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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 17 (23. April)
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Nr. 17

JUGEND

1898

Mekmems Nottengksang

Jul. Diez (München).

/>ipp hipp hurrah I Dem wasscrgottc
Rlingt heute meine Leier nur,

Denn unsre ncubcschloss'ne Flotte
-Besinge ich in moll und dur:

Der Reichstag hat sie angenommen
Und bald kommt sie einhergeschwommen I

Genörgelt haben sie, gequängelt,

Mit Zeter und mit Mordioh,

Und jenes, dies und das bemängelt,

2lls war' die Sache nur so so!

Doch war die Mehrheit andrer Meinung,
Trotz aller Geister der Verneinung.

Trotz aller gisrgcschwollncn Suada,
womit Herr Eugen Richter schumpf,
Rriegt die germanische Armada
Jetzt manchen neuen Eisenrumpf.

Auch Ranitz sah in diesen Rahnen
Nichts mehr von uferlosen Plänen.

Doch, wie gesagt, der bittre Eugen
Schrie umdicwett' mit Schwarz und Roth —
Selbst windthorst rief man aus als Zeugen
— Und der ist doch schon lange tobt! —
lind auch die Polen und die Welfen,

Die durften jenen wack'rcn helfen I

Doch siegten bejsre Ehrbegriffe
Bald über Bosheit, VTctb und Haß,
Genehmigt wurden alle Schiffe
Und ihre Gegner leichenblaß;

Und Eugen der „Zugrunde"-Richtcr,

Der schnitt die blässesten Gesichter.

Nun athmet jeder Deutsche freier,

Was auch der Leitartikel schreibt,

Denn Preuße, Schwabe, Sachse, Bayer
Weiß, daß Nichts ungerochen bleibt,
llnd selbst der kleinste Rcuß-Greiz-Schlcizcr
Ist stolz auf unsre neuen Rrcuzer.

Und wollt' sich Einer jetzt erlauben,

Uns schief im Ausland anzusch'n:

Gleich wird ein deutsches Kriegsschiff

schnauben

Und drohend dort vor Anker gch'n;

Und flugs besetzen unsre Braven
Dann irgend einen neuen Hafen.

Auch Jedem, der im Land sein Brod ißt,
wird bald der Flotte Segen klar,

Dem Landwirth selbst, der so in Noch ist,
Und uns'rcr Industrie schon gar;

Und uns're Nord- und Vstsccküstcn
wird auch ein Rriegsfall nicht verwüsten.

wir aber leeren drum die Reiche,

Bis daß die Nase röthlich glimmt.

Auf's Wohl der Gutgesinnten, welche
Für Deutschlands Flotte mitgestimmt.

2luf Einen aber leere Reiner

Sein Glas, auf Eugen, den Verneiner!

Biedermeier mit ei.

Das Rhinozeros

J§err Dr. ©aller hat unlängst in Nr. 12
dieses Blattes für eine llncultivirtheit, die
er sich in der bayrischen Abgeordnetenkammer
gegen die „Jugend" erlaubt, einen kleinen
Denkzettel bekommen und diesen in einer wei-
teren landtäglichen Expektoration auch dankend
quittirt. Er nannte die Sache sogar einen

„Akt der Humanität." für welche dunkle
Redensart er eine nähere Erklärung freilich
schuldig blieb. Uns kann's recht sein.

Aber was Anderes ist uns nicht recht. In
gleicher Nummer der „Jugend" brachten wir
eine Zeichnung: „Der Sachverständige,"
welche einen Dickhäuter darstellt, der einen
Korb voll Rosen beschnuppert. Das war eine
Allegorie auf jenes gewisse freche Banausen-
thum, das sich — allerdings besonders gerne
in Parlamenten — zu Zeiten über Kunstdinge
ohne jede Aktivlegitimation ein großmäuliges
Urtheil gestattet. Den allegorischen Dickhäuter
nahm nun Herr Dr. ©aller für ein Rhino-
zeros und als solches für seine Person in An-
spruch, behauptend, er sei damit gemeint und
somit wieder einmal Märtyrer der guten Sache.

Dazu hat der Herr Doktor ©aller kein
Recht.

Erstlich lag das Blatt seit vielen, vielen
Monaten in unserer Mappe, seit einer Zeit,
wo wir noch gar nicht wissen konnten, daß
Se. Hochwürden hinter dem schützenden Zaun
ihrer Abgeordnetenimmunität hervor auf uns
mit Schmutz werfen würden. Die Zeichnung
ist lediglich eine Allegorie des oben Klargelegten.

Zweitens ist der Dickhäuter in Nr. 12 der
„Jugend" kein Rhinozeros oder Nashorn
(Rbinoosros bicornis oder Indiens), sondern
ein Nilpferd, auch Flußpferd genannt (Hippo-
potamus amphibius), welches lediglich in
Afrika vorkommt und berühmt ist, mehr durch
sein colossales Maul und seinen unersättlichen
Appetit, als durch Schönheit und geistige
Fähigkeiten. Wir meinen, in seiner stumpf-
sinnigen, feisten Schwerfälligkeit sei das Thier
keine üble Materialisation des Begriffes „Ba-
nausenthum." Aber es ist eine Allegorie auf
eine Gattung, nicht auf ein Einzelexemplar,
es ist ein Nilpferd und kein Nashorn. Das
Letztere, wegen seiner boshaften Dummheit auch
Rhinozeros genannt, erfreut sich ebenfalls einer
dicken, aber viel mehr faltigen, mißfarbigen
Haut und gänzlicher Abwesenheit ästhetischer
Reize und wäre, selbst wenn die „Jugend"
unehrerbietig genug wäre zu solchen zoolog-
ischen Vergleichen, innerlich und äußerlich voll-
kommen ungeeignet, einen Mann von so blühen-
dem Exterieur und so gewinnendem und ein-
nehmendem Interieur, wie Dr. ©aller, auch
nur sinnbildlich vorzustellen. Wäre die „Jugend"
wirklich zu solchen Frivolitäten fähig, so würde
sie mit dem boshaften, knifflichen und überaus
wüsten Rhinozeros viel eher einen anderen —
aber das führt zu weit!

288
Register
Biedermeier mit ei: Biedermeiers Flottengesang
Arpad Schmidhammer: Nilpferd und Nashorn
Ki-Ki-Ki: Das Rhinozeros
Julius Diez: Vignette
Bruno Paul: Vignette
 
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