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Nr. 47

jUGENÖ

1897

Der chülkyomer

Von Gtto Lrich Dartleben

VIII.

Du grollst nur Dir nun Leid: im Logcnlmus

der Welt

(fiibt’e manchen schlechten Plast, jedoch —
das Stück gefällt.

~9~~

Dn lobst Dein Weib, das schweigt? Was statt'
es zu verschweigen?
Was je ein Weib enthält — wird es mit

Laune zeigen.

Weist er die Stange nicht als Lnüttel zu ge-
brauchen:

Als Fahnenträger wird er sich den Arm ver-
stauchen.

— V

Es bleibt der Philosoph von Werth durch

alle Jetten:

Er findet stets auf's neu' die Selbstverständ-
lich beiten.

J)er Crauir\

S\ls einst die Sünde auf die /denschen karn,
ward als Geleit eig V^ind ihr mitgegeben —

So holden Anblicks, märchenhaft zu schau’n ...
Verführerisch Geschenk bracht’ es in's Xeben...

pen fdohnkranz auf derrj braunen Xockenhaar
2wang es den Sinn ru trunk'nern .jdllvergessen —
€s streute Alumen, duftend, farbenreich —
lind schrankenlose /dacht ward ihrr\ bemessen!

Pies Vesen, stark in zartester Gestalt,

Sang Velsen, die zu ewigen Vonnen riefen —
per träum war's — und die Seelen führt' er fort
Gnwiderstehlich zu der pämm'rung tiefen • - •

Vir sind erstarkt in\ Xeben, und der tag
Xiess Rraft und fiduth in unseren Tjerzen keimen. —
pa naht die Pacht — das junge V^ind erscheint,
Xockt uns zu seinen räthselvollen Räumen I

Pa zwingt /dusik zu wildern Reigentanz —
pa fährt bewimpelt Schiff durch Silberwellen —
pa rauschen Bäume nächtlich — geisterhaft —
Pie /dondesstrahlen üppig Xand erhellen • -.

Gnd überall geleitet uns das Rind —
Verschränkt die Hände uns, führt uns zusammen,
Entzündet unser Herz zu Schmerzes-Gluth,
Entfacht erstickte, längst erlosch'ne flammen ...

poch graut der tag, flieht es von uns hinweg,
Stösst die gelöste Hand zurück in’s Xeben —
Ein Eiseshauch Hat schauernd uns erfasst,

Vir fühlen uns an allen (Gliedern beben...

Venn einst arn tag des ewigen Gerichts
per Herr wird scheiden zwischen tod und Xeben —
pa wird der Sünder seine arme Hand
jdnklagend gegen dieses Rind erheben. E. P.

Der weife Rabbi

m Galizien lebte einst ein Rabbi, der war
berühmt weit und breit. In allen Zragen
des Lebens wußte er Bescheid, Krankheiten und
Gebrechen konnte er heilen und die gelehrten
Schriften des Iudenthums verstand er nicht nur
zu lesen, sondern auch zu deuten: er vermochte die
tiefsinnigen Sprüche des Talmuds zu erklären wie
kein anderer Rabbi unter all denen, die vor ihm
gelebt hatten.

van Kord und Süd, van Dst und west strömten
daher Lernbegierige zusammen. Sie baten um die
Gunst, ihm Schüler sein zu dürfen, sie setzten sich
ihm zu Züßen und lauschten seinen Worten, Speise
und Trank vergessend.

Linst las der Kleister ihnen wieder aus dem
Talmud vor. Sr kam zu einer Stelle, über deren
Sinn schon mancher gelehrte Talmudist vergebens
nachgegrübelt hatte an langen Tagen und an nach
längeren, schlaflosen Rächten - dach dunkel und
geheimnißvall war trotz allem aufgebatenen Scharf-
sinn der betreffende Spruch geblieben. Lr lautete:

„Hunde, welche bellen, beißen nicht."

Der Rabbi hielt inne: „Wer van Luch," so
fragte er, „kann mir sagen, was gemeint ist, mit
dieser Sentenz, in der ich gewissermassen die Lebens-
weisheit van Jahrtausenden verkörpert sehe?" —

Lin Schweigen entstand, eine unheimliche, laut-
lose Stille, unterbrochen nur hin und wieder durch
das Geräusch, welches hervargebracht wurde von
den nervösen Zingern dieses oder jenes rathlofen
Schülers, der sich verlegen den Kopf kraute. End-
lich meldete sich einer van ihnen zum Warte, ein
hagerer bleicher Jüngling, der als weitaus der
fleißigste und begabteste Hörer galt. Lr sagte:
„Rabbi, ich glaub' ich hab's l — „So sprich, mein
Sahn!" ermunterte ihn freundlich der Kleister.

Peter Bauer (München).
Register
Peter Bauer: Zierleiste
Otto Erich Hartleben: Der Halkyonier
E. P.: Der Traum
Lothar Schmidt: Der weise Rabbi
 
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