Nr. 21
JUGEND
1898
Epigramme
Auf einen Pornographen
Er har Talent. Nur muß er sich ergehen
In Schweinerei'»: so glückt ihn» sei»
Gedicht.
DielNusehat—verzeihlichstesVersehenl-
Geküßt ihn auf's konträre Angesicht.
Schützt uns!
wieder 'mal ward ei» pfäfflein »vild
liebet: ein nacktes Säuglingsbild.
Höchste Zeit wird'«, daß »vir schaffen
Eine lex Heintze gegen die Pfaffen.
wtto Lrnst.
P. P.
E»e werden sich meines Versprechen? er-
inner», ihnen über jede Nummer ihres
Blattes gehörig meine Meinung gu sagen —
mm, da bin ich wieder. Seitdem sind mir drei
weitere Nummern dieser sauberen Wochen-
schrift siir Dunst »lud Kleben zugestvßen und
die schlechte Meinung, die ich zuerst von ihr
hatte, hat sich dabei recht gedeihlich enttvickelt.
Wie sollte sie auch nicht? Oder ist die Weibs-
person init den ungewaschenen Füßen aus
der ersten Seite von Nr. 18 vielleicht schon?
Und wie interessant ist der Baum, unter dem
sie sitzt! Wenn die Apselblüthen schon diese
Phrantidale Größe haben, tvie mögen dann
erst dieAepfel ansfallen! Auf Seite 2 findet
sich ein anderes Frauenzimmer mit fast gar
nichts an und darunter steht „Spring!"
Warum soll sie springen? Und wenn der Herr
Dvdge, der sie verübt hat, wünscht, daß sie
springe, tvarun» hat er sie nicht gleich spring-
end gezeichnet, tvie Jtschner seine Kinder aus
guter Familie, die er ohne Hut und Aussicht
im Wald umher laufen läßt? Recht naiv ist
auch der „gefoppte Seeteufel." Warn»» ist
der gefoppt? Wahrscheinlich iveil er sich in
die moderne Ornamentik des Herrn Otto
Eckmann verwickelt hat und darum seinem
Unterhalt nicht nachgehen kann. Uebrigens
ivird es der Diana und ihren Jngdgenossinen
auf Lnndenbergers Kopfleiste mit ihrer Beute
uicht besser gehen, wenn sie in diesem
Schneckentempo einen Hasen fangen wollen.
Ob die Damen einen Jagdschein haben, weiß
ich nicht. Einstecken können sie ihn in dies
Gewand auf keinen Fall. Nebenan sehe ich
schon tvieder ein Frauenzimmer — wahr-
scheinlich ist dies ihre längst angekündigte
Damennümmer — diesesmal eins, das
eben im Begriff ist, sich gasförmig zu ver-
flüchtigen — Blödsinn! Ferner „Blindekuh".
Drei Mädchen, die unten mit einem Trauer-
rock und oben mit einer Hosbnlldeeolletnge
bekleidet sind tind sich auf einem violetten
Sturzacker herumtreiben. Bon Fritz Erler
finde ich natürlich arlch tvieder ivas: eine
Negerin, die an einer Nelke riecht — Sie
werden in ihrem perversen „Schönheitstrieb"
jetzt bald bei den Eskimvweibern angelangt
sein: Den Vogel schießt natürlich Wilke ab
mit einer empörenden Verhöhnung des Tiroler
Vvlkssängerweseits, einer der rührendsten
und echtesten Emanationen des lauteren Volks-
geistes eines urgesunden Stammes; aber
ihresgleichen ist nichts heilig!
Und der Text! Hätten sie meinen Brief
nicht abgedrnckt, keine lesbare Zeile in der
ganzen Nummert Ihr durch seine Lieblosig-
keiten gegen Richard Dehmel sattsam be-
rüchtigter Otto Ernst benützt daS harmlose
Thema „Wenn Kinder spielen" dazu, die
indeeenteste Stelle der ganzen Bibel zu citiren:
O. I. Bierbaum verhöhnt die legitime Liebe
in einem Gedicht „das Hochzeitsreisepaar",
Peter Altenberg, ein Mann, der so recht in
die Jugend paßt, besingt eine Demi-Vierge,
die ihre Ausgezogenheit für's Geld sehen
läßt, damit sie sogar im Text Nuditäten
haben. Feine Versammlung!
Nummer 19 ist kein Haar besser. Auf der
Titelseite ein nakter Bursche, der mit einem
Bergstock tvirft — kein Name darunter, wenn
auch der leicht ztl errathen ist, der das ge-
trieben hat. Dann unter dem Titel „Geuo-
vefa" eilten Sträfling in Ritteruniform, der
eben ein — natürlich bis auf die Sohlen
„ausgeschnittenes" — weibliches Wesen un-
glücklich gemacht hat; von zwei Blindschleichen
eingerahmt ein abgeschnittener Mädchenkopf
von R. Wünsch; ein Fidns mit starker Be-
theiligung der vierten Dimension, mit einem
Gedicht von Felix Lorenz; von Erler ein
schläfriger Herkules mit einer dressirten Hhdra
und von Eichrodt ein maskirter Tod aus
einem stark überbauten Ackergaul. Warum
H. Anetsberger seinem sterbenden Kentauren
Hufeisen angezogen hat, iveiß ich nicht; viel-
leicht tvar das damals Vorschrift. Recht ivenig
eine finde ich die „Pistolenmensur" mit der
Unterschrift „Das hat Caspari gethan".
Wenn er es wirklich gethan hat, soll er eS
tvenigstens nicht in die Zeitung setzen, sonst
ivird er eingesperrt. Und wiederum der Text!
Fünf Mark Belohnung für de», der »tir die
verrückte Geschichte von Edgar Allan Poe
näher erklärt! Ebensoviel für ein ausgiebiges
Commentar zu Johan Bohers „Es reitet
ein Zug"! Carl Busse nimmt sich heraus,
dem scheidenden Reichstag ein recht klägliches
Zeugnis; auszustellen, und ihr Biedermeier
mit iveichem Ei hat sich beniüht, einen schönen
Bruchtheil des Conservativiislexikons in
Reime zu bringen — und das heißt „Jugend"!
Warum? fragt der Abonnent.
In Nr. 20 bringen sie als Titelblatt von
A. M. die „Hille Bobbe" in jüngeren Se-
mestern, ans Seite 2 einen mageren Speer-
werser, dem die Haare zu Berg stehen, ver-
muthlich weil er einen Feind sieht, der ihm
was thun könnte. Diez ivill durch seine
neuen Spielkarten offenbar bezwecke», daß
Leute, die durch den Spielteufel ohnehin ver
dorben sind, auch durch den Anblick bru-
taler Bilder noch weiter verroht werde»
Voil Paukok eine Geslügelausstellung im
Lande der Verrücktheit, von Fritz Hegenbart
ein geigendes Geschöpf im Finstern, von dem
man nicht weiß, ob es weiblichen, männliche»,
oder sächlichen Geschlechtes ist. Fritz Erler
hat ein nagelneues Thema behandelt: „Das
Märchen vom Froschkönig" — in Grün
Na, selbst wenn ich ein Frosch wäre — aus
die „Prinzessin" könnte ich verzichten. In
deut brutalen Bild „Lehmann erholt sich"
macht sich eilt Herr Max Hagen über die
Schwäche eines offenbar kränkliche», leidenden
Mitmenschen lustig, — wieder ein neues
Opfer der pietätlosen modernen Schule von
Carieaturenzeichnern. lieber den Texttheil
ivill ich lieber schweigen. Von den zwei Ge-
schichte» duftet die eine nach Carbol, die Andere
nach dem Stall. Traurig ist es auch zu
sehen, daß ein Dichter, wie Paul Hehse, sein
Brod jetzt durch Uebersetzungen ans dem
Italienischen verdienen muß — Originalge
dichte sind ihnen wohl zu theuer. Schmutz
erei auch — das fehlte noch!
Mit-.-„bekannten Gefühlen"
B. Lekmesser,
gebildeter Leser und llwangS-Abonnciit.
JUGEND
1898
Epigramme
Auf einen Pornographen
Er har Talent. Nur muß er sich ergehen
In Schweinerei'»: so glückt ihn» sei»
Gedicht.
DielNusehat—verzeihlichstesVersehenl-
Geküßt ihn auf's konträre Angesicht.
Schützt uns!
wieder 'mal ward ei» pfäfflein »vild
liebet: ein nacktes Säuglingsbild.
Höchste Zeit wird'«, daß »vir schaffen
Eine lex Heintze gegen die Pfaffen.
wtto Lrnst.
P. P.
E»e werden sich meines Versprechen? er-
inner», ihnen über jede Nummer ihres
Blattes gehörig meine Meinung gu sagen —
mm, da bin ich wieder. Seitdem sind mir drei
weitere Nummern dieser sauberen Wochen-
schrift siir Dunst »lud Kleben zugestvßen und
die schlechte Meinung, die ich zuerst von ihr
hatte, hat sich dabei recht gedeihlich enttvickelt.
Wie sollte sie auch nicht? Oder ist die Weibs-
person init den ungewaschenen Füßen aus
der ersten Seite von Nr. 18 vielleicht schon?
Und wie interessant ist der Baum, unter dem
sie sitzt! Wenn die Apselblüthen schon diese
Phrantidale Größe haben, tvie mögen dann
erst dieAepfel ansfallen! Auf Seite 2 findet
sich ein anderes Frauenzimmer mit fast gar
nichts an und darunter steht „Spring!"
Warum soll sie springen? Und wenn der Herr
Dvdge, der sie verübt hat, wünscht, daß sie
springe, tvarun» hat er sie nicht gleich spring-
end gezeichnet, tvie Jtschner seine Kinder aus
guter Familie, die er ohne Hut und Aussicht
im Wald umher laufen läßt? Recht naiv ist
auch der „gefoppte Seeteufel." Warn»» ist
der gefoppt? Wahrscheinlich iveil er sich in
die moderne Ornamentik des Herrn Otto
Eckmann verwickelt hat und darum seinem
Unterhalt nicht nachgehen kann. Uebrigens
ivird es der Diana und ihren Jngdgenossinen
auf Lnndenbergers Kopfleiste mit ihrer Beute
uicht besser gehen, wenn sie in diesem
Schneckentempo einen Hasen fangen wollen.
Ob die Damen einen Jagdschein haben, weiß
ich nicht. Einstecken können sie ihn in dies
Gewand auf keinen Fall. Nebenan sehe ich
schon tvieder ein Frauenzimmer — wahr-
scheinlich ist dies ihre längst angekündigte
Damennümmer — diesesmal eins, das
eben im Begriff ist, sich gasförmig zu ver-
flüchtigen — Blödsinn! Ferner „Blindekuh".
Drei Mädchen, die unten mit einem Trauer-
rock und oben mit einer Hosbnlldeeolletnge
bekleidet sind tind sich auf einem violetten
Sturzacker herumtreiben. Bon Fritz Erler
finde ich natürlich arlch tvieder ivas: eine
Negerin, die an einer Nelke riecht — Sie
werden in ihrem perversen „Schönheitstrieb"
jetzt bald bei den Eskimvweibern angelangt
sein: Den Vogel schießt natürlich Wilke ab
mit einer empörenden Verhöhnung des Tiroler
Vvlkssängerweseits, einer der rührendsten
und echtesten Emanationen des lauteren Volks-
geistes eines urgesunden Stammes; aber
ihresgleichen ist nichts heilig!
Und der Text! Hätten sie meinen Brief
nicht abgedrnckt, keine lesbare Zeile in der
ganzen Nummert Ihr durch seine Lieblosig-
keiten gegen Richard Dehmel sattsam be-
rüchtigter Otto Ernst benützt daS harmlose
Thema „Wenn Kinder spielen" dazu, die
indeeenteste Stelle der ganzen Bibel zu citiren:
O. I. Bierbaum verhöhnt die legitime Liebe
in einem Gedicht „das Hochzeitsreisepaar",
Peter Altenberg, ein Mann, der so recht in
die Jugend paßt, besingt eine Demi-Vierge,
die ihre Ausgezogenheit für's Geld sehen
läßt, damit sie sogar im Text Nuditäten
haben. Feine Versammlung!
Nummer 19 ist kein Haar besser. Auf der
Titelseite ein nakter Bursche, der mit einem
Bergstock tvirft — kein Name darunter, wenn
auch der leicht ztl errathen ist, der das ge-
trieben hat. Dann unter dem Titel „Geuo-
vefa" eilten Sträfling in Ritteruniform, der
eben ein — natürlich bis auf die Sohlen
„ausgeschnittenes" — weibliches Wesen un-
glücklich gemacht hat; von zwei Blindschleichen
eingerahmt ein abgeschnittener Mädchenkopf
von R. Wünsch; ein Fidns mit starker Be-
theiligung der vierten Dimension, mit einem
Gedicht von Felix Lorenz; von Erler ein
schläfriger Herkules mit einer dressirten Hhdra
und von Eichrodt ein maskirter Tod aus
einem stark überbauten Ackergaul. Warum
H. Anetsberger seinem sterbenden Kentauren
Hufeisen angezogen hat, iveiß ich nicht; viel-
leicht tvar das damals Vorschrift. Recht ivenig
eine finde ich die „Pistolenmensur" mit der
Unterschrift „Das hat Caspari gethan".
Wenn er es wirklich gethan hat, soll er eS
tvenigstens nicht in die Zeitung setzen, sonst
ivird er eingesperrt. Und wiederum der Text!
Fünf Mark Belohnung für de», der »tir die
verrückte Geschichte von Edgar Allan Poe
näher erklärt! Ebensoviel für ein ausgiebiges
Commentar zu Johan Bohers „Es reitet
ein Zug"! Carl Busse nimmt sich heraus,
dem scheidenden Reichstag ein recht klägliches
Zeugnis; auszustellen, und ihr Biedermeier
mit iveichem Ei hat sich beniüht, einen schönen
Bruchtheil des Conservativiislexikons in
Reime zu bringen — und das heißt „Jugend"!
Warum? fragt der Abonnent.
In Nr. 20 bringen sie als Titelblatt von
A. M. die „Hille Bobbe" in jüngeren Se-
mestern, ans Seite 2 einen mageren Speer-
werser, dem die Haare zu Berg stehen, ver-
muthlich weil er einen Feind sieht, der ihm
was thun könnte. Diez ivill durch seine
neuen Spielkarten offenbar bezwecke», daß
Leute, die durch den Spielteufel ohnehin ver
dorben sind, auch durch den Anblick bru-
taler Bilder noch weiter verroht werde»
Voil Paukok eine Geslügelausstellung im
Lande der Verrücktheit, von Fritz Hegenbart
ein geigendes Geschöpf im Finstern, von dem
man nicht weiß, ob es weiblichen, männliche»,
oder sächlichen Geschlechtes ist. Fritz Erler
hat ein nagelneues Thema behandelt: „Das
Märchen vom Froschkönig" — in Grün
Na, selbst wenn ich ein Frosch wäre — aus
die „Prinzessin" könnte ich verzichten. In
deut brutalen Bild „Lehmann erholt sich"
macht sich eilt Herr Max Hagen über die
Schwäche eines offenbar kränkliche», leidenden
Mitmenschen lustig, — wieder ein neues
Opfer der pietätlosen modernen Schule von
Carieaturenzeichnern. lieber den Texttheil
ivill ich lieber schweigen. Von den zwei Ge-
schichte» duftet die eine nach Carbol, die Andere
nach dem Stall. Traurig ist es auch zu
sehen, daß ein Dichter, wie Paul Hehse, sein
Brod jetzt durch Uebersetzungen ans dem
Italienischen verdienen muß — Originalge
dichte sind ihnen wohl zu theuer. Schmutz
erei auch — das fehlte noch!
Mit-.-„bekannten Gefühlen"
B. Lekmesser,
gebildeter Leser und llwangS-Abonnciit.