1898
JUGEND
Nr. 31
3n mir singt der Sommer seinen seligen
^ang und auf mir liegt der Sonne rothes
Dewand. Ganz in Glan) liegt mein Her).
Und pocht und glüht.
Lo will ich liegen und fröhlich fein
und lachen in heimlicher Wonne.
Berge mögen fallen auf mich. Ich
will fröhlich fein und lachen, denn in mir
fingt der Sommer, und über mir breitet
die Sonne ihr rothes Gewand —
Und gan) in Glan) liegt mein Her)...
&
Wäre ich Dein Vater, Lottchen!
Zählst erst siebzehn Lenze, Lottchen?
Ach, dagegen bin ich alt,
Fern schon winkt die Greisengrenze,
Winkt der Winter, kahl und kalt.
Siebzehn Frühlingsjahre, Lottchen?
Ja, ich könnt’ Dein Vater sein.
Dass der Himmel mich bewahre,
Aber bild’s Dir einmal ein.
Und Du kommst zum Vater, Lottchen:
Hör’, was Michel hat gewagt,
Küsste mich, ja ja, das that er,
Und er halt’ mich nicht gefragt.
Stammelst, halb im Zweifel, Lottchen:
Darf er sich’s wohl untersteh’n?
Und ich rase: Ei, zum Teufell
Wer hätt’s Micheln angeseh’n?
Geh den Frechen holen, LottchenI
Unerhörtes Bubenstückl
Jeden Kuss, den er gestohlen,
Gibt der Spitzbub Dir zurück!
Und ich werde zählen, Lottchen,
Und bei meinem höchsten Zorn,
Sollt’ ein einziges Küsschen fehlen,
Er beginnt noch mal von vorn I
Gustav Falke.
Schlummerlied
Wird unser £ieben enden?
Vir lächeln, ich und pu.
Pas Glück mit T(osenhänden
Schliesst uns die <£ippei\ zu.
l^omm’, lass’ uns weiter träumen,
Pie Sterne geh’n zur Tpih’,
per jVTorgenwind rauscht in den päumen.
paul Mtwf.
Mine Pfaffe Ohee
Von Hjalmar Södcrberg.
/Es heißt, daß man in England ein gut Thcil
»Lü seines socialen Ansehens riskiren kann,
wenn man Branntwein oder dergleichen Ge-
tränke öffentlich zu sich nimmt. Nun, jedes
Land hat seine Sitten. Mir ging es gestern
Abend ziemlich schlecht, weil ich in einem Kaffee-
Haus eine Tasse Thee trinken wollte .... ja,
es kann ja eigentlich gleichgültig sein, was für
ein Kaffeehaus es mar.
Die Sache ist die, daß ich augenblicklich
damit beschäftigt bin, die letzte Hand an einen
zweibändigen Roman zu legen, in dem ich
den Humbug des ganzen modernen Gcsellschafts-
lebcns entschleiere. Es fehlt blos das letzte
Kapitel, und das hatte ich nur gerade vorge-
nommen gestern zu schreiben. Ich stand also
um 8 Uhr morgens auf, setzte mich in Hemd-
ärmeln, vor Dichterfieber glühend, an den
Schreibtisch und begann: „Die Oktobcrdämmer-
ung breitete sich immer dichter über die Stadt,
während der Herbstregen . . . ." Soweit war
ich gekommen, als das Telephon läutete. Es
war einer meiner Freunde, der sich Geld borgen
wollte — eine Bagatelle, ein paar hundert
Kronen — aber er brauchte sie gleich. Ich
konnte natürlich nicht nein sagen, und da ich
S>7
JUGEND
Nr. 31
3n mir singt der Sommer seinen seligen
^ang und auf mir liegt der Sonne rothes
Dewand. Ganz in Glan) liegt mein Her).
Und pocht und glüht.
Lo will ich liegen und fröhlich fein
und lachen in heimlicher Wonne.
Berge mögen fallen auf mich. Ich
will fröhlich fein und lachen, denn in mir
fingt der Sommer, und über mir breitet
die Sonne ihr rothes Gewand —
Und gan) in Glan) liegt mein Her)...
&
Wäre ich Dein Vater, Lottchen!
Zählst erst siebzehn Lenze, Lottchen?
Ach, dagegen bin ich alt,
Fern schon winkt die Greisengrenze,
Winkt der Winter, kahl und kalt.
Siebzehn Frühlingsjahre, Lottchen?
Ja, ich könnt’ Dein Vater sein.
Dass der Himmel mich bewahre,
Aber bild’s Dir einmal ein.
Und Du kommst zum Vater, Lottchen:
Hör’, was Michel hat gewagt,
Küsste mich, ja ja, das that er,
Und er halt’ mich nicht gefragt.
Stammelst, halb im Zweifel, Lottchen:
Darf er sich’s wohl untersteh’n?
Und ich rase: Ei, zum Teufell
Wer hätt’s Micheln angeseh’n?
Geh den Frechen holen, LottchenI
Unerhörtes Bubenstückl
Jeden Kuss, den er gestohlen,
Gibt der Spitzbub Dir zurück!
Und ich werde zählen, Lottchen,
Und bei meinem höchsten Zorn,
Sollt’ ein einziges Küsschen fehlen,
Er beginnt noch mal von vorn I
Gustav Falke.
Schlummerlied
Wird unser £ieben enden?
Vir lächeln, ich und pu.
Pas Glück mit T(osenhänden
Schliesst uns die <£ippei\ zu.
l^omm’, lass’ uns weiter träumen,
Pie Sterne geh’n zur Tpih’,
per jVTorgenwind rauscht in den päumen.
paul Mtwf.
Mine Pfaffe Ohee
Von Hjalmar Södcrberg.
/Es heißt, daß man in England ein gut Thcil
»Lü seines socialen Ansehens riskiren kann,
wenn man Branntwein oder dergleichen Ge-
tränke öffentlich zu sich nimmt. Nun, jedes
Land hat seine Sitten. Mir ging es gestern
Abend ziemlich schlecht, weil ich in einem Kaffee-
Haus eine Tasse Thee trinken wollte .... ja,
es kann ja eigentlich gleichgültig sein, was für
ein Kaffeehaus es mar.
Die Sache ist die, daß ich augenblicklich
damit beschäftigt bin, die letzte Hand an einen
zweibändigen Roman zu legen, in dem ich
den Humbug des ganzen modernen Gcsellschafts-
lebcns entschleiere. Es fehlt blos das letzte
Kapitel, und das hatte ich nur gerade vorge-
nommen gestern zu schreiben. Ich stand also
um 8 Uhr morgens auf, setzte mich in Hemd-
ärmeln, vor Dichterfieber glühend, an den
Schreibtisch und begann: „Die Oktobcrdämmer-
ung breitete sich immer dichter über die Stadt,
während der Herbstregen . . . ." Soweit war
ich gekommen, als das Telephon läutete. Es
war einer meiner Freunde, der sich Geld borgen
wollte — eine Bagatelle, ein paar hundert
Kronen — aber er brauchte sie gleich. Ich
konnte natürlich nicht nein sagen, und da ich
S>7