Unterm Krummstab Julius Diez (München).
j3esud(
Jrn Garten träumte ich JAbends spat,
Pa hört’ ich was stamp/eg und schnauben:
Sie ist mir mit liebender Sehnsucht genaht
3n's Punkel verschwiegener Xauben.
Sie setzte sich kosend mir aufs fyiie —
/vTir knickten und knackten die Knochen —
pa that's einen Krachi und die Holde schrie,
Qnd mein Stuhl, der ist zerbrochen!
pie zierlichen Mbel aus pambusrohr
Sind Mehls für so starke Ge/ühle -
Jch kau/e mir nächstens, das nehm' ich mir vor,
Schmiedeiserne Gartenstühle 1
üiebesp/äuder
-Einen Handschuh gab sie mir
Jüngst mit hold verschämtem Lachen
Qnd ich liess mir gleich daraus
€in paar Sommerstie/el machen.
Qnd das Strump/band, das ich ihr
Qnter Scherzen abgerungen,
Hab’ ich mir als Gürtel jetzt
prei jVial um den Leib geschlungen.
Qnd der seidne Canzschuh, den
Sie mir auch geschenkt zum pjande,
Steht als schmucker plumenkorb
port au/ meinem fensterrande.
3m Xiebesrausch
Heute sendet sie die plicke
Vohl vergeblich aus nach mir —
Liebe winkt mit süssern Glücke,
poch in Metern lieg' ich hier!
€insarg auf den heissen Kissen
Vätz’ ich mich in wildern Grarn —
/war mein Herz ist nicht zerrissen,
jhber ach — mein fuss ist tahml
flügel heischten meine Sinne,
Qnd ich kann nicht einmal geh’n:
Gestern, ach. im pauset, der jVimne
Crat mein Schatz au/ meine /eh'g!
Cantalus
Sch schlang, sie in Gluth zu um/angen,
pen /rn, urn ihren Schurz,
poch wollte der /rn> mir nicht langen,
£r war urn die Häl/te zu kurz.
Sch wollt’ sie mit Küssen bedecken,
pa war sie mir vorne zu rund,
Qnd mocht' ich mich recken und strecken,
Sch reichte nicht hin bis zürn Mnd.
Mr wär’ es in ihrer /Jähe,
So wonnig, so wohlig, so warm.
Qnd doch wird mir immer so wehe,
Lieg’ ich in der Lieblichen f\rm.
Sch muss meinem Glück noch entsagen
Qnd liebe doch heiss, wie noch nie —
penn ich kann nichts fettes vertragen
)\us Sdiosynkrasie.
Damenrad zu verkaufen
iner meiner Bekannten hatte der Dame
seines Herzens die Gnade abgebettelt,
dass sie einen Wunsch aussprechen möge.
Da der Bekannte ein Schriftsteller ist, hatte
er heimlich erwartet, sie werde ihn bitten,
ihr seine Bücher in Prachtband mit einer ver-
ehrungsvollen Dedication zu schenken, oder
aber, dass er sie in seinem nächsten Werk
sozusagen porträtiren und dadurch unsterblich
machen werde.
Sie dachte weder an das Eine noch an
das Andere. Ihr Sinn stand nach einem
„Rad“. Nachdem er die Enttäuschung hinab-
gewüigt hatte, ging er daran, den Wunsch
der Heissvei ehrten zu erfüllen, aber er hatte
sich’s einfacher, zu einfach vorgestellt. Der
Kaufpreis erschreckte ihn. Und in dieser
Noth kam er zu mir. — Wir wollen sehen,
unter der Hand eines zu kriegen! schlug ich vor.
„Ja, aber da muss man doppelt vorsichtig
sein,“ raisonnirte der Dichtersmann, „wenn
ich Jemanden hätte, der von Rädern was ver-
steht . . .“
„Nun, ich stehe gern zu Diensten —
wie viel darf es denn kosten?“
Er nannte zaghaft einen Preis, der tief
unter dem Tageskurs der beliebteren Bicycle-
Marken stand. „Dafür werden wir nur ein
gebrauchtes Rad kriegen, aber darauf kommt's
ja nicht an. Ich will mich bemühen, werde
die Inserate studiren!“ sagte ich. Er war’s
zufrieden. Noch an demselben Tag suchte
ich in den Zeitungen nach Fahrrad-Annoncen.
Ah, bravo! „Ein Damenrad zu verkaufen.
1897 er Modell, wie neu, sehr billig. Magda-
lenenstrasse 107“ und hier ein anderes Inserat
„Umstände halber“ — und ein drittes „Rad-
lerin, momentan in Geldverlegenheit, wünscht
ihr Rad billig zu verkaufen.“
Noch am selben Nachmittage stand ich
der Dame gegenüber, die sich in Geldverlegen-
heit befand. Sie war hübsch, wenn sie auch
gefärbtes Haar trug, eine allerliebste künst-
liche Blondine mit einem schelmischen Sou-
brettengesicht. Ja „Soubrettengesicht,“ das
ist das Richtige, denn sie gehörte auch dem
Theater an, sie war, wie sich die Theater-
damen gern nennen hören, eine Künst-
lerin. Den Sommer hatte sie in Sankt
Pölten verbracht, wo sie besonders von
einigen Offizieren lebhaft entourirt war, und
ein junger Cavallcrist genoss den Vorzug,
ihr ein Rad zu Füssen legen zu dürfen, auf
dem sie mit ihm Partien in die Umgebung
unternahm. Aber leider hat hienieden Alles
ein Ende. Auch dieses Sommer-Idyll musste
dahingehen, und als die Schwalben fortzogen,
blieb nichts mehr davon übrig. Die Erinner-
ung an eine flüchtige Cavalleristen-Liebe, kein
Engagement für den Winter, aber ein Rad.
Das war noch das Beste davon. Die kleine
Künstlerin wohnte bei einer fremden alten
Frau, die ein Zimmer zu vermiethen hatte;
das mit der „Geldverlegenheit“ schien seine
Richtigkeit zu haben; auch bemerkte ich, dass
die Arme keine Ringe an den Händen trug,
und sie hatte doch sicher welche besessen.
In der Zimmerecke lehnte melancholisch
das Bicycle.
Ueber eine Viertelstunde plauderten wir
und von dem Rad war noch immer keine Rede.
Sie wusste sehr angenehm zu schwatzen und,
ehrlich gestanden, michinteressirtenim Augen-
blick auch die beiden Grübchen in ihren Wangen
mehr, als das Rad, das aus einem so prosa-
ischen Motiv verkauft werden sollte. Und
wie es schon so im Leben kommt: Ich
reichte ihr die Hand, und hielt sie fest, und
während sie mir von den Theater- und Ge-
sellschaftsverhältnissen Sankt Pöltens sprach,
war ich so frei, ihr Handgelenk verstohlen
zu streicheln.
Endlich mit einer schnellen Wendung
kam sie auf unsere Angelegenheit zu sprechen,
und sie entzog sich der zärtlichen und sanften
Massage, die ich an ihrem hübschen Unter-
arm vorgenommen hatte, indem sie sich er-
hob und auf das Rad zuging.
„Hier ist es, es ist wie neu, und läuft gross-
artig; — ah mir ist so leid darum 1“ sagte
sie seufzend.
Ich fühlte eine gewisse Beschämung dar-
über, dass ich derjenige sein sollte, der ihr
den Trennungsschmerz verursachen sollte.
Aber: Geschäft ist Geschäft.
„Und was soll es denn kosten, Fräulein
Malvi?“ fragte ich. Die Künstlerin hiess näm-
lich Malvine.
Sie zuckte die Achseln. Dann sagte sie:
„Ich weiss es ja selbst nicht, — eigentlich
hat es keinen Werth für mich, da ich hier
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j3esud(
Jrn Garten träumte ich JAbends spat,
Pa hört’ ich was stamp/eg und schnauben:
Sie ist mir mit liebender Sehnsucht genaht
3n's Punkel verschwiegener Xauben.
Sie setzte sich kosend mir aufs fyiie —
/vTir knickten und knackten die Knochen —
pa that's einen Krachi und die Holde schrie,
Qnd mein Stuhl, der ist zerbrochen!
pie zierlichen Mbel aus pambusrohr
Sind Mehls für so starke Ge/ühle -
Jch kau/e mir nächstens, das nehm' ich mir vor,
Schmiedeiserne Gartenstühle 1
üiebesp/äuder
-Einen Handschuh gab sie mir
Jüngst mit hold verschämtem Lachen
Qnd ich liess mir gleich daraus
€in paar Sommerstie/el machen.
Qnd das Strump/band, das ich ihr
Qnter Scherzen abgerungen,
Hab’ ich mir als Gürtel jetzt
prei jVial um den Leib geschlungen.
Qnd der seidne Canzschuh, den
Sie mir auch geschenkt zum pjande,
Steht als schmucker plumenkorb
port au/ meinem fensterrande.
3m Xiebesrausch
Heute sendet sie die plicke
Vohl vergeblich aus nach mir —
Liebe winkt mit süssern Glücke,
poch in Metern lieg' ich hier!
€insarg auf den heissen Kissen
Vätz’ ich mich in wildern Grarn —
/war mein Herz ist nicht zerrissen,
jhber ach — mein fuss ist tahml
flügel heischten meine Sinne,
Qnd ich kann nicht einmal geh’n:
Gestern, ach. im pauset, der jVimne
Crat mein Schatz au/ meine /eh'g!
Cantalus
Sch schlang, sie in Gluth zu um/angen,
pen /rn, urn ihren Schurz,
poch wollte der /rn> mir nicht langen,
£r war urn die Häl/te zu kurz.
Sch wollt’ sie mit Küssen bedecken,
pa war sie mir vorne zu rund,
Qnd mocht' ich mich recken und strecken,
Sch reichte nicht hin bis zürn Mnd.
Mr wär’ es in ihrer /Jähe,
So wonnig, so wohlig, so warm.
Qnd doch wird mir immer so wehe,
Lieg’ ich in der Lieblichen f\rm.
Sch muss meinem Glück noch entsagen
Qnd liebe doch heiss, wie noch nie —
penn ich kann nichts fettes vertragen
)\us Sdiosynkrasie.
Damenrad zu verkaufen
iner meiner Bekannten hatte der Dame
seines Herzens die Gnade abgebettelt,
dass sie einen Wunsch aussprechen möge.
Da der Bekannte ein Schriftsteller ist, hatte
er heimlich erwartet, sie werde ihn bitten,
ihr seine Bücher in Prachtband mit einer ver-
ehrungsvollen Dedication zu schenken, oder
aber, dass er sie in seinem nächsten Werk
sozusagen porträtiren und dadurch unsterblich
machen werde.
Sie dachte weder an das Eine noch an
das Andere. Ihr Sinn stand nach einem
„Rad“. Nachdem er die Enttäuschung hinab-
gewüigt hatte, ging er daran, den Wunsch
der Heissvei ehrten zu erfüllen, aber er hatte
sich’s einfacher, zu einfach vorgestellt. Der
Kaufpreis erschreckte ihn. Und in dieser
Noth kam er zu mir. — Wir wollen sehen,
unter der Hand eines zu kriegen! schlug ich vor.
„Ja, aber da muss man doppelt vorsichtig
sein,“ raisonnirte der Dichtersmann, „wenn
ich Jemanden hätte, der von Rädern was ver-
steht . . .“
„Nun, ich stehe gern zu Diensten —
wie viel darf es denn kosten?“
Er nannte zaghaft einen Preis, der tief
unter dem Tageskurs der beliebteren Bicycle-
Marken stand. „Dafür werden wir nur ein
gebrauchtes Rad kriegen, aber darauf kommt's
ja nicht an. Ich will mich bemühen, werde
die Inserate studiren!“ sagte ich. Er war’s
zufrieden. Noch an demselben Tag suchte
ich in den Zeitungen nach Fahrrad-Annoncen.
Ah, bravo! „Ein Damenrad zu verkaufen.
1897 er Modell, wie neu, sehr billig. Magda-
lenenstrasse 107“ und hier ein anderes Inserat
„Umstände halber“ — und ein drittes „Rad-
lerin, momentan in Geldverlegenheit, wünscht
ihr Rad billig zu verkaufen.“
Noch am selben Nachmittage stand ich
der Dame gegenüber, die sich in Geldverlegen-
heit befand. Sie war hübsch, wenn sie auch
gefärbtes Haar trug, eine allerliebste künst-
liche Blondine mit einem schelmischen Sou-
brettengesicht. Ja „Soubrettengesicht,“ das
ist das Richtige, denn sie gehörte auch dem
Theater an, sie war, wie sich die Theater-
damen gern nennen hören, eine Künst-
lerin. Den Sommer hatte sie in Sankt
Pölten verbracht, wo sie besonders von
einigen Offizieren lebhaft entourirt war, und
ein junger Cavallcrist genoss den Vorzug,
ihr ein Rad zu Füssen legen zu dürfen, auf
dem sie mit ihm Partien in die Umgebung
unternahm. Aber leider hat hienieden Alles
ein Ende. Auch dieses Sommer-Idyll musste
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blieb nichts mehr davon übrig. Die Erinner-
ung an eine flüchtige Cavalleristen-Liebe, kein
Engagement für den Winter, aber ein Rad.
Das war noch das Beste davon. Die kleine
Künstlerin wohnte bei einer fremden alten
Frau, die ein Zimmer zu vermiethen hatte;
das mit der „Geldverlegenheit“ schien seine
Richtigkeit zu haben; auch bemerkte ich, dass
die Arme keine Ringe an den Händen trug,
und sie hatte doch sicher welche besessen.
In der Zimmerecke lehnte melancholisch
das Bicycle.
Ueber eine Viertelstunde plauderten wir
und von dem Rad war noch immer keine Rede.
Sie wusste sehr angenehm zu schwatzen und,
ehrlich gestanden, michinteressirtenim Augen-
blick auch die beiden Grübchen in ihren Wangen
mehr, als das Rad, das aus einem so prosa-
ischen Motiv verkauft werden sollte. Und
wie es schon so im Leben kommt: Ich
reichte ihr die Hand, und hielt sie fest, und
während sie mir von den Theater- und Ge-
sellschaftsverhältnissen Sankt Pöltens sprach,
war ich so frei, ihr Handgelenk verstohlen
zu streicheln.
Endlich mit einer schnellen Wendung
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und sie entzog sich der zärtlichen und sanften
Massage, die ich an ihrem hübschen Unter-
arm vorgenommen hatte, indem sie sich er-
hob und auf das Rad zuging.
„Hier ist es, es ist wie neu, und läuft gross-
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Ich fühlte eine gewisse Beschämung dar-
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den Trennungsschmerz verursachen sollte.
Aber: Geschäft ist Geschäft.
„Und was soll es denn kosten, Fräulein
Malvi?“ fragte ich. Die Künstlerin hiess näm-
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Sie zuckte die Achseln. Dann sagte sie:
„Ich weiss es ja selbst nicht, — eigentlich
hat es keinen Werth für mich, da ich hier
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