1897 - JUGEND •
angestelltes Fräulein
ein paar Zwillinge zur
Welt gebracht hätte,
antwortete er: „Es ist
möglich, dass ihr war-
mes Herz, sowie die
höchsten und edelsten
Gefühle des Weibes die
betreffende junge Dame
dahin gebracht haben,
sich anders auszuneh-
men, als gewöhnlich. Ja,
es ist denkbar, dass sie
etwas vorzeitig von den
zärtlichen Impulsen des
Muttergefühls durch-
bebt ist; aber in jedem
Fall wage ich zu behaup-
ten, Herr Graf, dass
ihre Seele ungetrübt ist
und dass das delicate
Factum, von dem der
Herr Graf geschrieben
haben, schwerlich einen
Einfluss ausüben kann
auf die pünktliche Lei-
tung der ihr vom Herrn
Grafen gnädigst anver-
trauten Meierei.“
Vor einiger Zeit be-
kam er bei einem Sou-
pereinen heftigen Blut-
sturz. Als er wieder
zum Bewusstsein kam
und die Augen auf-
schlug, waren seine er-
sten Worte: „Ach, der
schöne Teppich, Frau
Petterson! Verzeihen
Sie doch nur! Ich bin
mein Leben lang Ihr
Schuldner!“
Den Aussprüchen der
Aerzte nach müsste un-
ser feiner und höflicher
Mann eigentlich schon
vor mehreren Monaten
gestorben sein. Aber er
selbst behauptet, dass
er aus Höflichkeitdamit
warten müsse, bis ein
alterOnkel seine Augen
für immer schliesse, da
er es äusserst unhöflich
fände, wenn er allein
die Damen der Familie
nöthigen würde, nur
um seinetwillen sich
die Kosten und Unbe-
quemlichkeiten der Be-
schaffung neuer Trauer-
kleider zu machen, wäh-
rend sie sich nun ge-
rade zum Frühling an-
dere Kleider angeschafft
hätten.
Wenn dannOnkel und
Neffe gleichzeitig zur
Thüre des Himmel-
reichs kommen und St.
Peter sie mit einladen-
der Gebärde öffnet,
wird — darauf möchte
ich wetten — unser fei-
ner und höflicher Mann
anmuthig zur Seite tre-
ten, sich verneigen und
sagen: „Nach Ihnen,
lieber Onkel!“
(Deutsch von
E. Brauseweiter.)
' «ML,
Mi -.' \ i-M
mmm
■ I
HU
■ft k;
Berliner ITtomeutbilb: „Auf zum BallsakonI" Rudolf Wilke {München).
angestelltes Fräulein
ein paar Zwillinge zur
Welt gebracht hätte,
antwortete er: „Es ist
möglich, dass ihr war-
mes Herz, sowie die
höchsten und edelsten
Gefühle des Weibes die
betreffende junge Dame
dahin gebracht haben,
sich anders auszuneh-
men, als gewöhnlich. Ja,
es ist denkbar, dass sie
etwas vorzeitig von den
zärtlichen Impulsen des
Muttergefühls durch-
bebt ist; aber in jedem
Fall wage ich zu behaup-
ten, Herr Graf, dass
ihre Seele ungetrübt ist
und dass das delicate
Factum, von dem der
Herr Graf geschrieben
haben, schwerlich einen
Einfluss ausüben kann
auf die pünktliche Lei-
tung der ihr vom Herrn
Grafen gnädigst anver-
trauten Meierei.“
Vor einiger Zeit be-
kam er bei einem Sou-
pereinen heftigen Blut-
sturz. Als er wieder
zum Bewusstsein kam
und die Augen auf-
schlug, waren seine er-
sten Worte: „Ach, der
schöne Teppich, Frau
Petterson! Verzeihen
Sie doch nur! Ich bin
mein Leben lang Ihr
Schuldner!“
Den Aussprüchen der
Aerzte nach müsste un-
ser feiner und höflicher
Mann eigentlich schon
vor mehreren Monaten
gestorben sein. Aber er
selbst behauptet, dass
er aus Höflichkeitdamit
warten müsse, bis ein
alterOnkel seine Augen
für immer schliesse, da
er es äusserst unhöflich
fände, wenn er allein
die Damen der Familie
nöthigen würde, nur
um seinetwillen sich
die Kosten und Unbe-
quemlichkeiten der Be-
schaffung neuer Trauer-
kleider zu machen, wäh-
rend sie sich nun ge-
rade zum Frühling an-
dere Kleider angeschafft
hätten.
Wenn dannOnkel und
Neffe gleichzeitig zur
Thüre des Himmel-
reichs kommen und St.
Peter sie mit einladen-
der Gebärde öffnet,
wird — darauf möchte
ich wetten — unser fei-
ner und höflicher Mann
anmuthig zur Seite tre-
ten, sich verneigen und
sagen: „Nach Ihnen,
lieber Onkel!“
(Deutsch von
E. Brauseweiter.)
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Berliner ITtomeutbilb: „Auf zum BallsakonI" Rudolf Wilke {München).