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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 29 (16. Juli 1898)
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Nr. 29

JUGEND

1898

nfHisiist

iMnäeMM- vmmu&oTg

p. p.

Das Titelblatt von Nr. 24, „die Dame mit
dem Vogel," sieht aus, wie aus Stein gehauen;
keine Spur von Farbe und Lebctldigkeit. In zwei
Bildern, die an Perfidst nichts zu wünschen übrig
lassen, verhöhnt ihr (S. g. >v. u. s. w.) famoser
Rudolf Wille die eheliche Treue, wie überhaupt
die satanischen Seelenvergiftungsbestrebungen der
„Jugend" immer klarer wie Tinte werden. Des-
halb wird aber doch dem moralisch gebildeten
Leser der brave Ehemann auf Seite 405 schöner
und edler Vorkommen, als sein dickwanstiger Be-
rufsgenosse mit dem Schmerbauch auf Seite 405,
der das Kammerkätzchen in's Kinn kneift. Aus
der nächsten Seite spricht Julius Diez der Sitt-
lichkeit mindestens ebensoviel Hohn, wie der Na-
turgeschichte. Pfui Teufel! Mein Herr Vetter, der
eistliche Rath, hat das Blatt mindestens eine
albe Stunde lang eingehend studirt und sich daiin
sehr entrüstet darüber ausgesprochen, ja — nach-
her die Augen mit seiner Soutane verhüllt. Die

Geschichte von den „Brüdern Grün" ist gemüths-
roh über alle Begriffe und meiner Ansicht nach
auch unjuristisch. Wenn der Storch den beiden
Fröschen Unverspeistheit znsagte, durfte er sie als
anständiger Mensch nicht seiner Frau ausliefern.

Die „Geschichten über Autorität" verstehe ich
nicht, aber ich bin mit ihrer Tendenz nicht ein-
verstanden. Das sind überhaupt die perfidesten
Auflehnungen gegen das Bestehende, die der Po-
lizei und der Entrüstung der Wohlgesinnten keine
Handhabe zum Eingreifen lassen. — Die Titel-
zeichnung von Nr. 25 ist wohl ursprünglich als
Vignette für ein sozialdemokratisches Wahlplakat
bestimmt gewesen. Und die „Jugend" daraus so
grün! Grün mit Roth — das mühten überhaupt
die Leibfarben ihres ebenso unreifen als um-
stürzlcrischen Journals werden. „Der Dichter
und die Kritik" geht wohl auf mich? Ich lasse
mir aber damit mein Recht als freier deutscher
Abonnent nicht verkümmern. Ein glorreiches Su-
jet hat sich Fritz Erler wieder zu seinem Vollbild
gewählt; einen Fischdieb auf Schlittschuhen, dem
die Göttin des Seetangs unterin Eis eine Ohr-
feige anbietet. Ein Schlittschuhläufer in pelzver-
brämtem Schlafrock, eine Nixe, deren untere Ex-
tremitäten in Wurzeln und Kräuter auslaufen —
hat man schon so was gehört? Der Verfasser soll
sich begraben lassen — vielleicht von dem Alten
von Licbermann auf der nächsten Seite, der, offen-
bar ganz zwecklos, in irgend etwas Undesinir-
barem herumbuddelt und statt dessen die Mitwelt
lieber von KunstleistungenDesreien sollte, >vie der
eben beschriebene, eislaufende Hüringsbündiger
eine darstellt. Rudolf Wilke macht sich in einem
ganz impertinenten Bilde über den Umfang einer
ältlicheil Dame lustig und darunter steht „Wohl-
wollende Neutralität." Offenbar kennt der Herr
die Fremdwörter nicht genau lind hält „Neutra-
lität" für ein Shnonym von Fettsucht, Embon-
point u. s. w. Das heiht aber Neutralität nicht.
Neutralität heiht, wenn Einer, während Zweie
sich streiten, abwartet, bis es Einem schief geht
und dann dem Andern hilft — die Beute theilen.
Vom Texte greife ich nur eins heraus: „Ach —
soo!" Da meint man schon, es werde was Un-
anständiges, steht, sozusagen, schon aus den Zehen,
mit sich gehörig zu schämen, und dann ist's ein
ganz gewöhnlicher Neinfall.

No. 26! Als ich die Figur aus dem Titel-
blatt ansah, hielt ich sie zuerst für einen Weiden-
stumpf, dann für ein Tropssteingebilde, dann
für eine Burg, und dann erst sah ich, das; sie
einen jungen Thierbändiger im Löwenzwinger
vorstellt. Sollte der Verüber dieser Kraftleistüng
nicht mehr dem Wein hold sein, als gut ist?
Max Wislicenus zeichnet zivci Frauen, denen
schlecht ist, eine junge, die vor Uebelkcit nicht
mehr sitzen und eine Alte, die nicht mehr stehen
kann. Den Beiden geht cs ganz miserabel und
angesichts dieser Nothlage wagt es ein Diez noch,
Hohn gegen die Vorkämpferinnen der Frauen-
rechte zu schleudern, indem er ein Vierteldntzcnd
ausgesuchter Scheusäler als solche darstellt. Ein
Herr Simay beweist uns weih aus schwarz, das;
sogar ein ausgepichter Meergreis hie und da
die Seekrankheit bekommen kann, tuen» der trost-
lose Zustand des alten Herrn nicht davon konnncn
sollte, das; er ein über Bord geworfenes Fähchen
Brandt) ausgekneipt hat. Der liebe Herr Rudolf

Dreimal hat Lt. Graf Wendflagg auf dem
tapferen Chamant-Sohn „Cri-Cri“ die
„goldene Peitsche“ gewonnen, bis der
grosse Sportsmann Baron von Bleich.
k Schild in die Verlob ung seiner Tochter
Posalis Grafen willigte.

Max Feldbauer (München).

Wilke, den sic offenbar zur Erholung seiner Nerven
nach Cannes geschickt haben, beweist auch gleich,
>vie sehr er es nöthig hatte — er verwechselt die
Unterschriften zu seinen beiden Bildern. Oder
that dies die verantwortliche Redaktion? Das
sähe ihr gleich. A. I. servirt uns einen italien-
ischen Salat von alten Waffen, heraldischen Adlern,
Strauhfedern, Eichenlaub, Wappen und Pferde-
köpfen als „Plakatentwurf", der famose — aber
nein! Ich habe genug! Schluß! Ich bin fertig!
Gottlob es war die letzte Nummer des
Quartals! Sechsnndzwanzig! Die letzte,
die ich ansehen muhte! Denn ich bestelle ab,
daraus können sie sich verlassen. Und dieses Be-
wusstsein stimmt mich so heiter, das; ich ihkneil
sogar mit Uebertvindung meiner tiefbegründeten,
vollberechtigten Abneigung, Geringschätzung und
Verachtung ein herzliches Lebewohl sage.

B. Lckmesser

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Register
B. Eckmesser: Brief an die "Jugend"
Max Feldbauer: Ett von den Vendenflagg und Graf Wendflagg
 
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