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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 27 (2. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0020
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1898

. JUGEND *

Nr. 27

schmorten Ketzer in der Pfanne hat, das ist der
Druck, unter dein wir nach Erlösung seufzen.
Woher, frage ich, stammt denn jenes famose
„Axiom?" Jener ruchlose, verbrecherische Euklid,
der als der Vater einer der fluchlvürdigsten Wissen-
schaften hinreichend berüchtigt ist, als der Vater
der Geometrie, in der schon die gläubigsten Ka-
tholiken durchgcsallen sind und die ohne Glauben
auSkommcn zu können meint. Jener Euklid hatte
nicht den allerheiligste», alleinseligmachenden, ka-
tholischen Glauben, das charakterisirt den Hallnn-
kcn zur Genüge, und den Angeklagten charakteri-
sirt cs ebenso, daß er sich diesen verbrecherischen
Patron erwählt.

Der Anwalt des Angeklagten: Der
llägerische Anivalt hat soeben meinen Klienten in
Parallele mit einem angeblichen Verbrecher ge-
stellt.

P r n s.: Ja, wenn das ist, dann, Herr Bullen-
kalb, rufe ich Sie hiermit beinahe zur Ordnung.

B.: In der Klagcbeantwortung des Ange-
klagten, die mit dem ganze» teuflischen Hochmuth
der Logik abgesasjt ist, werden die Kläger als
„Ultramontane" bezeichnet. Das Wort ultramon-
tan bedeutet nichts anderes, als daß alle unsere
Wege nach Rom führen. Das streitet nicht im
geringsten mit unseren deutsche» Gefühlen, so-
lange der Papst dentjchsreundlich ist und deutsch-
freundlich sind alle Päpste: das kostet bloß ’»
Stück Papier und ’it bißchen Tinte. Und wenn
’n Papst mal nicht deutschfreundlich ist, dann liegt
das nur an den verfluchten deutschen Ketzern;
sie brarcchtcn nur alle miteinander katholisch zu
werden, und der hl. Vater würde ihre llnter-
Iversung gnädig entgegennehmen und Deutsch-
land ebenso glücklich machen wie Spanien.
Der hl. Vater betet täglich für die verdammten
Hunde, lind der Herr Piarrer Oelglanz kam: es
mir bezeugen, daß ich ihn gebeten habe, in seine
Fürbitte mein Gebet für das Luder von Ange-
klagten einzuschließcn. (Große Heiterkeit.)

Präs.: Herr Bullenkalb, jetzt werde ich Ihnen
ber nächstens das Wort entziehen.

B.: Ich glaube mit meinem allein echten
stauben, daß der Angeklagte kein Mensch ist
:nd muß jede andere Ansicht nlsReligivnsstörung
lctrachten. Christus hat besohlen, alle Menschen
n taufen nnb er hat nur eine Taufe befohlen,
üc katholische; da der Angeklagte nicht katholisch
ictauft ist, ist er also kein Mensch.

Angeklagter: Ist dem Herrn R.-A. be-
’annt, daß die wissenschaftliche Bibelkritik sestgc-
slellt hat, der sogenannte Tnnsbesehl entstamme
einer späteren Zeit und könne gar nicht von Je-
sus herrühren?

Der R.-A. B n 11 e n t a I b verfällt hiernach in
einen Wuthkrampf und beantragt dann die An-
legung spanischer Stiesel, aus Ergebenheit sür
den hl. Vater, der alles Spanische so gern hat.

Präs.: Dieser Antrag ist nach den bestehen-
den Gesetzen leider hinfällig.

B.: Nun denn: als katholischer Laie kenne
ich die Bibel nicht; aber noch viel weniger weiß
ich von einer Kritik. Folglich steht die hl. Schrift
hoch über aller Kritik. Es gibt nur eine Wissen-
schaft, wie es nur eine Konfession gibt, die ka-
tholische, und diese Wissenschaft hat nur e in Auge;
denn das andere, das sic ärgerte, hat sie hcraus-
gerissen nach dem Befehl der hl. Schrift, und das
eine Auge, das sic noch hat, das drückt sie ;».
Dieser Satan von einem Angeklagten —

Präs.: Passen Sie ans, ich entziehe Ihnen
doch noch das Wort!

B.: Dieser Satan von einem Angeklagten
hat das fluchwürdigste aller Verbrechen begangen;
er hat gegen den allerheiligsten Glauben die
Wissenschast angeführt. Ich beantrage verschärfte
Todesstrafe.

Präs.: Wollen Sie Ihren Antrag näher
motiviren?

B.: Mit Vergnügen und Leichtigkeit. Ich
habe in Berlin und Breslau die scheußlichsten

cbrechen nbgeurtheilt, wie Raubmord, Lust-
rd u. dgl. Auf diese Verbrechen steht der
d. Sie sind aber kindliche Lumpereien gegen
Grenelthate» des Angeklagten. Folglich ver-
nen diese mehr als Tod. Es kommt aber
ch ein anderes hinzu. Nur unsere allerheiligste
eche hat die Schlüssel zum Himmel. Ich tvciß
. Ich Hab' sie gesehen. Sic passen. Wenn
o ein Ketzer in den Himmel eindränge, so
nute das nur mittels Nachschlüssels geschehen,
rs sich als qnalifizirtcr Einbruch charatterisircn
ürde. Der Angeklagte hat aber selbst züge-
lnden, daß er bemüht sei, die ewige Seligkeit
: erlangen. Das ist versuchter EinbrnchSdicb-
rhl und stillt erschwerend inS Gclvicht.

Ich habe gelviß nichts dagegen, daß die armen
rotestanten in den Himmel kommen. Dann
ber sofort! Dann aber will ich gern für Ihre
nfnahme beten, lind wenn Se. Majestät,
nser Kaiser nicht sofort katholisch wird —

Präs.: Herr Bullenkalb, ich habe Sie jetzt
chtzehnmal gctvarnt —

B.: Neunzehnmal!

Präs.: Na, neunzehnmal; jetzt entziehe ich

lhncn wirklich daS Wort.

B.: Jetzt bin ich auch so ziemlich fertig. Ich
vollte nur noch sagen, wenn Sc. Majestät, unser
rvn Gott eingesetzter und von Sr. Heiligkeit
rem Papste ancrkamrter Kaiser nicht katholisch
wird, dann weicht er von der Versailler Pro-
klamation ab und dann brauchen wir uns auch
nicht nach ihr zu richten.

Angekl.: Ich beantrage den Herrn R.-A.
Bullenkalb auf seinen Gesundheitszustand zu be-
obachten. Er ist entweder religiös wahnsinnig
oder ein Verbrecher gegen die menschliche Gesell-
schaft. Jedenfalls geht seine Dummdreistigkeit
über alle Berge.

Präs.: lieber alle Berge? Das ist ultra-
montan. Dagegen ist nichts zu machen.

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