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Nr. 31

JUGEND •

1898

Peter Bauer (München).

Kummer lYntrj

von Ludwig Jacodowskl.

je Augen fest schließen. Richt blin-
zeln durch den zarten Spalt zitternder
Augenlider und nicht einsaugen den für-
witzigen rothen Sonnenstrahl mit durst-
igem Blick.

So wandle ich über die Wiese dahin,
langsam und langsam. Unter dem zag-
haften Schritt knistert manchmal ein Halm,
raschelt hin und wieder ein Blatt, knirscht
ab und zu ein Sandkorn.

Sonst ist es still. Kein Laut lebt in
weiter Runde.

Rur Sonne rings umher, warme, zärt-
liche, liebende, selige Sonne.

So voll Sonne ist die Welt, daß ich
meine, ste würfe aus Gold ein rothgewirk-
tes Strahlenkleid über mich, und ich gehe
prunkend einher. Und wenn ich in die
Lust hineingreife, dann ist mir, als griffe
ich goldene Strähnen, die leise glitzernd
und knisternd wie Mädchenhaar zwischen
die Finger gleiten.

Und lachend mit offenem Mund
und geschlossenen Augen sinke ich
nieder und strecke mich ganz aus
in das heiße, dürstende Gras. Und
breite die Arme in die Lüste, dem
seidenblauen, sonnenklarenHimmel
entgegen, als müßte ich ein Stück
von ihm herunterziehen und an
meine beseligte Brust drücken, wie
Kinder die erste herrliche Puppe an
das junge kleine Herz...

Aber ... ich öffne die Augen ...
erstaunt ...

Kein Laut in der stillen, schweigenden
Runde und doch so weiches, seines Singen
in den Lüsten...

Ich horche...

Hoch oben wohl über den Wol-
ken, weit über Stürmen und Win-
den, müssen Lerchen singen. Ich
sehe sie nicht, aber ihre Lieder fallen
durch die sonnigen Lüste, und wo
sie aufHalme und Blüthen tropfen,
hebt sich ein sommerliches Düsten
an. schwül und schwer, süß und selig,
daß ich nicht satt werde von der Fülle
trunkenen Hauches.

Und stärker wird das Singen des Som-
mers hoch über mir und schwillt und
schwillt. Und langsam senkt es sich, näher
und näher zittern die süßen Töne. Ietzt
hat ste der dunkle Eichenwald drüben am
Feldsaum gehört, denn ehrerbietig neigen
sich die stolzen Kronen und rauschen be-
wundernde Antwort den Himmelsängen
des Sommers zu. Jetzt fallen die holden
Klänge, das Jauchzen und Jubeln auf die
Gräser und Halme, und in weichem, zit-
ternden Beben bücken ste sich tief vor der
schwelgenden Kraft des Hohenpsalms.

Run senkt sich leise wie Dust und
Hauch der süße Klang über mich. Und
deckt mich zu mit seiner Kraft und Selig-
keit. Und ich liege da, ganz voll vom
Jubel der Sonne und des Sommers, und
jeder Tropfen Bluts in meinem Herzen
rauscht vor beglückter Lust.

Peter Bauer (München).

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Index
Ludwig Jacobowski: Sommersang
Peter Bauer: Zierleisten
 
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