Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 27 (2. Juli 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0015
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kr. Ti

j Ü G E N D *

18W

i

A. Hoffmann v. Vestenhof (München).

Ü i e 'Verbündeten

auch nicht besser waren, als diejenigen, die hinter Ihnen her
sind. Die Menschen sind einander ähnlich, und das ist nicht
ihre beste Eigenschaft. Allein man darf ihnen nicht allzu böse
sein, denn sie können oft selbst nichts dafür. Das war schon
zu meiner bescheidenen Zeit ganz dieselbe Geschichte, und zur
Zeit meines lieben Vaters auch schon.“

Charaux: „In diesem Mafse nicht, Herr Duvars! Nicht in diesem
Mafs 1 “

(Duvars hat sich erhoben und ein umfangreiches Heft von
einem Brette des Bücherschrankes genommen.)

Duvars: „Doch, Herr Charaux! Hier! (Er schlägt das Heft auf)
Da haben Sie ein ganzes Buch, in Gross-Octav, das eine Samm-
lung aller Artikel enthält, in denen man mich herunterriss und
beleidigte — seit vierzig Jahren. Es ist eine ziemliche Samm-
lung, und es finden sich ein paar sehr hübsche Sachen darin,
ich versichere Ihnen. (Er blättert lächelnd ) Suchen wir unter
denen, die es zu etwas gebracht haben. Einer von Vielen, das
ist nun achtzehn Jahre her. (Hält inne bei einem Blatte.) Wie
sich das trifft! Da ist es schon. Kosten Sie ein wenig 1 Es
wird Sie unterhalten. (Er liest.) ,Ein vollständiger Idiot.1 Das
ist der Titel. Es handelt sich um mich.“

Charaux: „Ol Ol Damals schon bediente man sich solcher Worte!“
Duvars: „Ja. Aber warten Sie nur. Das ist nämlich noch gar
nichts. Ich werde Ihnen nicht den ganzen Artikel vorlesen,
weil er zu lang ist; ich gehe über Anfang und Mitte hinweg,
hören Sie den Schluss.“ (Er liest.) ,Das Ansehen, das dieser
erwähnte Duvars geniesst, ist eines der niederschlagendsten Bei-
spiele menschlicher Blödheit. Dass dieser heruntergekommene
Schmierer, ohne Stil und ohne Gedanken, ohne Form und ohne
Farbe, dass dieses aufgeblasene Nichts, nicht zufrieden mit der
Bewunderung der Hausmeister und Köchinnen, die Aufmerk-
samkeit des grossen Publikums auf sich lenken will, dass er
Ehrenstellen erhält und zum Offizier der Ehrenlegion ernannt
wird, und dass er es nun vollends wagt, sich an die Akademie
heranzudrängen . . . Das ist nachgerade ein Scandal und geht
über die Grenzen des Erlaubten hinaus. Man muss es aus-
rufen, heulen, brüllen: Es gibt keinen Duvars! Und die be-
rühmten ,Goldenen Thränen', mit denen er sich die Gunst des
Publikums ergattert hat, sind nicht einmal von ihm. Aber Du-
vars hat Geld, viel Geld — Sie fragen wahrscheinlich: Wo-
her? — und Duvars hat in der Presse seine Freunde — sagen
wir richtiger: Helfershelfer. Die grossen Tagesblätter huldigen
ihm und haben ihn schamlos in die Höhe gelobt. Duvars ist
nichts als ein vollständiger Idiot, der seihe Bedienten hat.' (Er
hält inne.) Nun?“

Charaux (höchst peinlich berührt): „Widerlich! Aber ich hoffe,
theurer Meister, Sie haben diesem Kerl geantwortet!“

Duvars: „Nein.“

Charaux: „Sie haben ihn nicht gefordert?“

Duvars: „Mein Lieber, da hätte ich mich Tag für Tag schlagen
müssen, von früh bis Abend. Das hätte mich zu sehr erschöpft.“
Charaux: „Sie haben dies also einfach geschehen lassen, ohne
etwas zu thun?“

Duvars: „Das nicht. Ich habe etwas gethan.“

Charaux: „Nun also. Und was haben Sie gethan?“

Duvars: „Ich habe gearbeitet.“

Charaux: „Ah!“

Duvars: „Jawohl. Und dies war von jeher meine Antwort auf
Beleidigungen. Das ist meine Waffe. Jeder schlägt sich, wie
er kann. Ich schlage mich, indem ich arbeite, ohne loszulassen,
mit beiden Händen zugleich.“

Charaux: „Wer aber ist der Elende, der die Frechheit besass...?“
Duvars: „Wegen dieses Artikels?“

Charaux: „Ja.“

Duvars (leichthin): „Was soll das? Sprechen wir nicht davon.“
Charaux: „Ich kenne ihn?“

Duvars: „Gewiss. Sie wären nicht wenig überrascht, wenn ich
ihn nennen wollte.“

Charaux (boshaft): „Einer meiner Freunde?“

Duvars (entschlossen): „Dringen Sie nicht in mich!“

Charaux: „Ich bitte Sie darum, theurer Meister!“

Duvars: „Warum? Und wenn Sie es wüssten?!“

Charaux (stark): „Ich will Sie rächen!“

Duvars (hält ihm die Unterschrift unter die Nase): „Also —
rächen Sie mich.“

Charaux (liest und stösst einen Schrei aus): „Ol Neinl“
Duvars: „Doch! Doch! Mein Lieberl“

45$
Register
August Hoffmann Ritter v. Vestenhof: Die Verbündeten
 
Annotationen