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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 27 (2. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0016
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1898

JUGEND

Nr. 27

Charaux: „Das ist nicht möglich.“ , a

Duvars. „Und doch .. . Prosper Charaux ... Das sind doch Sie?

Charaux: „Nie hab’ ich so etwas geschrieben.“

Duvars: „Hier haben Sie den Beweis.“

Charaux: „Es ist ein anderer. Es kann ja mehrere meines Namens
geben.“

Duvars: „Nein. Es gibt nur einen Charaux. Und wir sind stolz
darauf. Der Verfasser dieses Artikels, und der in diesem Augen-
blicke vor mir steht — es ist derselbe — nur liegen 18 Jahre
zwischen den Beiden. Sie sind es.“

Charaux: „Aber — ich würde mich doch erinnern, wenn ich es
wäre, und ich kann mich absolut nicht erinnern!“ —

Ljuvars: „Man erinnert sich niemals an das Böse, das man anderen
zugefügt hat, junger Mann. Man vergisst es ebenso geschwind
wie das Gute, das man empfangen hat. Sie haben Ihränen
in den Augen. Ist es Beschämung, ist es Zorn ?“ —

Charaux: „Verzweiflung, Scham und Reue, — alles zugleich...

jawohl, Herr Duvars.“

Duvars: „Sind Sie mir böse?“

Charaux: „Nicht so wie mir.“ (Er steht auf.) „Und ich gehe.
Ohne mir auch nur die Beruhigung zu vergönnen, Ihnen mein
tiefstes Bedauern auszudrücken, Sie demüthig um Verzeihung
zu bitten.“

Duvars: „Ich verzeihe Ihnen trotzdem.“

Charaux: „Adieu, Herr Duvars 1“

Duvars: „Bleiben Sie! O, mein armer Junge! Die Arznei ist bitter.
Aber bitter war auch... Bemerken Sie das Spiel des Zufalls?

Wir von der alten Schule, wissen Sie, wir, die vollständigen
Idioten, nennen das in Ergebenheit die Vorsehung. Staunen
Sie, was sie da angestellt hat, diese alte schlaue Vorsehung,
meine Bundesgenosffn. Sie bringt Sie zu mir, um meine Stimme
für die Akademie zu werben, achtzehn Jahre, nachdem Sie mich
besudelt haben. Sie haben mich gehasst... beschimpft.... Sie
haben sicher meinen Tod gewünscht. Widersprechen Sie nicht.

Es hat mir ja weiter nicht geschadet, wie Sie bemerken können.
Und an all dies erinnern Sie sich nicht einmal mehr. Welcher
Hohn! Und ich gehe weiter. Heute lieben Sie mich, lieben
mich aufrichtig. Und Sie beklagen sich mir gegenüber über
die pietätlose, grausame Jugend, die sich gegen Sie nicht nieder-
trächtiger benimmt, als Sie sich dereinst gegen Ihre Alten be-
nahmen. Gibt das nicht Stoff zum Nachdenken, sagen Sie?
Denken Sie an das Böse, das man spricht, an das Böse, das man
ihut, anderen und sich selbst, ganz ohne Nutzen, rein umsonst?
Und wieviel veilorene Zeit> Kostbare Zeit! Antworten Sie.“
Charaux: „Was soll ich sagen? Sie haben Recht. Und nur Eines
vermag mich zu trösten... Sie sind zu klug, Sie sind zu er-
haben, als dass Sie diesen kindischen Thorheiten eines Knaben
irgend eine Bedeutung hätten beimessen können. Ich war da-
mals zwanzig Jahre alt. Ich wusste nicht, was ich that. Offen
gestanden, fühlten Sie sich berührt durch diese kläglichen und
kindischen Beleidigungen? Nein.“

Duvars: „Ich nicht. Obzwar... Aber die, die um mich sind,
die mir nahe stehen!? Ja... Ja... Ihr Jungen, rücksichtslose
Jugend, wann Ihr losgeht, wann Ihr anstürmt zum Kampf bis
auf's Messer gegen Einen, der es zu etwas gebracht hat, denkt
Ihr an sie, die um ihn sind, die Ihr vor ihm verwundet, und
schmerzlicher als ihn? Denkt Ihr an die Frauen, die Töchter,
die Mütter, an die Schuldlosen, die Euch lesen, jede Zeile thöricht
lesen, und darüber weinen?“

Charaux: „O, soweit geht das nicht.“

Duvars: „Verzeihen Sie, mein lieber Freund. Alle die Aufsätze,
die Sie in diesem Buche sehen, sie sind von meiner Frau und
meinen beiden Töchtern ausgeschnitten, rubrizirt und eingeklebt,
unter Thränen und Kummer, mein Freund. Das war eine Ar-
beit für den Abend, im Scheine der Lampe, unter schweren
Seufzern. Ah! sie hatten Sie nicht in's Herz geschlossen, meine
Frau und Töchter, das können Sie mir glauben. Ich konnte
ihnen lange wiederholen: ,Aber das hat ja gar keine Bedeut-
ung, Kinderchen. Dieser Herr ist ein Junger. Was er thut,
ist menschlich. Er schreibt so — weil er sich über mich ärgert —
ohne mich zu kennen. Morgen wird er mit demselben Feuer-
eifer Blumen auf mich häufen. Das ist das Leben. Das Li-
terarische Leben.“ Sie wollten mir gar nicht zuhören. Schliess-
lich hab’ich sie doch bekehrt. Heute sind sie gewappnet. Nur
ein wenig spät ist es freilieh. Sie haben lang dazu gebraucht.
Schliesslich, jetzt ist alles vergeben. Dieser Frauen wegen, die -
sen Frauen zuliebe, verspreche ich Ihnen meine Stimme. Und
für alle Fälle... Denn Sie haben Talent."

;Oie 'Verbündeten

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August Hoffmann Ritter v. Vestenhof: Die Verbündeten
 
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