1897
JUGEND
Nr. 42
Da erinnerte sich unser Ritter an seinen
wappensxruch und dachte, nun sei schon Alles
eins. Mit dem Feldgeschrei „weils gleich ist!"
hieb er wie närrisch auf den splitternackten
Riesen ein. Aber er erzielte nur einen Hciter-
"citserfolg. Den Herrn Vuuxhrius Asprian
kitzelten die Schwertstreiche unterm Knie und
er mußte unbändig lachen. Immer wilder
hieb der Rackersbcrger drein, immer toller
lachte der Riese. Das dröhnte und kollerte,
als ginge in der Nähe ein Bergsturz nieder.
„weil's gleich ist!" schrie der Ritter.
„Nieder mit Dir, Du Himmelhund I Hurrahl"
Und die Hiebe stogcn, daß die Klinge heiß
wurde. Der Andere aber, der ein Riese von
der gutmüthigen Art war, sagte, indcß er
Thränen lachte: „Schlag nur zu, Kleiner,
wenn's Dich freut. Dir macht's vergnügen
und mir thut's nicht weh."
Der Ritter Eurt aber war schon ganz blau
im Gesicht vor lauter Tapferkeit und hieb
und schrie, wie besessen. Und schließlich konnte
sich der Andere vor Lachen gar nicht mehr
halten, machte „Kehrt l", lief davon und rief
auf Ricsisch: „Das Menschlein ist schon zu
putzig, das muß ich meiner Frau zeigen."
Und ging ab in Eilzngstcmpo, um die Frau
Riesin zu holen. Aber der Ritter, nachdem
er seinem enteilenden Widersacher noch ein
Erkleckliches nachgeschumpfcn, wie „Poltron",
„Schncidcrseele", „Jammerlappen" u. s. w.
lies eiligst wieder auf der andern Seite aus
dem Walde heraus.
Es war ihm doch draußen lieber. Und als
er weit genug voin Walde war, wand er sich
einen Lichenkranz um den heißen Kopf und
schritt dann mit Siegermiene einher, wenn
ihm aber Leute begegneten, fragte er:
„Hat Keiner von Euch einen Riesen laufen
sehen? So an die zweihundert Schuh hoch?
— Nicht? — Schade l Ich hätt' dem Burschen
gerne noch was auf's Leder geschrieben —
weil's gleich ist!"-
Aus dem Walde klang ein dumpfes Kollern
wie Donnergeroll und ein Helles Knattern.
Das Riescnpaar lachte ein Duett.
„Hört ihr das Gesindel, wie es Zeter schreit ?"
sagte der Ritter. „Nächstens fang' ich mir ein
Pärlein und schenk' es dem König für seine
Menagerie." — —
Da flog der Ruf von des Rackersbergers
Tapferkeit weit und breit durch die Lande.
Der König beförderte ihn zum Gbcrrittcr und
zum erblichen Hcrrenhausmitglied. Sogar die
Frau Wendeltrudis bekam Respekt vor ihm.
So oft der Ritter die Geschichte mit dem Riesen
erzählte, wurde sie ungeheuerlicher. Es war
schier gruselich, ihm zuzuhören. Das Rolands-
lied ist Nichts dagegen.
In den Wald zum Riesen ging er aber
doch nicht wieder, war' seiner auch nicht
wcrth: ein Gegner, der gleich Reißaus nimmt
— pahl —
Die Rackersberger gehören heute noch zu
den Edelsten im Lande. Baron Luno von
Rackcrsberg hat erst neulich beim Hofball zu
Flachscnfingen zu Serenissimi außerordentlichster
Zufriedenheit den Lotillon vorgetanzt und sein
Bruder bekam das Militärverdienstkreuz, weil
er am rechten Flügel einer Ehrcnkompagnic
am Bahnhof zu Zopfcnbcrg der durchrciseuden
Fürstin-Mutter Lustachia von Hinkcldorf-
Knifflingcn ältere Linie so schön salutirt hatte.
Das Blut der tapferen Rackersberger ver-
leugnet sich eben nie. <U.
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Nr. 42
Da erinnerte sich unser Ritter an seinen
wappensxruch und dachte, nun sei schon Alles
eins. Mit dem Feldgeschrei „weils gleich ist!"
hieb er wie närrisch auf den splitternackten
Riesen ein. Aber er erzielte nur einen Hciter-
"citserfolg. Den Herrn Vuuxhrius Asprian
kitzelten die Schwertstreiche unterm Knie und
er mußte unbändig lachen. Immer wilder
hieb der Rackersbcrger drein, immer toller
lachte der Riese. Das dröhnte und kollerte,
als ginge in der Nähe ein Bergsturz nieder.
„weil's gleich ist!" schrie der Ritter.
„Nieder mit Dir, Du Himmelhund I Hurrahl"
Und die Hiebe stogcn, daß die Klinge heiß
wurde. Der Andere aber, der ein Riese von
der gutmüthigen Art war, sagte, indcß er
Thränen lachte: „Schlag nur zu, Kleiner,
wenn's Dich freut. Dir macht's vergnügen
und mir thut's nicht weh."
Der Ritter Eurt aber war schon ganz blau
im Gesicht vor lauter Tapferkeit und hieb
und schrie, wie besessen. Und schließlich konnte
sich der Andere vor Lachen gar nicht mehr
halten, machte „Kehrt l", lief davon und rief
auf Ricsisch: „Das Menschlein ist schon zu
putzig, das muß ich meiner Frau zeigen."
Und ging ab in Eilzngstcmpo, um die Frau
Riesin zu holen. Aber der Ritter, nachdem
er seinem enteilenden Widersacher noch ein
Erkleckliches nachgeschumpfcn, wie „Poltron",
„Schncidcrseele", „Jammerlappen" u. s. w.
lies eiligst wieder auf der andern Seite aus
dem Walde heraus.
Es war ihm doch draußen lieber. Und als
er weit genug voin Walde war, wand er sich
einen Lichenkranz um den heißen Kopf und
schritt dann mit Siegermiene einher, wenn
ihm aber Leute begegneten, fragte er:
„Hat Keiner von Euch einen Riesen laufen
sehen? So an die zweihundert Schuh hoch?
— Nicht? — Schade l Ich hätt' dem Burschen
gerne noch was auf's Leder geschrieben —
weil's gleich ist!"-
Aus dem Walde klang ein dumpfes Kollern
wie Donnergeroll und ein Helles Knattern.
Das Riescnpaar lachte ein Duett.
„Hört ihr das Gesindel, wie es Zeter schreit ?"
sagte der Ritter. „Nächstens fang' ich mir ein
Pärlein und schenk' es dem König für seine
Menagerie." — —
Da flog der Ruf von des Rackersbergers
Tapferkeit weit und breit durch die Lande.
Der König beförderte ihn zum Gbcrrittcr und
zum erblichen Hcrrenhausmitglied. Sogar die
Frau Wendeltrudis bekam Respekt vor ihm.
So oft der Ritter die Geschichte mit dem Riesen
erzählte, wurde sie ungeheuerlicher. Es war
schier gruselich, ihm zuzuhören. Das Rolands-
lied ist Nichts dagegen.
In den Wald zum Riesen ging er aber
doch nicht wieder, war' seiner auch nicht
wcrth: ein Gegner, der gleich Reißaus nimmt
— pahl —
Die Rackersberger gehören heute noch zu
den Edelsten im Lande. Baron Luno von
Rackcrsberg hat erst neulich beim Hofball zu
Flachscnfingen zu Serenissimi außerordentlichster
Zufriedenheit den Lotillon vorgetanzt und sein
Bruder bekam das Militärverdienstkreuz, weil
er am rechten Flügel einer Ehrcnkompagnic
am Bahnhof zu Zopfcnbcrg der durchrciseuden
Fürstin-Mutter Lustachia von Hinkcldorf-
Knifflingcn ältere Linie so schön salutirt hatte.
Das Blut der tapferen Rackersberger ver-
leugnet sich eben nie. <U.
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