1897
JUGEND
Nr. 48
Von den Freuen
Line verwegene Plauderei von Dt ko Ernst.
ch habe eine Lnquete über die geistigen
Fähigkeiten der Frau vorgenommen.
Zuerst ging ich zu einem Mann mit einer
Schreibmaschine. Mit dieser ließ er oft Diktate
anfertigen.
„Au dieser Arbeit verwende ich nur Damen."
sagte er.
„Weil sie billiger sind als Männer," sagte ich.
„Min, weil sie zuverlässiger arbeiten. Was
ich sage, das schreiben sie. Ach Hab' es oft ver-
sucht, ihnen baren Unsinn zu diktiren: es gelang;
sie schrieben ihn nach. Ach will nicht sagen, daß
sie niemals den Unsinn merkten; aber sie hielten
sich an ihr Amt und nicht an ihre Meinung;
sie schrieben. Männer kann ich nicht brauchen;
die denken beim Schreiben, sogar an fremde Dinge."
Ach bemerkte, daß das doch wohl nur mit
Ausnahmen gelte.
„Jla, selbstverständlich!“ rief der Mann mit
der Schreibmaschine, „was ich Ahnen sagte, ist aber
die Regel."
Lin anderer Mann hatte eine Schule, an
welcher weibliche und männliche Lehrkräfte thätig
waren.
„Etwas Treues," sagte er, „muß man ihnen vor-
machen bis in's Einzelne, und hat man es ihnen
vorgemacht, dann nehmen sie nicht die Adee auf,
sondern sie ahmen die Ausführung nach mit allen
Zufälligkeiten. Auch wissen sie nicht die Grenze zu
finden, welche das Wesentliche vom Unwesentlichen
scheidet, oder vielmehr, sie wagen nicht, diese Grenze
irgendwo selbst zu errichten; es fehlt ihnen die Ani-
tiative. Sie finden nicht das Maß, die Vernunft,
die in den Dingen ist. Sage ich: „Behandeln Sie den
32 fahrigen Krieg ausführlicher," dann berichten sie
von jeder Truppenbewegung, die sie irgendwo ver-
zeichnet finden; bitte ich um etwas gedrängtere
Behandlung, dann werden sie mit dem ganzen
Krieg in einer halben Stunde fertig. Was solch
eine Sache wie der 32jährige Krieg — ob kurz
oder lang behandelt — unter allen Umständen an
Hochachtung verlangt: das finden sie nicht."
Bei meiner starken Sympathie für das weib-
liche Geschlecht plädirte ich auch hier für Aus-
nahmen, die mir auch bereitwillig zugestanden
wurden. Und dann — schließlich sind das Urtheile
von Männern!
Ach kenne eine Reihe hochintelligenter, höchst
selbständiger Frauengeister. Line von diesen Frauen
erzählte mir aus ihrer Pension.
„Historische Grammatik los uns ein Mann
vor, der eigentlich Theologe war und vom Deut-
schen keine Ahnung hatte. Lr las im schreck-
lichsten Sinne vor, immer aus demselben braun
gebundenen Buch. Meine Kameradinnen schrieben
aber jedes Wort nach, bis sie den Krampf in die
Finger bekamen. Sie waren in allen geistigen
Dingen so feige, so feige!"
„Und was thaten Sie?"
„Aa," rief sie lachend, „bei mir war er schlimm
daran. Ach war damals ein boshafter und trotziger
Klemer BaKfisch. Ach reproduz.rte alles mit Worten,
wie sie mir gerade kamen, und er machte dann
immer ein Gesicht, als wenn er sagen wollte:
Ls scheint ja alles richtig zu sein; aber es wäre
mir doch viel lieber, Du schwürest wie Deine Ge-
nossinnen auf mein Buch und seine Worte und
setztest mich nicht so oft durch naseweise Fragen
in Verlegenheit. Der Arme! Aeyt thut er mir
so leid! Haben Sie eine Vorstellung davon, was
es heißt, einen widerhaarigen Backfisch zu be-
handeln? Ach stell' es mir unendlich viel ange-
nehmer vor, ?2 wilde Katzen zu dressiren."
Ach bemerke hierzu ausdrücklich, daß dies eine
sehr liebenswürdige, sehr weibliche Dame war und
einen sehr sympathischen Eindruck zu machen pflegte
— o ja, bitte: wenigstens auf uns Männer. Sie
war Anhängerin der Frauenbewegung.
Mit einer anderen Dame von seltenen Gaben
des Geistes und des Gemüths sprach ich über
ihre Dienstboten.
„Ach habe nur wenige Dienstmädchen gehabt,"
sagte sie, „denn es waren fast durchweg brave,
liebe Mädchen, und sie blieben lange bei mir.
sDer freundliche Leser sieht schon hieran, daß er
es mit einer seltenen Dame zu thun hat.) Aber
mit der Selbständigkeit ist es fast immer schlecht
bestellt. Die jetzige Hab' ich fünf Aahre; sie thut
alles vortrefflich und willig, was ich ihr sage,
aber nur, was ich ihr sage. Sie ist sogar ein ent-
schieden intelligentes Mädchen; aber wenn ich ihr
sage, daß ich die Kinder baden will, dann muß
ich ihr ausdrücklich auftragen, den Badeofen zu
Heizen, sonst thut sie's nicht. Wenn ich einmal
ihre gewohnte Drdnung ändere, so weint sie heim-
JUGEND
Nr. 48
Von den Freuen
Line verwegene Plauderei von Dt ko Ernst.
ch habe eine Lnquete über die geistigen
Fähigkeiten der Frau vorgenommen.
Zuerst ging ich zu einem Mann mit einer
Schreibmaschine. Mit dieser ließ er oft Diktate
anfertigen.
„Au dieser Arbeit verwende ich nur Damen."
sagte er.
„Weil sie billiger sind als Männer," sagte ich.
„Min, weil sie zuverlässiger arbeiten. Was
ich sage, das schreiben sie. Ach Hab' es oft ver-
sucht, ihnen baren Unsinn zu diktiren: es gelang;
sie schrieben ihn nach. Ach will nicht sagen, daß
sie niemals den Unsinn merkten; aber sie hielten
sich an ihr Amt und nicht an ihre Meinung;
sie schrieben. Männer kann ich nicht brauchen;
die denken beim Schreiben, sogar an fremde Dinge."
Ach bemerkte, daß das doch wohl nur mit
Ausnahmen gelte.
„Jla, selbstverständlich!“ rief der Mann mit
der Schreibmaschine, „was ich Ahnen sagte, ist aber
die Regel."
Lin anderer Mann hatte eine Schule, an
welcher weibliche und männliche Lehrkräfte thätig
waren.
„Etwas Treues," sagte er, „muß man ihnen vor-
machen bis in's Einzelne, und hat man es ihnen
vorgemacht, dann nehmen sie nicht die Adee auf,
sondern sie ahmen die Ausführung nach mit allen
Zufälligkeiten. Auch wissen sie nicht die Grenze zu
finden, welche das Wesentliche vom Unwesentlichen
scheidet, oder vielmehr, sie wagen nicht, diese Grenze
irgendwo selbst zu errichten; es fehlt ihnen die Ani-
tiative. Sie finden nicht das Maß, die Vernunft,
die in den Dingen ist. Sage ich: „Behandeln Sie den
32 fahrigen Krieg ausführlicher," dann berichten sie
von jeder Truppenbewegung, die sie irgendwo ver-
zeichnet finden; bitte ich um etwas gedrängtere
Behandlung, dann werden sie mit dem ganzen
Krieg in einer halben Stunde fertig. Was solch
eine Sache wie der 32jährige Krieg — ob kurz
oder lang behandelt — unter allen Umständen an
Hochachtung verlangt: das finden sie nicht."
Bei meiner starken Sympathie für das weib-
liche Geschlecht plädirte ich auch hier für Aus-
nahmen, die mir auch bereitwillig zugestanden
wurden. Und dann — schließlich sind das Urtheile
von Männern!
Ach kenne eine Reihe hochintelligenter, höchst
selbständiger Frauengeister. Line von diesen Frauen
erzählte mir aus ihrer Pension.
„Historische Grammatik los uns ein Mann
vor, der eigentlich Theologe war und vom Deut-
schen keine Ahnung hatte. Lr las im schreck-
lichsten Sinne vor, immer aus demselben braun
gebundenen Buch. Meine Kameradinnen schrieben
aber jedes Wort nach, bis sie den Krampf in die
Finger bekamen. Sie waren in allen geistigen
Dingen so feige, so feige!"
„Und was thaten Sie?"
„Aa," rief sie lachend, „bei mir war er schlimm
daran. Ach war damals ein boshafter und trotziger
Klemer BaKfisch. Ach reproduz.rte alles mit Worten,
wie sie mir gerade kamen, und er machte dann
immer ein Gesicht, als wenn er sagen wollte:
Ls scheint ja alles richtig zu sein; aber es wäre
mir doch viel lieber, Du schwürest wie Deine Ge-
nossinnen auf mein Buch und seine Worte und
setztest mich nicht so oft durch naseweise Fragen
in Verlegenheit. Der Arme! Aeyt thut er mir
so leid! Haben Sie eine Vorstellung davon, was
es heißt, einen widerhaarigen Backfisch zu be-
handeln? Ach stell' es mir unendlich viel ange-
nehmer vor, ?2 wilde Katzen zu dressiren."
Ach bemerke hierzu ausdrücklich, daß dies eine
sehr liebenswürdige, sehr weibliche Dame war und
einen sehr sympathischen Eindruck zu machen pflegte
— o ja, bitte: wenigstens auf uns Männer. Sie
war Anhängerin der Frauenbewegung.
Mit einer anderen Dame von seltenen Gaben
des Geistes und des Gemüths sprach ich über
ihre Dienstboten.
„Ach habe nur wenige Dienstmädchen gehabt,"
sagte sie, „denn es waren fast durchweg brave,
liebe Mädchen, und sie blieben lange bei mir.
sDer freundliche Leser sieht schon hieran, daß er
es mit einer seltenen Dame zu thun hat.) Aber
mit der Selbständigkeit ist es fast immer schlecht
bestellt. Die jetzige Hab' ich fünf Aahre; sie thut
alles vortrefflich und willig, was ich ihr sage,
aber nur, was ich ihr sage. Sie ist sogar ein ent-
schieden intelligentes Mädchen; aber wenn ich ihr
sage, daß ich die Kinder baden will, dann muß
ich ihr ausdrücklich auftragen, den Badeofen zu
Heizen, sonst thut sie's nicht. Wenn ich einmal
ihre gewohnte Drdnung ändere, so weint sie heim-