Nr. 49
JUGEND
1897
Rode „sch fo zu leben, wie Gott es den
Christen befiehlt."
Aber auch diese Ansicht des alte» Mannes
fand keinen Beifall. Seine anwesende Nichte
und Taufpathin, deren sämnitliche Rinder
ebenfalls feine paihchen waren, denen er
an Festtagen Geschenke machte, und auch
sein Sohn, sie alle protestirren.
„Nein, Vater," sagte der Sohn, „Sie
haben während Ihres Lebens genug ge-
arbeitet und bedürfen jetzt der Ruhe; Sie
sollen sich nicht noch länger plagen. Sie
sind mit Ihre» Gewohnheiten sechzig Jahre
alt geworden und können sich nun nicht
mehr anders gewöhnen, ohne sich den Rest
Ihres Lebens zu verbittern."
„Das ist auch meine Ansicht," bestätigte
die Nichte, „Sie werden Noth leide», vcr>
drießlich und brummig werden und dann
noch mehr sündige». Gort ist barmherzig
und wird nicht nur Ihnen, unser,» guten
Onkel, sondern auch allen Sündern vergeben."
„Ja, und wozu denn auch!" fügte ein
Anderer hinzu, der ebenso alt wie dieser
Onkel war. „wir haben vielleicht nur noch
wenige Tage zu lebe»; lohnt es sich da wohl,
ein neues Leben zu beginnen?"
„Wunderbarl" sagte jetzt einer von den
Gästen, der bisher geschwiegen harre, „wahr-
lich, es ist merkwürdig, dafi wir Alle über-
zeugt sind, es wäre besser für uns, ein gott-
gefälliges Leben zu führen; wir sind alle
einig, daß wir sündhaft lebe» und Leib und
Seele fortwährend quälen und plagen; so-
bald aber jemand den Wunsch äußert, ein
anderes Leben beginne» zu wollen, finden
wir, daß man weder die Rindererziehung
nach dem willen Gorres ändern, noch daß
man der Jugend gestatten dürfe, dem willen
der Aelrern zu widerstreben; sie soll also
nicht nach Gottes willen, sondern wie bisher
leben. 2luch die Ehemänner dürfen nicht
nach dem willen Gottes leben und ihren
Frauen und Rindern Feine Gewalt anrhu»,
sonder» sie sollen, ebenso wie die Alten,
denen ein neues Leben ungewohnt wäre und
die nur noch wenige Tage vor sich haben,
wie bisher leben. Daraus folgt also, daß
niemand ein gutes Leben führe», sondern
daß man höchstens darüber schwatzen kann."
(Deutsch von lv. kjeuckcl.)
&
Gedanke»
Ich kenne einen Vater, welcher
genau weiß, wieviel ihn der Unter-
richt seines Lohnes kostet. Er schreibt
alles auf.
2lbcr was er von seinem Rinde
lernt, das schreibt er nicht auf.
Das ist ungerecht.
Niemand schätzt hoch genug,
was er sein kann. Niemand
gering genug, was er i st.
LNultatuli.
Die letzte Dacht
Wir gingen durch den weissen Sand
langsam im letzten Sonnenbrand,
Wie Wellen kamen sachte, sacht,
Und auf den Wellen kam die llacht.
Wie eine llacht, die letzte llacht,
Wie schwerste, die ish je durchwacht.
In uns’re Hütte sah der Schein
Wer gold’nen Sterne still herein.
Wir sahen nach den Sternen nicht
Und sahen auch kein andres Licht,
Wir sahen nur in Herzenspein
In tiefe Winsterniss hinein.
Wa küsst’ ich Weinen kühlen lllund —
Illein süsses Weib, Wu wirst gesund!
Ich wusste, dass ich Lüge sprach.
Zur Wahrheit war mein Herz zu schwach.
Wu aber drücktest mir die Hand
Und kehrtest langsam Wich zur Wand
Und weintest, weintest leis’ in Wich
Hinein. Wa schluchzt’ ich bitterlich.
Gustav Pulke.
Xieben
O lieben, schönes CCCunderland
In dunklem GCCald!
(Kenn wir dein Innerstes erkannt,
Dann sind wir alt.
GQir seh’n, was wir gesollt, gekonnt,
Doch mahnend steht
Oie Sonne nun am I^orizont —
<5(s ward zu spät.
Und deinen Tag hast du verbracht,
Als gingest du
I>ur kurz für eine Sommernacht
<Uit ihr zur I^uh!
^ls strecktest du zum ©raum dich blos
In schattigem Hain;
Öu aber bleibst im dunklen Schooss
Sie kehrt allein.
Sie kehrt und lächelt auf den Kranz,
Oer welk dich deckt,
Oich, den zu höchstem ßlüthenglanz
Ihr Huf geweckt.
Sie lächelt auf dein Epitaph,
Oas rühmend spricht:
€(r war verständig,
nüchtern, brav,
€{r lebte nicht.
wu.». JENSEN.
Otto Eckwann (Berlin).
828
JUGEND
1897
Rode „sch fo zu leben, wie Gott es den
Christen befiehlt."
Aber auch diese Ansicht des alte» Mannes
fand keinen Beifall. Seine anwesende Nichte
und Taufpathin, deren sämnitliche Rinder
ebenfalls feine paihchen waren, denen er
an Festtagen Geschenke machte, und auch
sein Sohn, sie alle protestirren.
„Nein, Vater," sagte der Sohn, „Sie
haben während Ihres Lebens genug ge-
arbeitet und bedürfen jetzt der Ruhe; Sie
sollen sich nicht noch länger plagen. Sie
sind mit Ihre» Gewohnheiten sechzig Jahre
alt geworden und können sich nun nicht
mehr anders gewöhnen, ohne sich den Rest
Ihres Lebens zu verbittern."
„Das ist auch meine Ansicht," bestätigte
die Nichte, „Sie werden Noth leide», vcr>
drießlich und brummig werden und dann
noch mehr sündige». Gort ist barmherzig
und wird nicht nur Ihnen, unser,» guten
Onkel, sondern auch allen Sündern vergeben."
„Ja, und wozu denn auch!" fügte ein
Anderer hinzu, der ebenso alt wie dieser
Onkel war. „wir haben vielleicht nur noch
wenige Tage zu lebe»; lohnt es sich da wohl,
ein neues Leben zu beginnen?"
„Wunderbarl" sagte jetzt einer von den
Gästen, der bisher geschwiegen harre, „wahr-
lich, es ist merkwürdig, dafi wir Alle über-
zeugt sind, es wäre besser für uns, ein gott-
gefälliges Leben zu führen; wir sind alle
einig, daß wir sündhaft lebe» und Leib und
Seele fortwährend quälen und plagen; so-
bald aber jemand den Wunsch äußert, ein
anderes Leben beginne» zu wollen, finden
wir, daß man weder die Rindererziehung
nach dem willen Gorres ändern, noch daß
man der Jugend gestatten dürfe, dem willen
der Aelrern zu widerstreben; sie soll also
nicht nach Gottes willen, sondern wie bisher
leben. 2luch die Ehemänner dürfen nicht
nach dem willen Gottes leben und ihren
Frauen und Rindern Feine Gewalt anrhu»,
sonder» sie sollen, ebenso wie die Alten,
denen ein neues Leben ungewohnt wäre und
die nur noch wenige Tage vor sich haben,
wie bisher leben. Daraus folgt also, daß
niemand ein gutes Leben führe», sondern
daß man höchstens darüber schwatzen kann."
(Deutsch von lv. kjeuckcl.)
&
Gedanke»
Ich kenne einen Vater, welcher
genau weiß, wieviel ihn der Unter-
richt seines Lohnes kostet. Er schreibt
alles auf.
2lbcr was er von seinem Rinde
lernt, das schreibt er nicht auf.
Das ist ungerecht.
Niemand schätzt hoch genug,
was er sein kann. Niemand
gering genug, was er i st.
LNultatuli.
Die letzte Dacht
Wir gingen durch den weissen Sand
langsam im letzten Sonnenbrand,
Wie Wellen kamen sachte, sacht,
Und auf den Wellen kam die llacht.
Wie eine llacht, die letzte llacht,
Wie schwerste, die ish je durchwacht.
In uns’re Hütte sah der Schein
Wer gold’nen Sterne still herein.
Wir sahen nach den Sternen nicht
Und sahen auch kein andres Licht,
Wir sahen nur in Herzenspein
In tiefe Winsterniss hinein.
Wa küsst’ ich Weinen kühlen lllund —
Illein süsses Weib, Wu wirst gesund!
Ich wusste, dass ich Lüge sprach.
Zur Wahrheit war mein Herz zu schwach.
Wu aber drücktest mir die Hand
Und kehrtest langsam Wich zur Wand
Und weintest, weintest leis’ in Wich
Hinein. Wa schluchzt’ ich bitterlich.
Gustav Pulke.
Xieben
O lieben, schönes CCCunderland
In dunklem GCCald!
(Kenn wir dein Innerstes erkannt,
Dann sind wir alt.
GQir seh’n, was wir gesollt, gekonnt,
Doch mahnend steht
Oie Sonne nun am I^orizont —
<5(s ward zu spät.
Und deinen Tag hast du verbracht,
Als gingest du
I>ur kurz für eine Sommernacht
<Uit ihr zur I^uh!
^ls strecktest du zum ©raum dich blos
In schattigem Hain;
Öu aber bleibst im dunklen Schooss
Sie kehrt allein.
Sie kehrt und lächelt auf den Kranz,
Oer welk dich deckt,
Oich, den zu höchstem ßlüthenglanz
Ihr Huf geweckt.
Sie lächelt auf dein Epitaph,
Oas rühmend spricht:
€(r war verständig,
nüchtern, brav,
€{r lebte nicht.
wu.». JENSEN.
Otto Eckwann (Berlin).
828