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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (9. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0027
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Nr. 23

JUGEND

1898

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Sch hatte sechs Tage gearbeitet, da kam der siebente, und ich hatte genug,
und beschloß, mir einen guten Tag der Ruhe zn gönnen, blau zu
machen. Ich wusch mich also gründlicher als sonst und zog ein frisches Hemd
an. — Dann trat ich hinaus, in Hemdsärmeln, in den Morgensonnenschein,
in die frische, duftige, herrliche Landschaft, die gleichfalls ihr Sonntags-
gewand anhatte, grüne Seide und silberig grauen Sammt, darüber ein
leuchtendes Blau — es war schön.

Ein Stückchen dieser schönen Welt beherrsche ich; ich durchschritt es,
und besah, was ich gethan hatte, und manches war auch gut und schön;
manches weniger.

Aber ich war zufrieden, und weil ein zufriedener Mensch au einem
guten Tag sich gern auch was Gutes gönnt, so beschloß ich, mir auch
etwas Gutes zu gönnen.

Ich hatte keinen Hunger und keinen Durst und war nicht müde; ich
hatte eine jener köstlichen Stunden, wo man seinen Körper nicht spürt, weil
die Seele ihn spannt und hebt, mit Haut und Haar und Haus und Hof,
und so der Mensch wie ein freier Punkt schwebt. Aber ich hatte Berlangen
nach einer Zärtlichkeit, eine zu empfangen und eine zu spenden. Da ich
aber meinesgleichen nicht habe, so ging ich zu meinen Geschöpfen, um mir
ein Opfer zu suchen. Da fiel mein Blick auf meine Rose». Bor allen andern
lieb ich meine Rosen; sie sind auch das Schönste von Allem. Und ich be-
schloß, einen Rausch daran zu trinken, mir ein Rosenopfer darzubringen.
Aber ein Massenopfer mußte es sein, denn stark liebe ich diese Getränke.
Und ich brauche nicht zu geizen und zu sorgen: ich habe viele Rosen und
cs ist der zwanzigste Juni; sie sind in vollem Flor.

So Hab ich in meiner größten Schale einen Berg der köstlichsten Rosen
vor mir nufgehägft und planvoll regellos gruppirt, tiefpurpurne, flammend-
rothe, gelbe, reinweiße und weiße mit gelbem und rosigem Schooß — in
allen Farben und Schatten, von jedem Duft und jeder Form der Blüthe.
Aber nur die schönsten und edelsten habe ich ansgewählt, von Tausenden
habe ich nur dieses Häufchen ans meinen Altar gelegt. Wohl liebe ich
meine Rosen, liebe sie zärtlich und bin gut und gerecht gegen alle, und
schütze alle so gut ich kann gegen ihre Feinde; aber was mir nicht gefällt,
vas schmeiße ich doch zum Teufel. — oder ich schenke es Kindern und
solchen, die einen schlechteren Geschmack haben. Da liegt es nun vor mir,
ein Rausch von Farbe, Duft, Zartheit, Schönheit; es zwingt mich nieder,
diese weichgewellten Häupter, diese sanften Gesichter, diesen halbgeöffneten
Mund, diesen voll aufgeblühten, glühenden Schooß zu küssen, oder hin-
zusinken und zu meinem Opfer zu beten, Ich! zu meinem OpferI — —


Julius Diez (München).
Register
Julius Diez: Zierrahmen
z.: Rosenpunsch
 
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