Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 27 (2. Juli 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 27

1898

Das erste Lachen

„Das Lachen“ — sprach der Alte, und er grinste
Und kratzte sich den spitzen, blanken Schädel,
An dem des Feuers rother Schein erglänzte,
Indess wir stillvergnügt im Kreise hockten.

An unsem Schläuchen sogen, und nur lauschten —
„Das Lachen“ — sprach er — „stammt nicht

von der Erde:

Es kommt von Gott, oder eigentlich vom Teufel —
Im letzten Grande ist’s zwar einerlei! —

Als nämlich Gott in seinem raschen Zorn
Adam und Eva aus dem Garten stiess.

Und sie nun blau vor Frost und roth vor Schani
Den langen, rauhen Erdenweg beschritten.

Da fühlte Mitleid doch der Allerbarmer
Und hüllte ihren Leib in warme Felle,

Doch ihrer Seele wusst er nicht gleich Rath
Und Hess das zarte Kind des Himmels zieh’n
Nothdürftig in ein dünnes Fleisch gewickelt.

Da warf der Teufel, der an allem Schuld,

Zum Hohne noch sein schrill Gelächter nach —
Gott aber segnete, noch eh’ es traf.

Und liess es ihren steifgewordnen Seelen!

Die Eva sah das blanke Ding wohl fliegen
Und duckte sich vor Angst; dem Adam aber.
Dem tiefer als dem Weib die Ohren hingen,
Ihm flog es an den Kopf und blieb dran hängen —
Und plötzlich ward ihm leicht, er wusst

nicht wie!

Er hob die Stirn, und sein betroffen Aug
Sah wie in eine andre Welt!

Was eben wild und fremd und schrecklich schien:
Das lange Thal, von zackigen Gebirgen
Eins übers andere gethürmt, umsäumt;

Von schwarzen Wolken drohend Überhängen,
Die donnerrollend Feuerschlangen schossen;

Der wilde Bergstrom, der von Sturz zu Sturz
Tosend und schäumend seine Fluthen wälzte;
Der Büffelkampf am jähen Uferhang;

Die Boa dort am Knorren der Olive

Ein schreiend Reh erdrückend; doch vor allem:

Die weite, haltlos tiefe Ferne selbst.

In die sein schwindelnd Aug versank — das all
Verlor auf einmal alle seine Schrecken
Und wurde neu und anders, einfach — schön!
Und in der Mannesbrust erglomm ein Reiz,

Ein neuer, ungekannter, wilder Durst:

Das alles nah zu sehn und zu begreifen,

Die Dinge alle, hinter allen Schleiern,

Und wohl auch diese Schleier selbst. Sein Auge
Erblitzte, und das Leuchten blieb darin,

Und um die Lippen, wie ein krauser Bart,

Warf sich ein Schatten auf: der junge Trotz,
Und — blieb als Bart ihm stehn! (So kam

der Mann

Zu diesem Schmuck! Der junge Schooss der Welt
War fruchtbar für den Samen aller Dinge!)

So stand er da und athmete tief auf.

Und rief: „Ist das die Welt und das ihr Schrecken}
Nun — her damit! ich will sie — fressen!“
Und schmetterte die erste Scholle Lachens
In die erstaunte Welt, dass alles Leben
Ringsum den Athem anhielt, Eva auch!

Doch sie vor einem süssen, bangen Schauer —
Das ferne Glück lief ihre Seele an.

Wie wohl die stille glatte See sich kräuselt,
Bevor die Brise unser Segel fasst —

Sie sah den Mann verwandelt, höher, lichter,
Und alles das kam von dem blanken Ding}
Nun wollt sie auch davon, und nahm ein Stückchen,
Ganz zaghaft noch, es brannte in der Hand —
Oder war’s nur ein rosiges Geleucht} —

Und schminkte sich mit holder Scheu damit
Und — fasste sie ein Brand} — und stand

erschimmernd

Vom tiefsten Nacken bis zum Stirngelock
In eine rothe, süsse Gluth getaucht,

Und — lächelte zum erstenmal! — Bei Gott,
Ihr könnt euch denken, wie’s dem Manne ward,
Da er des Weibes erstes Lächeln sah.

Verflucht nochmal!“ (Er kratzte sich den Schädel,
Wir aber rückten auf den schwülen Sitzen.)
„Da standen sie, und sah’n sich, sahen sich
Zum erstenmale und für immer — schön!

Ihr Aug erhob sich schüchtern zu dem seinen,
Sein Blick ergoss sich brennend in den ihren.
Sie sah den Mann erglühn und zittern — ah! —
Und wallte auf im eignen jungen Zauber,

Dess siebenmächtige Gewalt sie spürte,

Und zitterte und glühte selbst. — Vergessen
War alles angekannte Weh der Welt,

Verloren ganz das Donnerwort des Herrn
Von Noth und Schweiss und schmerzhaftem

Gebären

Und Sterben. — Sterben } — ha, was ist der Tod
Dem satten Tiefgefühl des Lebens! — nichts!
Und könnt er etwas sein, so wär’s ein — Reiz!
Sie aber hatten diesen Reiz nicht nöthig,

Zum Leben kaum erwacht, und trunken ganz
Von seinem ersten Duft. So schmolzen sie
Schimmernd vor Lust im ersten Kuss zusammen —
Und lieblich durch des Mann’s sonores Lachen
Des Weibes süsser Lerchentriller perlte. —■

Im Himmel aber sah der Herr sich an
Und rieb sein Aug und traute ihm nicht

recht —--“

. Der Alte stockte, lauschte scharf hinaus,

Oder er that doch so! erhob sich dann:.
„Muss doch mal schauen, was die Stute hat!“
So knurrt er noch und schritt in’s nächtige Dunkel,
Und — kam nicht mehr zurück! Und ich vermuthe,
Er log den Rest der Nacht in einer Schenke —
Wir lagen eine Meile von Serug! Imx.

450
Register
Walter Püttner: Zeichnung ohne Titel
Luz: Das erste Lachen
 
Annotationen