An Sechzigtausend zahlen sie ihm gern
Jetzt ungeschaut für jeden bunten Lappen —
Ls ist nicht hübsdz von einem solchen Herrn,
Uns so das Geld der Käufer wegzuschnappen!
Der froinme Fürst Loewenstein:
wie mich gleich Lntrüstung padct,
Hör' ich diesen Ramen;
Alles malt er splitternackt,
Männer, Kinder, Damen.
Rirlein mit der runden Brust
Und mit prallen Lenden —
Alles weckt die Sündenlust!
Gott, wie soll das enden!
Künstler treiben allzufrei
Ihre Teufelstücken —
Staatsanwalt und Polizei
Müßten sie erdrücken!
Der Philistcr:
Dieses Jubeln, dieses Lärmen!
Seht doch soldze Thorheit an,
Wie sie für den alten Mann
Sich so lächerlich erwärmen!
Wär' er wirklich so erlaucht,
Hätt' er nicht in deutschen Landen
Fünfundsechzig Jahr' gebraucht,
Bis sie voll ihn anerkannten.
Diese Liebe, dieser Ruhm
Kommen etwas zu postlrum.
Der rintevzeichnelc:
Daß Ihr nie ihn voll erkannt,
war wohl nidzt zum Bösen —
Wenn der Pöbel ihn je verstand,
Wär' er kein Boecklin gewesen.
Fritz von Mstlni
Rückseite der Boecklin-Medaille