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Nr. 45

JUGEND

1897

davonzutragen und ihren
Begierden stark und kühn
meine Superiorität cnt-
gegenzusetzen,"

„Sie gingen also nicht
zu Bett?"

„Aber doch, für jeden
Fall! Erst recht begab ich
mich zu Bett, während ich
Harald gebot, in die Küche
zu gehen, so lange bis
ich mich von den ärgsten
Kleidungsstücken ein wenig
befreit hatte.

Dann klingelte ich, als
Zeichen, daß er kommen
konnte. Er kam geschlichen,
ich löschte das Licht und er
warf sich auf's Sopha, wie
ich es gerviinscht hatte. Er
wollte die Jacke oblegen,
aber ich verbot cs ihm. Nur
den Halskragen legte er ab.

So war alles friedlich
und schön. Dieser reine
und mühelose Sieg erg nick-
te mich, Stolz und Freude
wogten in mir, ich lies; Ha-
rald schwören, das; er sich
nicht vom Sopha erheben
würde, band mir mit mei-
nem Gürtel das Kopfkissen
fest über die Brust, und
schlief nach wenigen Sekun-
den ein,"

„Und Herr Knopf?"

„Ich weis; nicht, ob er
noch lange wach lag, oder
gleich mir in Traum ver-
fiel, nur ab und zu, wenn
ich einmal schlaftrunken
aufschreckte, hörte ich ihn
rumore», stöhnen und der-
gleichen, kurz wie die jun-
ge» Männer sind. Vielleicht fror er auch, denn
der Kaisermantel, mit dem er sich zngcdeckt hatte,
hielt wahrscheinlich nicht gar zu warm,"

„Sie also schliefen fest?"

„Nun denken Sic — nach einer solchen Reise,
Gegen Morgen — es war noch halb dunkel, —
nmchtc ich wieder einmal auf, und da fiel mir ein,
das; der Arme ja kein Kopfkissen hatte. So warf ich
ihm eins hinüber, es traf ihn wohl unerwartet,
denn er fuhr ans, streckte die Arme in die Luft,
sah wild um sich, und sag eine Weile wie verstört,"
„Sie schliefen doch hoffentlich tvicder ein?"
„Ja, aber erst rief ich ihm zu, das; es in einer
halben Stunde Zeit für ihn wäre aufzustehn
rind in die Küche zu gehn. Denn dann wurde
es hell, und ich mußte mich ankleiden.

So machte sich alles ganz schön und gut. Um
halb sieben Uhr kam er wieder herein, ein wenig
blau und bleich, und sehr in sich gekehrt. Toilette
hatte ec in der Küche unter der Wasserleitung
gemacht. War das ein Morgen! Der Schnee
lag hoch vor den Fenstern, in mir, an mir, um
mich war alles rein!

Um sieben Uhr klopfte die Wirthin und schob
den Kaffee herein. Nur eine Tasse, und ein
einziges gestrichenes Brod dazu, Harald nahm
beides, und legte es mir vor,"

„Er selbst blieb nüchtern?"

„Er wollte nichts genießen, der gute Junge.
— Eine halbe Stunde später begleitete ich ihn
zur Universität, Ich war in einer Stimmung
wie noch nie. Es ist also möglich, Thiere zu
bändigen, nur durch die starke, feste Kraft des
Willens! Ich hatte es vollbracht, es war gethan!
Und der Muth, der Stolz erfüllten mich so ganz
und gar, das; ich mir vornahm, noch Weiteres
zu thun. Aus diesem kleinen Anlaß baute ich

Alles theilen mit dem
Manne, selbst sein Heim
— und ihm doch fremd sein
bis auf's winzigste Nagel -
spitzchen, ungekannt von
ihm, unberührt, unangeta-
stet, >vic der Kelch derLvtos-
blume — liegt darin nicht
der höchste, ideale Reiz??

Seine Wirthin hatte sich
nun schon daran gewöhnt,
uns zwei Tassen Kaffee
hereinzuschicken, und da
saßen wir denn zwischen
Büchern und Manustrip-
tcn, wir zwei Beiden, Der
Schweizer Winter mit sei-
nem vielen, vielen Schnee
wob vor den Fenstern, und
wir saßen da und tranken
Kaffee, Harald war schweig-
sam, ja fast ein wenig dü-
ster, wie es die jungen
Männer denn leicht sind.
Ich machte die Wirthin und
schenkte ein.

Ich war bald in Haralds
Stube wie zu Hanse, ilnd
je düsterer er wurde» desto
mehr versuchte ich es, Son-
nenstrahlen zu verbreiten,
und Behaglichkeit herbei zu
zaubern, indem ich harm-
los plauderte und sang.
Manchen niedlichen Tric
crsand ich, — so kaufte ich
das Nachtmahl selber ein,
und holte Abends vom
Bäcker eine Düte Kuchen,
die ich dann am Morgen
auspackte, wie eine Haus-
srnn. Ich esse leidenschaft
lich gern Kuchen, und nie-
mehr im Leben hat er mir
besser geschmeckt, als an diesen verfrorenen Mor-
gen, zu dem dünnen Studentenkasfee, während
ich in Haralds Kaisermantcl auf dem Sopha saß,"
„Und Herr Knopf? Befand er sich gut bei
dieser Pflege?"

„Ich weiß es nicht, er äußerte sich kaum. Ich
sagte Ihnen ja schon, daß er von Natur aus
sehr in sich gekehrt war. Jedenfalls vergeistigte
er sich, seine Züge gewannen etwas Blasses,
Durchsichtiges, und die avgekehrte Düsterheit, die
er, uüe die jungen Männer nun so sind, nicht
gut unterdrücken konnte, seitdem er glaubte, mich
zu lieben — diese Düsterheit verschönte und ver-
feinerte sein Wesen,"

„Ihm also schmeckte der Kuchen nicht?"

Frau Nimpsch war anfgestandcn und sah mich
etwas unsicher an. „Ich erzähle in allem Ernst,"
sagte sie feierlich, „cs thäte mir weh, Sie machte»
einen Scherz daraus. — Uebrigens — da sitze
ich und rede, und schwatze und rede ohne daran
zu denken, Ihnen eine kleine Erfrischung anzn
bieten. Sie steckte das Zapfende fest — und
ging an's Büffet, Ein Gläschen Madeira, meine
Liebste? Oder ein Stückchen Torte? Männchen
hat mich gestern mit diesem Geburtstagskuchen —"
Ich lehnte dankend ab, trotzdem die Torte drci-
schichtenfach gefüllt war, — und drängte hinaus.
Ich cßc nicht so gerne Kuchen, wie Frau Nimpsch.

©£>

(Düde

Der Tag war heiss und hat mich müd gemacht:
Nun sehn’ ich mich nach einer stillen Nacht,
Die meinem Haupte weiche Decken spreite,

Mein Herz beruhige und heimgeleite.

GEORG PALMA.

Di? Pan-Spitze Originalhöl\sehnitt v. Th. Slurgc Moore.

mir ein ganzes System, eine Schule der uner-
schütterlichsten Vorsätze. .Vollbringe,' sagte ich
mir, ,ivas noch keiner Frau gelungen ist, ein
Zusammenleben mit einem Manne in absoluter
Reinheit. Laß' es nicht an dieser einen Probe
genügen. Prüfe ihn, den haltlosen, kleinen Kerl,
erziehe ihn, führe ihn aufwärts durch Deine
Schule bis zur Stuse der absoluten Entsagung'."

„Er mußte also noch öfter in die Küche gehn?"

„Es kam noch verschiedene Male vor, das;
schlechtes Wetter, Müdigkeit und weiche Stimmung
mich des Abends nach dem Siudiren in seinem
Zimmer festhielten. Da blieb ich, wie das erste
Mal. Ich gestattete natürlich nicht, daß Harald
das Zimmer mit mir theilte. Die Wirthin hatte
ihm eine Fcldbcttstelle in der Küche ausgestellt.

Darin schlief er denn.

Aber die Morgen, die Kasseestundcn in seinem
Heim! Wenn er dann herein kam, so seltsam
sanft und still, und noch in sich gekehrter, als
er von Natur aus schon war — dann schlug
mein Herz und ich sagte mir: ,Du bist es, Du,

Du hast ihn zum Menschen gemacht!!'

Riesenkinder und ihre Spielgenossen

Origiualhol^scl. nitl v. Slurgc Moore,
Register
Thomas Sturge Moore: Die Pan-Spitze
Georg Palma: Müde
Thomas Sturge Moore: Riesenkinder und ihre Spielgenossen
 
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