Nr. 32
JUGEND
1898
In Indien war es sehr heiß, sehr schön und
überhaupt sehr exotisch gewesen.
Der General war ein Gentleman, aber alt.
llnd sic war eine junge Schönheit, liebenswürdig
und sehr tugendhaft. Sehr! Niemand konnte
ihr das Geringste nachsagen, keiner ihrer zahl-
losen Verehrer rühmte sich, auch nur die kleinste
Gunst von ihr genossen zu haben. Nicht einmal
Georges Crawell, der schönste Offizier, der jemals
in diesem Regiment seiner Königin gedient hatte.
Im Hanse des Generals wimmelte es von
Dienern. Es gab da helle, mittelfarbige und
ganz schwarze. Sie taugten alle zusammen nichts.
In ihren weihen Anzügen lungerten sie herum,
rauchten und kanten „Betel". Zn ihrem täglichen
Bad — die schwarzen zn zwei Bädern — mutzte
Clark, der Aufseher, die Kerle mit Gewalt treiben.
Die Generalin machte sich nichts aus der Faul-
heit der farbigen Domestiken. Sie war jeden-
falls gut bedient. Sie hatte ja Joe! Der taugte
was! Joe rauchte nur in wirklichen Mutzestunden,
badete, soviel er nur konnte, und Betel kaute er
gar nicht. Weil Madame das nicht liebte. Joe
that nur, was Madame liebte, und was sic nicht
liebte, unterließ er.
Das Leben in seiner Einförmigkeit, mit seinen
Lasten und Mühen ohne Joe? — Einfach un-
denkbar! —
Der vortreffliche Joe war der wohlgerathene
Sprötzling aus einer europäisch-afrikanischen
Mischehe. Auf einem fast herkulischen Körper,
satz bronzefarbig wie dieser, der prächtig geformte
Kopf. Das Gesicht schmückte eine kühne Adler-
nase mit feinen, beweglichen Nüstern, ein sehr
rother Mund mit auffallend schönen, starken
Lippen und schneeweißem Gebiß. Dazu kamen
große, nachtdunkle Augen, die meist von ihren
breiten Lidern bedeckt waren. Das schwarze,
krause Haar, das aber durchaus nichts neger-
hastes an sich hatte, trug Joe kurz geschnitten.
Der Mulatte bildete das Prachtstück der exo-
tischen Sammlung, welche die Generalin mit
nach Europa nahm. — Nach ihrer Scheidung!
Noch in Indien hatten sich die Gatten getrennt.
Am letzten Tage, den sie im,JVbits-blouss" zu-
sammen verbrachten, dinirten sie sogar noch ge-
meinsam. Genau so wie es immer war, und
als ob es auch immer so bleiben müßte. Joe
servirte. Er trug eine winzig kleine fczartige
Kappe, weiße Wollkleider und eine grellrothe
- Seidenschärpe,.um den schlanken Leib. Nur ein
kurzes Jäckchen aus kornblumenblauem Tuch
mit Goldknöpfen und die lveitzen Handschuhe an
den langen, schmalen Händen erinnerten an
die Livree eines Dieners.
Der General verbeugte sich nach dem schwar-
zen Kaffee, den Joe in Miniatur-Ttttzchen aus
Silber gereicht hatte, galant vor seiner Frau,
und wünschte ihr gesegnete Mahlzeit. Dann sah
er, ans den weichen Matten lautlos dahinschlür-
fend, durch die Glasthüre den Diener, wie er,
weiterer Befehle harrend, an der Wand lehnte.
Joe streckte und reckte die bronzesarbigen Glieder
wie ein gefangener Panther. Die Arme über den
Kopf gelegt, blickte er mit weit offenen Augen
leuchtenden Blicks in unbekannte Fernen. Beim
Nahen des Herrn sank er, die Hände über der
Brust gekreuzt, in tiefster Verbeugung zusammen.
Der General aber ging nach oben. Nicht
etwa in sein eigenes, puritanisch einfach ausge-
statletes Schlafzimmer, worin die eiserne Solda-
tenbcttstclle mit ihren harten Polstern stand,
sondern direkt in das üppige Toilettezimmer
seiner Frau. Dort postirte er sich lauge vor dem
dreitheiligen, mächtigen Spiegel, und betrachtete
sich so eingehend, als hätte er noch nie vorher
in den 60 Jahren seines Lebens Gelegenheit zu
dieser Betrachtung gehabt. Zuletzt wischte er mit
der flachen Hand noch einmal über das Glas,
danir lachte er laut, kurz und bitter arif.
Am kommenden Tag trennte man sich. Sehr
ruhig, sehr unauffällig, sehr höflich. Es war
so unendlich einfach. — Madame reiste mit Joe
allein ab. Zunächst nach Paris.
Ein Jahr später traf Georges Crawell, der
seinen Urlaub in London verbrachte und nach Ost-
ende herübergefahren war, sie dort wieder. Sie
war eleganter, schöner, liebenswürdiger und —
unzugänglicher, denn je. Unmöglich, ihr auch nur
ein Bischen näher zu kommen. Ein Schwarm
von Verehrern umringte sie aber trotzdem; dar-
unter ein junger Attachs irgend einer Gesandtschaft.
liche Antoine am Nebentisch die Crevettes mund-
gerecht machte, — eine Gunst die nicht jedermann
zn theil wurde — oder die dampfenden, gedeckten
Schüsseln tvechselte, plauderten sie. Der Attachs
sprach fast nur von der Generalin. Georges
Crawell. lächelte dann. Ein ganz besonderes
Lächeln war es. Fast wie wenn ein halber, un-
sicherer Sonnenstrahl irgend einen Ort der Zer-
störung bescheint. Wie gerne hätte der Attachs
sich dieses Lächeln zn deuten gewußt.-
Leise, unmerklich fast, senkte sich der Abend
herab. Langsam tauchte der rothe Sonuenball
in die Fluth. Die in allen Farben leuchtenden
Wicken, in allerlei seltsam geformten Glasgefützen
auf den Tischen arrangiri, dufteten betäubend
siitz. Der Rauch feiner, schwerer Zigarren mischte
sich mit jenem Duft.
Dann war die Sonne verschwunden. Aus
dem träge ansgebreiteten Meer lag der Wider-
schein einer langsam nur Himmel hinziehendcn
Röthe. Die beiden Herrn halten eine ernsthafte
Debatte, ob Units oder Romanes-Oonti, und ent-
schlossen sich zu Letzterem. Der Attachs blickte
gedankenvoll vor sich hin, auf das Meer hinaus,
oder seine Angen irrten mit einem Ausdruck der
Erwartung über die Digue. Jetzt, zur Diner-
stunde, war sic säst unbelebt. Er wollte sich ein
neues Glas Roman«« cinscheuken — da färbte
auch schon das purpurne Naß das Tischtuch.
Wie Blut leuchteten die Flecken auf dem schnee-
weißen Damast. Crawell blickte seinen Nachbarn
an, und von dessen sichtlich bebender Hand, hin-
unter auf die Digue. Er nahm gelassen eine
neue Auster und reinigte sie umständlichst vom
Bart. Dann sagte er nur:
„Die Generalin sieht wieder prachtvoll ans!"
„O, sie ist das herrlichste Weib, das ich kenne!
Sie kamen ja soviel in ihr Haus drüben noch,
— in Indien!"
„Jawohl!"
„Sie soll sehr tugendhaft sein!"
„Ungemein, — jawohl!"
Wieder dies fatale Lächeln. „Ich wüßte we-
nigstens keinen — Gentleman, der sich damals
ihrer Gunst hätte rühmen können."
„Und Sie, — haben Sic diese herrliche Frau
denn nicht geliebt?"
JUGEND
1898
In Indien war es sehr heiß, sehr schön und
überhaupt sehr exotisch gewesen.
Der General war ein Gentleman, aber alt.
llnd sic war eine junge Schönheit, liebenswürdig
und sehr tugendhaft. Sehr! Niemand konnte
ihr das Geringste nachsagen, keiner ihrer zahl-
losen Verehrer rühmte sich, auch nur die kleinste
Gunst von ihr genossen zu haben. Nicht einmal
Georges Crawell, der schönste Offizier, der jemals
in diesem Regiment seiner Königin gedient hatte.
Im Hanse des Generals wimmelte es von
Dienern. Es gab da helle, mittelfarbige und
ganz schwarze. Sie taugten alle zusammen nichts.
In ihren weihen Anzügen lungerten sie herum,
rauchten und kanten „Betel". Zn ihrem täglichen
Bad — die schwarzen zn zwei Bädern — mutzte
Clark, der Aufseher, die Kerle mit Gewalt treiben.
Die Generalin machte sich nichts aus der Faul-
heit der farbigen Domestiken. Sie war jeden-
falls gut bedient. Sie hatte ja Joe! Der taugte
was! Joe rauchte nur in wirklichen Mutzestunden,
badete, soviel er nur konnte, und Betel kaute er
gar nicht. Weil Madame das nicht liebte. Joe
that nur, was Madame liebte, und was sic nicht
liebte, unterließ er.
Das Leben in seiner Einförmigkeit, mit seinen
Lasten und Mühen ohne Joe? — Einfach un-
denkbar! —
Der vortreffliche Joe war der wohlgerathene
Sprötzling aus einer europäisch-afrikanischen
Mischehe. Auf einem fast herkulischen Körper,
satz bronzefarbig wie dieser, der prächtig geformte
Kopf. Das Gesicht schmückte eine kühne Adler-
nase mit feinen, beweglichen Nüstern, ein sehr
rother Mund mit auffallend schönen, starken
Lippen und schneeweißem Gebiß. Dazu kamen
große, nachtdunkle Augen, die meist von ihren
breiten Lidern bedeckt waren. Das schwarze,
krause Haar, das aber durchaus nichts neger-
hastes an sich hatte, trug Joe kurz geschnitten.
Der Mulatte bildete das Prachtstück der exo-
tischen Sammlung, welche die Generalin mit
nach Europa nahm. — Nach ihrer Scheidung!
Noch in Indien hatten sich die Gatten getrennt.
Am letzten Tage, den sie im,JVbits-blouss" zu-
sammen verbrachten, dinirten sie sogar noch ge-
meinsam. Genau so wie es immer war, und
als ob es auch immer so bleiben müßte. Joe
servirte. Er trug eine winzig kleine fczartige
Kappe, weiße Wollkleider und eine grellrothe
- Seidenschärpe,.um den schlanken Leib. Nur ein
kurzes Jäckchen aus kornblumenblauem Tuch
mit Goldknöpfen und die lveitzen Handschuhe an
den langen, schmalen Händen erinnerten an
die Livree eines Dieners.
Der General verbeugte sich nach dem schwar-
zen Kaffee, den Joe in Miniatur-Ttttzchen aus
Silber gereicht hatte, galant vor seiner Frau,
und wünschte ihr gesegnete Mahlzeit. Dann sah
er, ans den weichen Matten lautlos dahinschlür-
fend, durch die Glasthüre den Diener, wie er,
weiterer Befehle harrend, an der Wand lehnte.
Joe streckte und reckte die bronzesarbigen Glieder
wie ein gefangener Panther. Die Arme über den
Kopf gelegt, blickte er mit weit offenen Augen
leuchtenden Blicks in unbekannte Fernen. Beim
Nahen des Herrn sank er, die Hände über der
Brust gekreuzt, in tiefster Verbeugung zusammen.
Der General aber ging nach oben. Nicht
etwa in sein eigenes, puritanisch einfach ausge-
statletes Schlafzimmer, worin die eiserne Solda-
tenbcttstclle mit ihren harten Polstern stand,
sondern direkt in das üppige Toilettezimmer
seiner Frau. Dort postirte er sich lauge vor dem
dreitheiligen, mächtigen Spiegel, und betrachtete
sich so eingehend, als hätte er noch nie vorher
in den 60 Jahren seines Lebens Gelegenheit zu
dieser Betrachtung gehabt. Zuletzt wischte er mit
der flachen Hand noch einmal über das Glas,
danir lachte er laut, kurz und bitter arif.
Am kommenden Tag trennte man sich. Sehr
ruhig, sehr unauffällig, sehr höflich. Es war
so unendlich einfach. — Madame reiste mit Joe
allein ab. Zunächst nach Paris.
Ein Jahr später traf Georges Crawell, der
seinen Urlaub in London verbrachte und nach Ost-
ende herübergefahren war, sie dort wieder. Sie
war eleganter, schöner, liebenswürdiger und —
unzugänglicher, denn je. Unmöglich, ihr auch nur
ein Bischen näher zu kommen. Ein Schwarm
von Verehrern umringte sie aber trotzdem; dar-
unter ein junger Attachs irgend einer Gesandtschaft.
liche Antoine am Nebentisch die Crevettes mund-
gerecht machte, — eine Gunst die nicht jedermann
zn theil wurde — oder die dampfenden, gedeckten
Schüsseln tvechselte, plauderten sie. Der Attachs
sprach fast nur von der Generalin. Georges
Crawell. lächelte dann. Ein ganz besonderes
Lächeln war es. Fast wie wenn ein halber, un-
sicherer Sonnenstrahl irgend einen Ort der Zer-
störung bescheint. Wie gerne hätte der Attachs
sich dieses Lächeln zn deuten gewußt.-
Leise, unmerklich fast, senkte sich der Abend
herab. Langsam tauchte der rothe Sonuenball
in die Fluth. Die in allen Farben leuchtenden
Wicken, in allerlei seltsam geformten Glasgefützen
auf den Tischen arrangiri, dufteten betäubend
siitz. Der Rauch feiner, schwerer Zigarren mischte
sich mit jenem Duft.
Dann war die Sonne verschwunden. Aus
dem träge ansgebreiteten Meer lag der Wider-
schein einer langsam nur Himmel hinziehendcn
Röthe. Die beiden Herrn halten eine ernsthafte
Debatte, ob Units oder Romanes-Oonti, und ent-
schlossen sich zu Letzterem. Der Attachs blickte
gedankenvoll vor sich hin, auf das Meer hinaus,
oder seine Angen irrten mit einem Ausdruck der
Erwartung über die Digue. Jetzt, zur Diner-
stunde, war sic säst unbelebt. Er wollte sich ein
neues Glas Roman«« cinscheuken — da färbte
auch schon das purpurne Naß das Tischtuch.
Wie Blut leuchteten die Flecken auf dem schnee-
weißen Damast. Crawell blickte seinen Nachbarn
an, und von dessen sichtlich bebender Hand, hin-
unter auf die Digue. Er nahm gelassen eine
neue Auster und reinigte sie umständlichst vom
Bart. Dann sagte er nur:
„Die Generalin sieht wieder prachtvoll ans!"
„O, sie ist das herrlichste Weib, das ich kenne!
Sie kamen ja soviel in ihr Haus drüben noch,
— in Indien!"
„Jawohl!"
„Sie soll sehr tugendhaft sein!"
„Ungemein, — jawohl!"
Wieder dies fatale Lächeln. „Ich wüßte we-
nigstens keinen — Gentleman, der sich damals
ihrer Gunst hätte rühmen können."
„Und Sie, — haben Sic diese herrliche Frau
denn nicht geliebt?"