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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 30 (23. Juli 1898)
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N r. 30

JUGEND

1898

Walther Püttner (München).

Mlre «Mehl,sucht

Ls wird noch oft zu Zeiten
Mein' alte Sehnsucht wach,

Macht' reiten und möcht' streiten
Wohl für mein' Lhr' und Sach'.

Zum Schwert bin ich geboren,

Zum Herrn bin ich bestellt,

Ls ist an mich verloren
Die ganze weite Welt.

Das ist ein herrlich Ningen
Um Sieg und Noth und Tod,

Mein Zähnlein muß ich schwingen,
Mein' Waffen segnet Gott...

Ich kann's Dir nicht vergeben,
Herzliebster Vater mein,

Ls müßt' mein junges Leben
Doch so ganz anders sein.

Nun stimm' ich meine Saiten
Und nehm' mein Herz in Acht,
Darf reiten nur und streiten,

V weh, im Traum der Nacht!

Doch bringt der Tag mir wieder,
Was mir der Traum bescheert,

So klirrt's durch meine Lieder
Noch manchmal wie ein Schwert!

CARL BUSSE.

Verheissung

hör', was ich sage:

Venn die Sonne heut

Mit müdem Schritt aus unsrer flur gegangen,
Grwart’ ich pich!

jn wildem Gaisblatt birgt sich eine pank
Jm Valdesgrund, rings puchengrün und f arren —
j, ort Jindst pu mich.

Poch rufe nicht! Geh heimlich durch das Laub,
pass nicht die Vögel aus dem Schlummer schrecken
Jn ihrem Jlest,

pass nicht der Vind erwacht, der athemlos
Vom tollen Lauf, betäubt und sonnenmüde,
Schläft im Geäst.

Leis lachend reck' ich meine Hände aus
Önd ziehe pich durch das Gewirr der pankcn
£u mir herein.

Verträumte plüthen nicken über uns,

Grüngoldne pämm'rung spinnt mit weichem Schleier
Uns peide ein.

pann küsse mich! Sieh, meine Seele schläft,
€in willenloses V^ind, auf meinen Lippen —
pein ist die Macht:

peiss sie empor aus ihrem dumpfen Traum,
Lass sie hineinschau'n in das heisse Leben —
Und dann — sei Jfacht! Anna Ritter_

cb

Der Kuß der Königin

von J. D. Rosny, mit einer Zeichnung von
Robert Engels.

ß3?cit zehn Jahren vegetire ich in dieser
E> elenden Lonsular-Stellung in L. und
i» weiteren zehn Jahren werde ich, meiner
Meinung nach, dort auch noch vegerirenl
Alle Welt erkennt dabei meine Fähigkeiten
an, alle weit gibt zu, daß ich leicht höhere
würden erstreben, ja sogar zu den ersten
Aemrern, in die unmittelbare Ulähe des
'Königs hatte gelangen können. Selbst meine
schlimmsten Feinde haben mein Verdienst an-
erkannt, und nichtsdestoweniger bin ich dazu
verdammt, in diesem abscheulichen Loch zu
verschimmeln! Leider! — die alte Geschichte!
— eine Frau hat mich vernichtet, und diese
Frau ist — die Königin 1

Ich war damals lächerlich jung — nur
neunzehn Jahre — und ich träumte an
einem Nachmittage i» dem schönen könig-
lichen Park am Fuße der Berge. Lange
war ich im Schatten der vornehmen Linden
umhergewandelt, ,d:e überall in Gebüschen
das Terrain bedeckten und von Lichtungen
und Rasenplätzen unterbrochen wurden, die
kleine Bäche berieselten. Schließlich blieb
ich aus einer hohen, mit Pappeln bepflanzten
Terrasse stehen. Die Wipfel bogen sich
gegen einander in domarrigcn Spitzbogen;
ein kleiner Bach erweiterte sich zu einem
Weiher, dessen Ufer von Jonquillcn strahl-
ten. Es umfloß mich die herrliche Mystik
des Schweigens, nur das Wasser sang ganz
leise, ein farbiges Wolkenschloß zeichnete
sich in der Ferne ab, hinter einer der Ledern
2lllccn. Ich setzte mich, um meinem Traume
nachzuhängcn.

Zuerst ward mein Herz weit: ich genoß
in vollen Zügen die Heiterkeit des Nach-
mittags, der bereits der Dämmerung ent
gcgcnging. Dann begann eine leise Angst
zu entstehen — vielleicht in Folge des starken
Duftes der Jonquillcn — und ich hörte
mein Her; lauter klopfen als das Rieseln
des Baches, wie eine Antwort auf diese
innere Unruhe erhob sich ein leichtes Ge-
räusch, ein Geräusch von Rudern auf dem
Wasser. 2lufgcschrcekt verbarg ich inich un-
ter den Büschen. Das Geräusch hörte auf.
Das Schweigen und gehcimnißvolle Brüten
senkte sich wieder herab; die Schönheit der
Dämmerung begann sich stärker geltend zu
machen. In einem zwischen den Pappeln
hindurchschimmcrnden Strahle tauchte plötz-
lich eine leuchtende Ente auf, dann eine
zweite, mit kupferfarbenem Halse, unter
ganz leisem Schnattern, und die Ruder er-
tönten wieder, die Spitze eines Nachens zcich-

;oo
Register
Anna Ritter geb. Nuhn: Verheißung
J. H. Rosny: Der Kuß der Königin
Carl Busse: Alte Sehnsucht
Walter Püttner: Kosmos
 
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