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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 27 (2. Juli 1898)
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Nr. 27

JUGEND

1893

Otto Ubbelohde (München).

Charaux: „O, Herr Duvars!“

Duvars: „...Besonders, seitdem Sie beginnen, ein bischen alt zu
werden. Sie werden darin fortfahren, ich hoffe es um Ihret-
willen. Haben Sie doch gar schon Ihre Jungen hinter sich, die
Sie in die Fersen heissen I Das ist gut so. Sie werden Sie
zwicken und werden Sie zerfetzen. Lernen Sie es unter Schmer-

zen, ihnen darob nicht böse zu sein, und wenn die Stunde dafür
kommt, vergelten Sie ihnen das Böse mit Gutem. Erstens ist
das christlich und zweitens geschmackvoll. Und dann, für uns
alte Rächer, wissen Sie, liegt hierin . . . eine Art von Ritter-
lichkeit. Was wollen Sie? Man ist unsterblich, — vollkommen
ist man nicht. Deutsch von T^aoul Auernheimer.


Mein Freund Mpwambu

APElettt Freund Mpwambu war eine Seele von einem Menschen,
DU? schwarz und treu wie Ebenholz, anhänglich wie ein Rheuma-
tismus, und ausdauernd wie ein Kamee!. Er zog auf meinen
Iagdausflügen und botanischen Lxcursiouen tagelang mit mir durch
die Grassteppen Lcntralafrika's, ohne nach Wasser und Nahrung
das geringste Bedürfniß zu zeigen.

Nach Wasser — ja da liegt's. was andere Flüssigkeiten an-
ging, da zeigte er ftd; weniger enthaltsam und Allem, was Brannt-
wein hieß, stand er willenlos gegenüber. Ein Griff, ein Schluck,
ein Druck — und drunten war's 1 Meine Lognacflasche war vor
ihm nicht sicherer, als ein fettes Ferkel vor einem ausgehungerten
Tiger, was ich an Spiritus besaß, war bis auf fpärlidjc Reste
bereits in der dritten wollte unseres Zusammenseins durch Mpwam-
bu's Kehle geflossen, sowohl der denaturirte für den Kochapparat,
als der andere; er hatte mir sogar einmal ein Thermometer zer-
schlagen, um der paar Tropfen Weingeist willen, die es enthielt.
Er beging ein Plagiat nach dein Russischen, indem er den Spiritus
austrank, in dem td; einige lehrreiche Präparate aufbewahrt hatte,
eitte krankhaft deformirte Affenlcber, ein ganz kleines Negerkiud
mit zwei Köpfen und einige schöne große vogelspinnen. Er war
mir über das Petroleum gekommen, wie über das Benzin nttd den
Salmiakgeist — und immer, ohne Schaden zu nehmen. Alles, was
beim Schlucken im Ejalfe brannte, rechnete er zu den Likören.

Einmal haben wir uns ernsthaft zerkricgt: als er mir eine
große Flasche fünfprozentiger Larbolsäure austrank, die idj sehr
nothwcudig zur Pstege eines verwundeten Reitstiers gebraucht hätte.
Er leugnete es, aber sein Athem roch so stark antiseptisch, daß er
ihn vcrrieth.

Und das Schönste lieferte mein Freund Mpwambu acht Tage
später.

Ich hatte, während der schwarze Säufer bei mir im Zelt war,
eben mit Kupfervitriol hautirt, das ich zu Zwecken einer chemischen
Untersuchung mitsührte. Da wurde ich abgerufen, um einen Streit
im Lager zu schlichten; ich ging.

Plötzlich besinne ich mich, daß idj die Flasche unbewacht im Zelte
gelassen und mit einem Male erinnere ich mich auch, daß Mpwambu's
Augen mit brennender Gier an der schönen grünen Flüssigkeit ge-
hangen hatten. Bei allen Heiligen, wie ich erschrak! wenn das
Leckermaul an der Flasche genascht hatte, war er verloren 1 Und
ich sah ihn schon im Geiste vor mir sich auf dem Boden winden
»nd jämmerlich verenden 1 In Laufschritt raste ich zu meinem
Zelt zurück-

Richtig, da stand der Unglücksneger, die Vitriolflasche in der
Sand, aus der er kräftige Schlucke nahm. Ich dachte, er werde
jeden Moment unter Schmerzensgeschrei zusammenbrechen und lief
noch schneller. Jetzt stand ich dicht vor ihm.

Da klopfte mich Mpwambu mit der Miene sanften Vorwurfs
auf die Schulter, schnalzte mit der Zunge und sagte schmollend:

„Du sein keine gute Freund, Master Bobl Haben so gute
Sachen in Koffer und nichts davon geben arme Mpwambu I"

Sprach's, schluckte glucksend den Rest des Vitriols hinunter
und ging dann fort, noch einmal vorwurfsvoll mit dem Finger
drohend. sof).

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Register
Otto Ubbelohde: Zeichnung ohne Titel
Bob: Mein Freund Mpwambu
 
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