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JUGEND

Nr. 43

Und was wir hier geschrieben,
Ist schrecklich untertrieben!

Volksvertreter

Vor der bayerischen Kammer:

Der Michl, der Hiesl, der Girgl — Centrnms-
männer: Der Hansl, der Wastl, der Seppl —
Bauernbündler. Ein Hetzkaplan. Ein Oekonom.

Ter Hetikavlan: So Buabn, jetz geht's
ansfi auf D' Galerie. Da werd's nacha schon
seg'n, wia's eahna der Köpfler und der Worterer
so dumm hinsagt. Da tverd's spitzen. Wia der
Enkere Interessen vertritt —

Der Michl: Was san denn dös, Interessen,
Han?

Der Hetikapla»: Halt's Maul, Michel, dös
verstehst D' do net. D'' Hauptfach is, dass die
gehörige Beunruhigung vorhanden is.

Ter Hiesl: Was is denn dös, Beunruhig-
ung, hau?

Ter Hcükaplan: Dosis, wenn ma zwegn
Etwas beunruhigt is, und ös seid's do beun-
ruhigt, net?

Ter Girgl: Freili' san mer beunruhigt.
Zwegn was san mer denn beunruhigt, hau?

DerHcykaPlan: Zwegn dieKaisermanöver.

Ter Michl, der HieSl, der Seppl: Aha!
Zwegn die Kaisermanöver.

Der Hiesl: Was san denn dös, Kaiscr-
manöver, han?

Ter Hetikaplan: Halt's Maul, Hiesl, dös
verstehst net! Genga mer lieber auffi auf d'
Galerie, da werd's scho segn, wie sich Enkere Ver-
treter um Enk anitehincn.

Der Hiesl (im Abgehen): Was san denn
dös, Vertreter, han?

Aehnlich instruirt der Oekonom seine Getreuen
und schliefst:

So, jetzt geht's auffi und hört's zua, wia's
eahna oerDvktorJgel hinsagt,so dumm. Schreit's
nur recht, ivenu er über die Preußen schimpft
und den Militarismus!

Der Wastl, der Seppl, der Hansl

unisono: Was is beim dös, Militarismus,
han?

In bev Jammer

l)r. Koepfler (Centrumsabgeordneter und
Domkapitular, vvmKnltusministerium mitWahr-
uehmulig der nächsten vakanten Bischofstelle be-
auftragt, hat das Wort). Meine Herren! Was
ich ^fhnen aus bester Quelle über die bei den
heurigen Kaiserinanövernvorgckoinmeucn Scheuß-
lichkeiten berichten kann, übersteigt Alles, was
bisher bei ähnlichen Gelegenheiten zusanimenge-
logen wurde. Die den Truppen zugemutheten
Marschleistungen waren enorm Als z. B. bei
Schnippe^reuth das 35. bayerische Infanterie-
regiment aus die Preußen stieß, erhielt es den
Befehl, den Feind zu umgehen. Wissen Sie,
was das heisst? Sie mußten Kehrt! machen und
m Eilmärsche» rund um den Erdball herumlaufen,
um den Feind im Rücken zu fassen. Natürlich
waren sie ganz erschöpft, als sie tvieder ankamc»
und ein Mann bekam überdies in Kalifornien
den Hitzschlag. Als sich ein gewisser Soldat Lah-
mian, ein als fromm bekannter Jüngling, über
den Pulvergestank beschwerte, wurde erwnsener-
matzen das Feuer in der betresfenden Abtheilung

fortgesetzt. Daß die Mannschaf-
ten beim stärksten Regen stets
ohne Paraplni ausrückten, sei
nur nebenbei ertvähnt. Ein
Einjährig-Freiwilliger, der, als ihm das Wetter zu
schlecht mürbe, mit Galoschen und einem Gnnimi-
mantel ausrückte, wurde sogar gestraft. (Hört!
Hört! Rechts.) Eine Eskadron bayrischer Chevauy-
legers legte aus dem Marsch zum Manöverselde
120 Kilometer in vier Stunden zurück.

Der Kriegsminister: In der Eisenbahn
vermuthlich!

Dr. Koepfler: Ja natürlich in der Eisen-
bahn! Meine Herren, Sie hören es selbst, daß es
der Kriegsmiuister als was ganz Besonderes hin-
stellt, daß die armen Pferde die lauge Strecke in
so kurzer Zeit liicht laufen mußten, sondern fahren
dursten. Welche barbarische Thierguälerei! Die
Verpflegung der Mannschaften war miserabel.
Ich habe hier die Zuschrift eines Soldaten, der
fürscinLebcn gcrneHühnercotelettesmitSpargel-
spitzen ißt — glauben Sie, er hat das bekommen?
Rem! Erbsen und Büchsenfleisch mußte er essen
— mußte! Sonst wäre er verhungert. Ein
Anderer ist gewöhnt, zum Rindfleisch englischen
Senf zu haben — es war auch nicht dafür ge-
sorgt. Nicht einmal Fische gab's am Freitag, am
Sonntag nicht einmal Erdbeeren! Als ein im
Gliede stehender Reservist, der gewohnt ist, täg-
lich um halb 11 Uhr sein Gabelfrühstück zu neh-
men, einen vorbcireitcndcn General fragte, ob
denn noch nicht bald cingckehrt werde, wurde
der arme Mensch — fünffacher Fanlilienvater —
eingesperrt!

Der Michel (auf der Galerie, vom Kaplan
gestupst!): Ah!

Di'. Koepfler: Ich komme zu den Kavallerie-
attaken. Diese sind nach meiner ilnd meiner ge-
sammten hochwürdigcn Herrn College» vom Dom-
kapitel Meinung heutzutage unnutz. Was soll
denn so ein Reiterangi iss? Ist er für die Pferde ein
Vergnügen? Für die Reiter? Für den Feind?
— Nein! also für mm beim? Ich finde, daß cs
überhaupt eine grenzenlose Faulheit von den
Kavalleristen ist, daß sie immer zu Pferde sitzen,
tvährend die Infanterie laufen muß. Gauz'be-
sonders barbarisch wurde_ mit der Radsahrer-
abtheilung umgcgaugcu. Einmal erhielt sie sogar
den Auftrag, einen Luftballon zu verfolgen.
Meine Herren! Leute, die das Fliegen nicht ge-
lernt haben, werden einfach in die Lust geschickt.
Ein Mann mußte einmal so lange fahren, bis
ihm der Pneumatik platzte. Man wird die Leute
nächstens fahren lassen, bis sie selber platze».
Ein Anderer legte einmal 20 Kilometer in einer
halben Stunde zurück — das wären säst 1000
Kilometer in 24 Stunden. Meine Herren, eine
Tagesleistung von 1000 Kilometer verlangt man
von unseren Radfahrern. Bei dem beschränkten
Umfange unseres Manöverseldes wußten die
Leute oft gar nicht, woher sie die vielen Kilo-

meter nehmeil sollten. ES wird mir sogar voll
einem Radfahrer mitgethei lt, der in einen Straßen-
graben gefallen ist. (Hört! Hört!. Rechts.) Meine
Herren! Wenn unsereiner einmal in den Straßen
graben fällt, so weiß er doch wenigstens manu»
und hat etwas davon gehabt. Aber dieser Un-
glückliche fiel als Opfer des Militarismus in den
Straßengraben. Und tvic wurden die Leute be-
handelt! Ein Mann der Luftschifferabtheilung
verlangte, austreten zu dürfen aus dem Ballon.
— es wurde ihm rundweg abgeschlagen. Also
die natürlichsten Bedürfnisse der Soldaten werden
ilicht anerkannt. . .

Eine Stimme: „Dumnier ficrl!"

I>r. Koepfler: Herr Präsident! Herr Präsi-
dent! Herr Präsident!

Die Stimme: Ich ineinte ja nur den
Mann, der aus dem Lnstballön anstreten wollte.

l>»i. Koepfler: Ein Artillerie-Major er-
laubte sich eines Tages die Bemerkung: „9hm,
was ist beim das mit den Protzen dort?" Damit
lncinte er offenbar zwei in der Nähe stehende
Einjährige, Söhne eben so geachteter als viel-
stöckiger Hausbesitzer. Ein Gefreiter erfrechte sich,
die von ihm geführte Abtheilung mit Ausdrücken
wie „Rotte" zu titulircu, ein Sergeant schimpfte
einen Soldaten empörenderweise einen „gemeinen
Meier!" — Ich verlange ferner voiil Herrn
Kriegsminister Ausknuft darüber, ob es wahr
ist, daß bei Tripsdrill zwei preußische Husaren
einen ganzen Zug bayerischer Infanterie aus
Gedankenlosigkeit aufgespießt haben. Der eine
hatte das erste, der andere das zweite Glied
ans seiner Lanze. Es ist vorgckommen, daß
preußische Offiziere bayrische Mannschaften be-
fehligten. So hat sich in Hanau bei einem ge-
meinsamen Mittagstisch der Offiziere ein Preuß-
ischer Lieutenant von einer bayrischen Ordonnanz
ein Glas Bier holen lassen! — Und dann das
Wetter in diesen Manövern! Wie kann man bei
solchem Wetter überhaupt Manöver abhaltcn?
Warum nicht in einem andern Jahr, wenn die
Sonne scheint? Warum sorgt man überhaupt
nicht für besseres Wetter? Warum hält mau
die Manöver beim Regen nicht in gedeckten
Räumen ab?

Ich stelle folgende Anträge:

Erstens sollen in Zukunft überhaupt keine
Manöver mehr abgehalten werden.

Zweitens finden dieselben nur bei schönem
Wetter statt.

Der Kriegsminister: Was vom Herrn
Vorredner da vorgebracht ist, mißt . . .

Di'. Koepfler: Bitte, daS ist kein Mist. Herr
Präsident! Herr Präsident! Zu Hilfe!

Kriegsminister: .. .mißt bedeutungslosem
Geschwätz zu viel Werth bei . . .

Di'. Worterer: . . . Bitte, ich habe jetzt
das Wort. Ich, Doktor Worterer! Ich
spreche! lüg», loguax, loguor! Sie haben die
Ehre mich zu hören. Pst! Pst! Ganz stille!
So ist's Recht! Also ich spreche! Ich! Der
Doktor Worterer! Also zunächst: was gehen
deiln den Herrn Kricgsminister die militärischen
Angelegenheiten an? Ich werde ihm einfach sein
Gehalt strenchcu, wenn er die Nase in solche Dinge
steckt. In militärischen und allen andern Ange-
legenheiten ist meine und des Herrn Doktor
Knaller Autorität maßgebend genug, dächte ich.
Der Herr Kriegsminister ist nur dazu da, Rechen-
schaft zu geben über das, was wir Vorbringen.
Wir hätten viel zu ihn», wenn wir jede hier auf-
lFortsctzung S. 7-10 d.)

740a
Register
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zum Text "Volksvertreter"
Bob: Volksvertreter
 
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