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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 3 (15. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3337#0051

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1898

JUGEND

Nr. 3

Julius Dijz (AUlnciien).

heiligen Sebastian, und die warmen,
zum Einmummen netten Andacht
schauer, die auf den braunen dunkel -
umdämmerten Betstühlen webten
Ueberhanpt diese Welt sei zu nett! —
Und ihre Nachbarin, das fromme Weib,
habe einen Kakadu und bunte Pan-
toffeln, mit denen sie Herzen erobern
tvollc. — Und einen hübschen Sohn
habe sie auch, der Cesare heiße. Und
heute habe sie, Margherita, Modell
gestanden, — da unten, — ganz nackt

— v! — Sie zwinkert — Sie sei nicht
von Pappe! — Und jetzt hole sie Wein-
trauben zum Nachtmahl. Und nachher
ginge sie ganz mutterseelenallein nach
der Bia Lungaretta drüben am Tiber.

Aber ihr thäte wohl Keiner was.

— Jni Gegentheil.

Nein, im Gegentheil!. sage ich auch.

Und ich erzählte ihr auch allerlei.
Ob sic auch Fraskati tränke? — Mel
Fraskati? — O! der Fraskati! Der
sei das einzig Wahre.

Und dann betrachte ich sie mir ge-
nauer, die Augen, den Mund, auch
den Wuchs. — Hm! schön, alles schön.
Aber man konnte das doch eigentlich
nicht in die Tasche stecken, und darum

— -- aber es plauderte sich hübsch

mit Margherita von ihren bunte»
Paittvsfcln, — oder waren es die ihrer
Nachbarin? — Die Pantoffeln interes-
sieren mich sehr. — Und daß sie so mit
nichts als ihres Malers Hochachtung
bekleidet ebenso schön sein wolle wie in
dem gelben Kattun, — oder in dem
oder jenem. — Das ist nämlich auch
ein Thema. — Ein ganzer Trödler-
laden von bunten Röcken wird durch-
gekramt, und es knistert ordentlich in
tlnsere Reden von Seide und Flitter
und müffclt daraus tiach all' de»
lieben Freundinnen, die das schon ge-
tragen haben. — Aber als Eva im
Paradiese wäre sic am seschestcn, —
dabei bleibt sie. Warum nicht! — Ich
glaube eS gern. Am Ende machte sie es
dann wie die liebe alberne Venus oben
auf dem Capitol. — Oder doch nicht?

Und der Wein blinkert, und die
blechbeschirmte Gasflamme oben giebt
ein Geräusch wie fernes —fernes heim-
liches Flüstern. Ich höre danach.

Drüben am Tisch brüllt ein Ita-
liener ans. Die andern schreien mit,

— gestiknlircn, — stoßen beinahe ihre
Literflaschen und Gläser um.

Mich stört das nicht mehr.

Einmal sieht ein bissiges bärtiges
Gesicht aus der dunklen Ecke drüben
und brummelt: Begreifst Du nun end-
lich, Quadratkopf? Der einzige Weg,
sich vom Leiden und Leben — und das
ist natürlich eins — zu befreien, ist
die Verneinung des Willens zum Le-
ben, zu der allerdings eigentlich nur
so ein richtiger verständiger Heiliger
kommt. —

Ja, ich begreife. Und im Nirwana
brauchts keine Kakadus, keinen Kattun
und keine Weiber. Ganz recht. Das
ist mein Fall. Ich bin nun auf dem
Wege ein Heiliger zu werden.

Da ruft cs von ganz weit unten:
Also viel Vergnügen! — Ich hatte
Margherita im Levkojengarten fast
vergessen. Der Abend ist recht roth
und glanzmatt geworden. —

Sie rupft sich Weintrauben aus
dem Korbe, ißt sie und deutet ans
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Julius Diez: Faun-Studie
 
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