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Nr. 48

JUGEND

1897

Zcheibcnbild ehr. mid.

„Bist Du verrückt, dummes Weib! Hier auf der Straffer
Gott bewahre mich!"

Aber das Weigern half ihm nichts; sein Weib zwang ihn,
zum wüthenden Hauptmann hinzugehen und um Zahlung zu
bitten.

„Marsch fort!" schrie ihn dieser an. „Du langweilst mich!"

„Ich begreife das ja, Euer Wohlgeboren, begreife es voll-
kommen . . . würde es auch nie gewagt haben . .. Aber mein
Weib ist ein so unvernünftiges Geschöpf... Sie wissen ja selbst,
wie hirnlos solch' ein Frauenzimmer ist..."

„Packe Dich, Du ärgerst mich, sag' ich Dir!" schrie ihn der
Hauptmann wüthend an; seine Augen glühten, er war betrunken.

„Ich begreife es ja, Euer Wvhlgeboren! Aber ich meine
nur, um des alten Weibes willen; denn, wissen Sie, das Geld
gehört ihr.. . wir haben dem Juden die Kuh verkauft. . ."

„Ah, Du räsonnirst noch, Lauskerl!"

Der Hauptmann holte aus und es gab einen Krach. Bon
Merkulows Rücken fielen die Kohlen in den Dreck, aus seinen
Augen sprühten Funken, seine Mütze sank ihm aus der Vaud.
Axinja war erstarrt. Eine Minute lang stand sie fassungslos da,
wie Loths Weib, das zur Salzsäule wurde. Daun wandte sie
sich zu ihrem Mann. Zu ihrem grössten Erstaunen sah sie, wie
sein Gesicht von einem seligen Lächeln verklärt war; ni seinen
Augen standen Frcudenthränen ...

„Daran erkennt man doch gleich den Ivahren Adel!" flüsterte
er. „Das sind wirklich vornehme, gebildete Manieren! . . .
Grade ebenso war es .. . aus der nämlichen Stelle. . . als ich
dem Baron Spuhcl seinen Pelz brachte... Auch er holte aus und
schlug zu. Ebenso auch der Herr Sekondlieutenant Scmbula-
tvw ... Wie ich zu ihm kam, sprang er auf und haute mir eins
über... Ach ja, Weib, diese schönen Zeiten sind nun vorüber...
aber das verstehst Du nicht! Das waren noch goldene Zeiten!"

Merkulow machte eine abwehrende Handbewegung, raffte
seine Kohlen aus und schlich dann nach Hause.

Deutsch von W. Hendel.


.Sportbericht

Beim diesjährigen Wettdichten für Dramatiker hat der
hauptstädtische Bühnenmanufakturist Emanuel Schlager seine
Mitdichter Drücker und Knaller um 1 Monat 27 Tage und
5 Stunden geschlagen. Genau um diesen Zeitraum hat Schlager
seine Dichtung für das laufende Geschäftsjahr eher bei den
Bühnen eingereicht als seine Konkurrenten. Ein kräftiges Ver-
bot ist dem abendfüllenden Werke bereits gesichert; im Bureau
der Theaterfirma Quetsch & Co. ist man schon eifrig mit der
Anfertigung der Artikel über das Verbot beschäftigt. Was den
Applaus anbelangt, so hält Drücker nach dem Ausfall des
letzten Rennens bekanntlich den Rekord mit 2836 Meterkilo-
gramm ; in der Länge der gespendeten Lorbeerbindearbeiten
schlug Knaller seinen nächstglücklichen Konkurrenten be-
kanntlich um 3‘/4 Musenlängen. Die meisten Wetten werden
auf Schlager abgeschlossen, dessen isabellenfarbener Hippo-
gryphenwallach „Druff“, nachdem er beim vorjährigen Hür-
denrennen Zweiter geblieben, sich drei Monate lang bei Pa-
riser Autoren in Training befand. Begreiflicher Weise sieht
das kunstliebende Publikum dem Ausfall des diesjährigen Ren-
nens mit ungeheurer Spannung entgegen. „Wer wird für diese
Saison der grösste Dichter sein?“ — Das ist die Frage, die
auf aller Lippen schwebt. Wer kann es wissen? EOS.


Der Kujj der Muse

Frau Sicvcrs. Ach, Frau Helmers, was macht Ihr
Herr Sohn doch für reizende Gedichte! woher er das nur
immer hat I

Frau Helmers. Ja, sehen Sie, Frau Sievers, der
Junge ist mal die ganze Treppe von 30 Stufen herunter-
gefallen und ist unten mit 'in Kopf auf 'n scharfen Aantstcin
aufgeschlagen — ich glaub alleweil, daß er's daher hat.

3. Preis aus dem
W ettbewerb XI der „Jugend“.
Register
Christian Wild: Scheibenbild
Eos: Sportbericht
[nicht signierter Beitrag]: Der Kuß der Muse
 
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