Nr. 52
JUGEND
1897
Die himmlische Stör
Lin Schneidergeselle, ein putziger Wicht,
war still um's erste Adventuslicht
Zur Seligkeit eingcgangen.
Sie schaufelten ihm an der Armen-Lcke
Lin Grab in die sroststarre Lrdcndecke
Und meinten, da sollt' er nun schlafen.
Doch siehe, kaum wehte es Mitternacht,
Da hat flch das Schneiderlein sauber gemacht
Und haucht sich den Frost aus den Fingern.
Und ehe noch Petrus das Taglicht hängt vor,
Da klopft es schon leis an das himmlische Thor:
„Gott grüße das Handwerk, Herr Meisterl"
wie lachte da Peter: „Na eiidlichl Herein!
Drei Tage schon solltest heroben Du sein.
<D Wortbruch, Du Schneidergebrechenl" —
Und setzt ihn zum Gfen und wärmt ihn erst aus,
Dann führt er ihr. ein in das himmlische Haus.
G'rad wurden die Lnglein gebadet.
„Gegrüßt, Frau Marial" — Sie lächelte mild,
war so ganz von glücklichem Eifer erfüllt,
Und die Kleinen patschten und jauchzten.
Lin leuchtender Lherub nimmt ihn bei der Hand:
„Die Lnglein da brauchen ihr festlich Gewand,
Das sollst Du zum Lhristtag bereiten."
von weißem, schimmernden Sternenflor
Bringen sic ihm herrliche Stoffe hervor;
wie ein Türke hockt er darüber.
Seine Nadel fliegt, seine Scheere singt,
Und wenn ihn die Lngelsschaartollend umringt,
So fliegen die schimmernden Flocken.
Schon putzt Ejcrr Peter den Thriststern blank,
Da fädelt der Schneider noch einmal schlank
Zum letzten hurtigen Stiche.
Im Himmelssaal setzt schon die Vrgel ein,
Da führt Frau Maria die Lnglein hinein,
Und das Schneiderlein lauscht in der Thüre.
Doch wie dann die Engel das Gloria sangen,
Da ist er ganz heimlich hinausgegangcn
Und macht sich zum Küchengesindc.
Sie brauten sich fromm einen steifen Grog,
Und das Schneidcrlein spielte mit ihnen Tarok
Bis Früh um halber viere.
Franz Langheinrich.
—
Her Halkijonier
Von CDtto Erich Lartleden
x.
Der tzalkyonier will nicht neue Dinge
denken —
ffir will den alten Mein in neue Schalen
schenken:
In Schalen, die so schön, Las; Ihr vom
Trinken rastet
And sie beschaulich sroh mit Ang und Hand
betastet.
^ u i H. hoffmanit (Saarlouis).
Indes; der Adler Tags aus breiten
Schwingen ruht,
Jerflattert Dir die Nacht der Fleder-
mäuse Vrut.
*
Was Du vor Seiten sahst, glänzt Dir
in solchen Farben,
Wie Du sic nimmer schaust — bis
Deine Augen starben.
Ein großer Künstler strebt mit Ernst
sein ganzes Leben:
Wie einfach er Natur — wie einfach
sich kann geben.
Als guter Redner wird sich nur ein
Meister zeigen,
Der Aeberstüssiges — begabt ist zu
verschweigen.
Sein bester Parodist ist seine liebe Frau:
Sobald sie weise spricht — hör ich ihn
ganz genau.
Rund um den Tannenbaum
Märchen von Julian weiß
-Lustige -Liebe
An einem Lhristbaume hingen nebenein-
ander: eine blonde hübsch gekämmte Puppe
und ein schwarzer zerzauster Hanswurst.
Der Hanswurst warf der Puppe verliebte
Blicke zu . . . und sie lächelte. Da VTic-
mand im Zimmer war — die Aclrerc»
hatten den Schmuck des Baumes beendet
und die Jüngeren wurden »och nicht zur
Plünderung eingelassen — faßte sich Hans-
wurst ein Her; und erklärte seiner vlach-
barin so laut die Liebe, daß selbst einige
Bleisoldaten dies unschicklich fanden.
„Mein Fräulein," sagte Hanswurst zu
der süß lächelnden Blonden, „Sie wissen,
daß ich Sic liebe. Schon in der Spiel-
waarcnhandlung habe ich cs Ihnen unter
Scherzen und wiyen gestanden. Ihr Lächeln
verlieh mir Much; Ihr Lächeln gab mir
Hoffnung. Ich ahne, daß ich Sic nicht
mehr lange sehen werde, denn ich bin häß-
lich und trotz meiner Lustigkeit wird man
mich bald den Rindern des Hausmeisters
schenken, während Sie in Ihrer Schönheit
alle vornehmen Herzen gewinnen werden
Acichen Sie mir Ihre weiße kleine Hand
zum Abschied, damit ich dieselbe nur ein
einzigcsmal küssen kann."
Die Puppe bewegte sich nicht, aber ...
sie lächelte.
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JUGEND
1897
Die himmlische Stör
Lin Schneidergeselle, ein putziger Wicht,
war still um's erste Adventuslicht
Zur Seligkeit eingcgangen.
Sie schaufelten ihm an der Armen-Lcke
Lin Grab in die sroststarre Lrdcndecke
Und meinten, da sollt' er nun schlafen.
Doch siehe, kaum wehte es Mitternacht,
Da hat flch das Schneiderlein sauber gemacht
Und haucht sich den Frost aus den Fingern.
Und ehe noch Petrus das Taglicht hängt vor,
Da klopft es schon leis an das himmlische Thor:
„Gott grüße das Handwerk, Herr Meisterl"
wie lachte da Peter: „Na eiidlichl Herein!
Drei Tage schon solltest heroben Du sein.
<D Wortbruch, Du Schneidergebrechenl" —
Und setzt ihn zum Gfen und wärmt ihn erst aus,
Dann führt er ihr. ein in das himmlische Haus.
G'rad wurden die Lnglein gebadet.
„Gegrüßt, Frau Marial" — Sie lächelte mild,
war so ganz von glücklichem Eifer erfüllt,
Und die Kleinen patschten und jauchzten.
Lin leuchtender Lherub nimmt ihn bei der Hand:
„Die Lnglein da brauchen ihr festlich Gewand,
Das sollst Du zum Lhristtag bereiten."
von weißem, schimmernden Sternenflor
Bringen sic ihm herrliche Stoffe hervor;
wie ein Türke hockt er darüber.
Seine Nadel fliegt, seine Scheere singt,
Und wenn ihn die Lngelsschaartollend umringt,
So fliegen die schimmernden Flocken.
Schon putzt Ejcrr Peter den Thriststern blank,
Da fädelt der Schneider noch einmal schlank
Zum letzten hurtigen Stiche.
Im Himmelssaal setzt schon die Vrgel ein,
Da führt Frau Maria die Lnglein hinein,
Und das Schneiderlein lauscht in der Thüre.
Doch wie dann die Engel das Gloria sangen,
Da ist er ganz heimlich hinausgegangcn
Und macht sich zum Küchengesindc.
Sie brauten sich fromm einen steifen Grog,
Und das Schneidcrlein spielte mit ihnen Tarok
Bis Früh um halber viere.
Franz Langheinrich.
—
Her Halkijonier
Von CDtto Erich Lartleden
x.
Der tzalkyonier will nicht neue Dinge
denken —
ffir will den alten Mein in neue Schalen
schenken:
In Schalen, die so schön, Las; Ihr vom
Trinken rastet
And sie beschaulich sroh mit Ang und Hand
betastet.
^ u i H. hoffmanit (Saarlouis).
Indes; der Adler Tags aus breiten
Schwingen ruht,
Jerflattert Dir die Nacht der Fleder-
mäuse Vrut.
*
Was Du vor Seiten sahst, glänzt Dir
in solchen Farben,
Wie Du sic nimmer schaust — bis
Deine Augen starben.
Ein großer Künstler strebt mit Ernst
sein ganzes Leben:
Wie einfach er Natur — wie einfach
sich kann geben.
Als guter Redner wird sich nur ein
Meister zeigen,
Der Aeberstüssiges — begabt ist zu
verschweigen.
Sein bester Parodist ist seine liebe Frau:
Sobald sie weise spricht — hör ich ihn
ganz genau.
Rund um den Tannenbaum
Märchen von Julian weiß
-Lustige -Liebe
An einem Lhristbaume hingen nebenein-
ander: eine blonde hübsch gekämmte Puppe
und ein schwarzer zerzauster Hanswurst.
Der Hanswurst warf der Puppe verliebte
Blicke zu . . . und sie lächelte. Da VTic-
mand im Zimmer war — die Aclrerc»
hatten den Schmuck des Baumes beendet
und die Jüngeren wurden »och nicht zur
Plünderung eingelassen — faßte sich Hans-
wurst ein Her; und erklärte seiner vlach-
barin so laut die Liebe, daß selbst einige
Bleisoldaten dies unschicklich fanden.
„Mein Fräulein," sagte Hanswurst zu
der süß lächelnden Blonden, „Sie wissen,
daß ich Sic liebe. Schon in der Spiel-
waarcnhandlung habe ich cs Ihnen unter
Scherzen und wiyen gestanden. Ihr Lächeln
verlieh mir Much; Ihr Lächeln gab mir
Hoffnung. Ich ahne, daß ich Sic nicht
mehr lange sehen werde, denn ich bin häß-
lich und trotz meiner Lustigkeit wird man
mich bald den Rindern des Hausmeisters
schenken, während Sie in Ihrer Schönheit
alle vornehmen Herzen gewinnen werden
Acichen Sie mir Ihre weiße kleine Hand
zum Abschied, damit ich dieselbe nur ein
einzigcsmal küssen kann."
Die Puppe bewegte sich nicht, aber ...
sie lächelte.
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