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Nr. 42

JUGEND

1897

Der Philosoph Rich- Millcr (Dresden).

Der Halkyonier

Von Gtto Lrich Lartleben

Der Reden glatter Fluß fließt allruschneU

von hinnen:

Sei sparsam mit dem Wort, so wird es

Werth gewinnen.

Cs heischt von Vir die Weit, Vn sotllt Vir

nicht erlauben

Jedweden eignen Math und jeden eignen

Glauben,

Solist feige sein und faul, unredlich gegen

Dich —

Dann lebst Du sittlich erst und führst Dich

ordentlich.

Die Liebe, wenn sie schweigt, ist wohl am

besten dran,

Weil Fürwitz und Verstand ihr dann nicht

schaden kann.

Der Ktmstsainmler

Wenn hohe Werke gottgeweihter Hand,

Aus Ueberfluss der Seele schön gestaltet,

Mir Haus und Einsamkeit

Erschimmernd schmücken

Und meine Seele jäh

Erzittern lassen vor der Segensnähe

Urheiliger Schöpferkraft, —

Nicht Schönheit isfs allein, die mir
Das Aug’ mit ewiger Gebilde Glanz
Erfüllt und allen Rausch
Verklärten Schauens gibt und adelt. —
Nein, Leben ahn’ ich, athm’ ich,
Höchstes Leben, das in Form und Farben —
Verstummte Schönheitswoge! —

Die Ewigkeit gewann und Götterruhe.

Denn eine Hülle ist
Die Schönheit nur,

In die sich schimmernd Tieferes hüllt,
Voll Gottesscham! —

Nur eine Hülle,

Die beim lockenden Sinken
Nur eine neue Hülle offenbart,

Um so in Traum und Werden still
Des Höchsten Ahnung rein zu künden.
So will’s das Ewige,

Das seine Siegesfeste
In leuchtenden Werken feiert,

In denen ^stets ein Leben

Voll Kampf und Noth

Der Götterruhe Adel sich gewann,

Sich selber überwindend
Vor leuchtenden Augen,

Die selbst nur Hülle sind. — —

Gemein ist die Natur,

Wenn nicht der Mensch

Ihr seiner Seele Scham

Und Schimmern schenkt

Und allen nothentrungenen Glanz,

Der reiner Augen wartet

Und mit wundersamster Trauer

Und Thränenglück erlesene Seelen füllt,

Die vor der Schönheit Gebilden

Des Lebens Wunder

Durch Schweigen ehren.

Wilhelm Weigand.

K

£^Uttag

Die Watten glüh'n, die Watten dünsten,
Wett hinken schläft das müde Ateer,

Und über Watt und Dünen jagen
Die dltöven lauttos hin und her.

Einmal ein Schrei, ein Kurzer, schriller —
Weil hinken schläft das müde dlteer,

Und über Watt und Dünen jagen
Lauklos die dttöven hin und her.

Gustav Falke.

Ritter Md vom Riesen

itter Turt von Rackersberg spürte wieder
einmal die Tapferkeit in allen Knochen.
Abgesehen von den täglichen Drachenkämpsen
mit seiner Frau Irmgard und deren Mutter
tvcndeltrudis hatte er seit Monaten keine
Fehde mehr gehabt. Ls war ein langweiliger
Friede im heiligen, römischen Reich und weit und
breit gab's nichts zu hauen und nichts zu stechen.

Ritter Turt aber ließ sich, als er sich vor
lauter Löwenmuth nicht mehr halten konnte,
sein längstes Schlachtjchwcrt putzen und zog
dainit in den tvald auf Abenteuer, viel-
leicht kommt doch was, dachte er sich; ein
Lindwurm, oder ein Eber, oder mein Nach-
bar, der rothborstige Scharfensteiner, welcher
mir vom letzten Tarock her noch vicrtehaib
Thaler schuldet, oder ein grimmer Schelk, daß
ich endlich herausbekomme, was das für eine
viehsorto ist; oder vielleicht kommt auch ein
Nürnberger Pfcfferkrämer des tveges, oder
ein kjausirjude mit gothischen Dosenträgern
und parfümirter Seife — ich nähm' ihn auch
mit, wcil's gleich ist.

„tveil's gleich ist," war nämlich der
Ivaxpensprnch derer von Rackersberg.

Ritter Turt stürmte nun in den tvald bis
dahin, wo dieser am tiefsten war, und es kan,
nun auch was, aber weder vcitcl Ippelberger.
der bjousirer, noch ein Nürnberger jdfeffcrsack.
noch der Scharsenecker, mit dem so gut wäre
fechten gewesen, weil er nie nüchtern war.

Es kam Niemand Geringerer als 0nuph
rius Asprian, der Riese, ein Kerl, dem der
Ritter Tnrt gerade bis an's Knie ging. Füße
hatte er wie eine Engländerin von der bfeils-
armee und bjünde — Nr. 2363/4.

„0 weh l" dachte der Rackersbcrger. „Das
ist mir aber sehr »nangckichm. Im jdanopti-
kum ist so ein Bursch ja ganz nett — aber
mitten im finstern tvaldl Und mit dem Da
vonlaufen ist's auch nichts, mit zwei Schritten
macht dies Ranhbcin ja einen Kilometer!"

7-8
Register
Ki-Ki-Ki: Vom Ritter und vom Riesen
Wilhelm Weigand: Der Kunstsammler
Gustav Falke: Mittag
Richard Müller: Der Philosoph
Otto Erich Hartleben: Der Halkyonier
 
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