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1897

JUGEND

Nr. 52

„Nicht einmal die Hand wollen Sie mir
reichen?" fragte Hanswurst traurig und
dann fegte er verzweifelt hinzu: „<!>, ich
ahnte cs, daß Sie kalt, gefühllos und grau-
sam sind. Sic haben über meine Rapriolcn
gelacht, Sic haben mich blos... als Spiel-
zeug benützt . . . Vor Frauen, die immer
lächeln, warnte mich incin Vetter, der dicke
Tambour, der eigenhändig trommelt, wenn
man ihn aufzieht, aber ich war thjricht
genug, nicht auf ihn zu hören . . . Doch
wer kann seinem Herzen gebieten?" fragte
der arme Narr, ohne eine Antwort zu er-
halten. Dann zog er sich den Scidcnfaden,
an dem er hing, fester um den Hals, zap-
pelte ein wenig mit den Leinen und verschied.

. . . Die Puppe lächelte »och immer,
aber jetzt galt das Lächeln einem hölzernen
Husaren, der unter dem Baume stand und
gelangwcilt zu ihr cmporschautc.

(Acschenk-Literarur

Es war einmal eine Tänzerin, schön wie
der Tag, lieblich wie der Mai und tugend-
haft, wie vielleicht noch keine Ballctdainc ge-
wesen. Sic wurde von de» reichsten und den
ältesten Männern der Welt umschwärmt,
die ihr die ehrendsten und empörendsten An-
rrägc stellten. Die Tänzerin wurde purpur-
roth, aber sic verstand diese Anträge selbst-
verständlich nicht. Als das wcihnachrsfcst
kam, überschüttete man sie mit Geschenken.
Ein alter Graf sandte ihr einen Diamanten
in der Größe einer Semmel, ein noch älterer
Fürst ein Himmelbett aus Gold, ein Bankier,
der bereits Urgroßvater war, kaufte ihr
ein Stadtviertel, doch sie nahm all' diese
Geschenke gleichmüthig an, ohne auch nur
mir einer Wimper zu zucken. Als ihr jedoch
ein junger Poet ein Gedicht schenkte, da
weinte sie vor Entzücken.

Ein Jahr spater saß die unschuldige
Tänzerin wieder daheim und wartete auf
die Weihnachtsgeschenke, denn sie hoffte,
daß die Tugend stets ihren Lohn finde»
werde. 2lls ihr abermals ein Gedicht des
junge» Poeten gebracht wurde, schleuderte
sic dasselbe zornig in's Feuer. Hierauf er-
wartete sic ungeduldig die alten reichen
Herren, welche bekanntlich dazu berufen
sind, hicnicdcn die Sittlichkeit zu belohnen.
Doch als die Nacht immer mehr vorrückrc
und die tugcndlicbcnden Greise nicht sicht-
bar wurden, zerriß sie ein Spitze,nuch nach
dem anderen.

Endlich, kur; vor Mitternacht, wird wie-
der an ihrer Thürc geläutet. Der Diener
erscheint und bringt ihr einen Brief. Sie
öffnet denselben ungestüm — denn in ihrer
rührenden Unschuld glaubt sie, darin läge
ein Wechsel über drei Milliarden mit dem
Grafen als 2lcccptantcn und dem Fürsten
als 2lusstcller oder doch zum mindesten ein
Testament des Bankiers, das sie zur Uni-
versalerbin macht — aber im nächsten Mo-
ment ruft sic entsetzt aus:

„Schon wieder ein Gedicht!"

Der Poet hatte sie nämlich daheim in
seinem kalten Mansardcnstübchcn am Christ-
abend besungen (um sie und sich selbst ein
wenig zu erwärmen), und das Gedicht (rein

Der Pferdehändler Mauke hat seinen Gaul »Enlomcas« mit einer Aufpnmpvorrichtunq
versehen, wie sie die velocipedreifen haben. Im Naturzustand kriegt das pneumatische
Pferd der Herr Graf als „wohltrainirten Vollblüter" zu reiten.

will aber der Herr Rentier Wursthuber Ausreiten, so wird „Entoutcas“ bis zur
äußersten Widerstandsfähigkeit seiner fjaut als Schwcrgcwichtsträger aufgepumpt.

abgcschricbcn) noch vor Mitternacht per-
sönlich übcrbracht. Mit dem Stolze einer
verletzten Jungfrau und der Hoheit einer
gekränkten Vestalin sagt die Musterränzcrin
zu ihrem Bedienten: „Falls der junge Mann
mit den langen Haaren sich wieder blicken
läßt, so werfen Sic ihn die Treppe hinab,
damit er sich endlich seine Versfüße brichr."

Puppenspiel

Nicht nur die Mädchen, sondern auch
manche Rnabc» spielen gern mir Puppen.
Die schönen braunen Jungen, mit gelockten
Haaren und feuchten Augen zumal. Rein
Wunder, daß der kleine braune Bursche
dem heizbaren Dampfschiff keine Aufmerk-
samkeit schenkte, dafür aber die neue Pupve

goz
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Max Feldbauer: Das pneumatische Pferd 'Entoutcas'
[nicht signierter Beitrag]: Puppenspiel
 
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