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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 9 (26. Februar)
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Carne-vale

rfa, nun ist die >3ache aus!

CCCillst Du mir den ÖQantel borgen?
laicht?! Dann muss ich so hinaus
In den /Ischermittwochmorgen!

Vuh! ein kalter frecher GCCind
Bläst mir um die ©rikotbeine,
öCCie so grau die Häuser sind
In dem matten Dämmerscheine!

Und die jStrassen, €[is und jSchnee
Ijalbzerschmolzen schon im Hegen,
CCeberall, wohin ich geh,

Glänzen Dfützen mir entgegen!

Heiss ist meine müde )3tirn!

CÜäre ich erst in der Kammer!
Hhnungs reich spukt schon im Hirn
Der gemeinste Katzenjammer!

ßo, da bin ich! Huf das ©hör!
GQenn es doch nur gleich gelänge,
Xieise klingen noch im Ohr
ÖCCiegend weiche Ölalzerklänge.

Knacks — der ^Schlüssel brach entwei!
Dass sind meine Biedestale,

Ctnd der Jammer schleicht herbei
jScheusslich — greulich! Garne-vale!

KURTI

dM?

Skalden-Mißgunst

Line verlorene ober wiedergefundene Handschrift
mitgetheilt von Otto Ernst.

Ich, Gtacher, VLlundr'sSohn, künde Runde
von sträflichem Streit, den angehoben Phönix
Swan, der skandalirende Skalde und weit-
mäulige Wortwälzer gegen Jung Harald,
den siegenden Sänger, den tapfren Natur-
sohn, den Wahrheit wagenden.

Und geschah solches vor König Tuiskon
und in Tuiskon's Halle, der hohen, hallenden,
um die Wintersonnenwende.

Nicht werde ich alles, was ich zu sagen
habe, in Liedstäben stammeln, waglich würd'
ich es wagen, stapelweis zu stoppeln staunens-

Julius vier stVlünebeni

werthe Stäbe, wenn ich es können könnte.
Aber erstens macht es mir Mühe und zweitens
dünkt es mich dämlich.

Also werde ich eben allster-
irend mich äußern, wenn es mir
leicht von der Lippe sich löst und
spielenden Spaß mir spendet.

Ls geschah aber um die
Sonnenwende, daß Tuiskon, der
treulich Trinkende, ein Gelage
gab für Schwertmagen*) und
Saufsippen, da erschienen auch
Swan und Harald. Schnellen und
leichten Schritts trat Harald in
die Halle und hielt sein Saiten-
spiel in herabhängender Hand.

Swan aber schritt nicht herein,
sondern er kam dahergewallt;
denn er war ein Sänger des
Schönen. Er hielt seine Harfe j|§

am borstigen Busen, und bei
jedem Meter, welchen er wallte,
rupfte er dröhnenden T-äur-Dreiklang und rief:
„X>ie Poesie, das Ideal, die Schönheit:

Sie leben hoch, sie leben dreimal hoch!!!"

Und umwallte ihn wallend weitwallender
Mantel und schlappender Hut deckte die Schläfen
ihm; so ähnelt' er Vdiu und wähnt' er sich
Wodan. Sonderlich süß auch duftete der Bart
ihm nach Schnupftabak und Ambra; denn ein
Säuger war er des Schönen. Ts umgaben
ihn auch, wie er daherwallte, wohlig vor
Wonne wabernde Weiber, die fragte er bei
jeglichem Schritt, ob er so auch ein schönes
Bild mache, ob weiter er vorseßen müsse
rechten Fuß oder steiler zur Decke werfen
schön rollendes Auge, und ob er auch süß wie
ein Sänger erscheine und herrlich wie ein Held.
Sie aber riesen: „Wahrlich wie Wodan wallst
Du daher, freundlich auch wie Freyr der Fruch-
tende und süß und entzückend wie Baldur,
Freyr's Sonnenbruder in Breidablik. Nie sah
Midgard, nie sah Asgard so süßen Sänger,
Bragi's Harfe selbst bringt Dir nicht HarmI"

Da ließ Swaus Auge einen Augenblick ab
vom Himmel und traf heimlich Harald, den
jungen Sänger, schielenden Scheelblicks.

Und geschah nun so heitres Geschehniß,
daß alle Menschen und Götter lachten, die es
sahen, Thor's Lachen aber klang von Trud-
wang herab wie krachender Donner.

Ts Hatto nämlich Swan kleine Näpfchen
auf feine Fußspitzen geklebt, darin brannten
Weihrauch und Myrrhen. Das umgab ihn
beim wallen mit reichlichem Ruch und wabern-
de» rvolken, daß er sich selber erschien wie
der Ewigen einer. Ts wurden aber die Näpf-
chen so heiß, daß Swan sehr schwül ward
und anhub zu Hüpfen und wegwars mit Heulen
die niedlichen Näpfchen.

*) i. c. »lagen, die an die schärfsten Sachen ge-
wöhnt sind und daher auch Schwerter verdauen würden
Register
Otto Ernst: Skalden-Mißgunst
Julius Diez: Carneval
Kurti: Carne-vale!
 
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