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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 26 (25. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3337#0438

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1898

JUGEND

Nr. 26

on coeur aux

'ames!

Julius Diez (München).

3t,r Fran'n und Mädchen, Tanten, Bräute,

Schwestern,

Ihr Nichten, Wittwen, Enkelin und Ahne —

Und mag man mich als Narren auch verlästern —
Der Biedermeier trägt Luch vor die Fahne l
Schwach war das Weib und rechtlos war's noch gestern,
Doch Zeit ist's, daß mau aufräumt mit dem Wahue:
Und stürzt darüber auch manch morsches Haus ein —
Lmanzipirt soll selbst die kleinste Frau sein!

Wenn wie der Aal, den einer derb am Schwanz hält,
Der Mann sich zappelnd wehrt der Loncurrentin,
verhöhnt ihn, der sich für der Schöpfung Glanz hält,
Und einen feigen Egoisten nennt ihn,

Der gleich sich für verloren voll und ganz hält,

Tritt neben den Studenten die Studentin I
Db der Bewerber Hosen, ob ein Kleid hat,

Gebt Raum dem lautern Wettbewerb,

wer Schneid hat!

Mißlingt's dem Weibe einen Mann zu ehlichen,

Und ist sie nicht von Hause aus Rentiere,
verdammt Ihr sie vielleicht dann zu dom

schmählichen

Geschick, zu handeln mit der eig'nen Ehre?
verdammt Ihr sie aus Selbstsucht zum allmählichen
verhungern und zu ewiger Misere?

Wenn nicht, so laßt sie streben, was sie streben kann,
Daß sie sich selbst verdient, wovon sie leben kann!

Nehmt nur',die Heilkunst I Welche Perspektiven
Eröffnen sich den Frauen, welche leiden,

Und zehnmal lieber nach der Ärztin riefen
Als daß sie einen Arzt zu sich bescheiden I
vor ihm geniren in der Seele Tiefen
Die Frauen sich, sobald sie sich entkleiden —
von ihr läßt Jede gern sich auscultiren,

Maffiren, Trepanieren, accouchiren!

Auch für die Ranzel wird die Frau ein Schatz sein —
Wie gut sie predigt, weiß ein jeder Ehmann —,
Wird auf der Post ein würdiger Ersatz sein
Für jeden Müller, Meier oder Lehmann,

Als Advokatin wird sie sehr am Platz sein,

Dem Richterstande fügt sie sich bequem an,

Denn, wer nicht ganz ein obstinater Hannes ist,
Gesteh': sie ist beredter, als der Mann es ist!

Jur Haus des wirthes sind schon längst

die Heben

Ungleich beliebter, als die Ganymeder,

Als Redaktrice taugt die Frau zum Aleben
Und für die Schcere auch so gut wie Jeder!
Die vokation zum Dichter zeigt im Leben
Der große Schwarm der Damen von der Feder,
Und selbst beim Heere würden Amazonen
Mit Rossen fertig, Mannschaft und Kanonen!

Auch für den Reichstag sei die Frau erwählbar,
Das letzte Wort behält sie, glaubet mir es,
Macht sie zur Päpstin, denn sie ist unfehlbar,
Und wenn das Weib rasiren will, rasir' es,
Macht sie zur Brauerin, sie sind unzählbar,
Die Gaben, die sie hat, zum Brau'n des Bieres!
Und thut nur nicht, als fiel der Staatsbau

quasi UM,

Laßt Ihr doziren sie auf dem GymnasiumI

In Apotheken ginge sie famos um
Mit Pulverschachteln, Flaschen, Düten, Rrügeln,
Als Architektin fällt ihr nie ein Schloß um,
Als Rutscherin wird sie ihr Pferd schon zügeln,
Als Philosophin wird im Rigorostim
Sie jedeil Opponenten niederbügeln,

Zur Börse taugt die Jüdin wie die Arierin
Und sicher blüht der Waizen der Agrarierin!

Wollt' ich Beruf so um Beruf citiren,

Die Liste würde länger, als die Ilias I
Ich sag' nur: Laßt die Mägdelein studiren,
Die nicht bestimmt zu matribus familias,

Daß sie im Lebenskampf sich nicht blamireu,
Erzieht nur gleich den filiis die Alias —

Das Recht auf Brod sei ihnen unbeschiiitten,
Sonst les' ich Luch gehörig die Leviten!

Und wollt Ihr nicht, so müßt Ihr halt

honett sein,

Daß anderweit die Frauenfrage klar wird l
Zum Beispiel: führt ein Ehezwangsgeseh ein,
Wodurch obligatorisch der Altar wird.

Dann fängt das Standesamt in seinem Netz ein
Den Junggesellen, eh noch grau sein Haar wird,
Und Strafe zahlt dann, wer im zehnten Monat
Nicht ordnungsmäßig Tochter oder Sohn hat!

Biedermeier mit ei.

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Julius Diez: Biedermeier
Biedermeier mit ei: Mon Coeur aux dames
 
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