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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 34 (20. August 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0135

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1898

. JUGEND

Nr. 34




plötzlich ein großer unbeweglicher Stern auf —
ein einziger, der der Lrde ganz nahe zu sein
scheint.

Wie ist sein Name? Was für ein geheimniß-
liefer Stern ist es, der Einzige, den die Lrde zu
ihrem Schweigen geladen, der Linzige, der sich von
den himmlischen Fernen trennte, um in der Lrde
wachst zu blicken? Ist es der Stern der Liebe? Der,
den wir Alle mit ausgebreiteten Armen suchen,
und der doch nicht der Lrde ist? —

Er antwortet nicht. Nichts antwortet. Alles
euht in grübelndem, wartendem Schweigen.

Vielleicht ist gerade dieses das Glück; das Un-
erreichbare, das Unverständliche, das der Tag ver-
gißt und von dem die Nacht nur träumend stüstert?

Dclciia liyblom.

)\nwartschajt des T^uhms

Ein Schwätzer schmähte jüngst ein V^Yon^^

per pöbet fiel ihm bei. Ein andrer Künstler fand
pies Verk und sah’s mit Xust und rief gar,

als er dann

pen jMob gehört, voll Schmerz;

„peneidenswerther jvlann!

Otto Ernst.

Gedanken

Mein Gesinnungsgenosse ist nicht, wer das Gleiche
denkt ,vie ich, sondern wer gleich denkt ivie cch.

Nur fremden Personen und ungeliebten, oder
an deren Lug,: nt£lu ntdjt glauot, will man nichts
jumutljcn.

Willst Du die Sonne schauen? Do blicke nicht
hinauf zum Himmel. Mick' aus die Erde; Du siehst
sie hier viel tausendmal schöner!

Sich betrügen lassen, ist ein Lnrns, den sich nur
ein großes herz erlauben darf.

Am Ende ist jeder Humor der Welt Galgen-
h n m o r.

„C'est la guerre“ — heut hcißt's mit gleich infamer
Brutalität: „Ist halt Geschäft!"

Wenn der Deutsche nur weiß, wie und warum,
dann geht er gern zu Grunde. EMANUEL FOrster.

Jul. Diez (München).

Purvo im Paradies

Rumänische Zigeuner-Skizze von A. Flachs.

Purvo war auf’s Höchste entrüstet, dass im ganzen
Dorf Ghioceni Menschen, Pferde und Ochsen
sich des besten Wohlseins erfreuten. Wie sollte er
heute den eigenen Hunger und Durst, sowie die ana-
logen Empfindungen seiner Frau und der elf Kinder
stillen, wenn er keine Gelegenheit hatte, seine Kunst
als Zahn- und Thierarzt auszuüben?

„Und Pferde «zu behufen,“ dachte er, während
er in der Sonnengluth durch’s Dorf zog, „gibt es
jetzt auch nicht, noch irgend eine Schmiedearbeit
zu verrichten. Wenn’s wenigstens Sonntag wäre,
da könnte ich in der Schenke aufspielen und etwas
verdienen! Ach, wenn ich jetzt ein Kaiser wäre,
ich kaufte um 5 Francs Knoblauch, um 2 Francs
Brod und um 20 Francs Schnaps!“

Purvo war auf der schönen Wiese neben dem
Dorfthor angelangt und schlug nun den Pfad ein,
der zum Fluss« hinabführt. Plötzlich blieb er über-
rascht stehen: iM Schatten einer Buche am Ufer
lag ein schmerbäuchiger Bauer in tiefem Schlafe,
daneben ein wohlbeleibter Reisesack. Der Zigeuner
betrachtete eine Zeitlaog voll Rührung den Schlafen-
den und den Rucksack.

„So mag es im Paradiese alle Tage sein, dass
man volle Säcke neben schlafenden Eigenthümern
findet,“ seufzte er; „auf Erden aber passirt Einem
solch Glück höchst selten !“

Er schüttelte die sentimentale Anwandlung bald
ab, näherte sich leise, leise dem Reisesack und be-
werkstelligte in wenigen Minuten die Umladung
einiger darin befindlichen Viktualien in seine Hosen-
taschen; da diese nicht alle Herrlichkeiten auf-
nehmen konnten, so öffnete er vorn an der Brust
das Hemd und benutzte den so gewonnenen Hohl-
raum als Colonialwaarenmagazin. Ein wenig Angst
hatte Purvo freilich vor den etwaigen Folgen der
Entdeckung dieses Besitzwechsels; er tröstete sich
aber: „Woher weiss ich denn, dass diese Reise-
tasche gerade diesem Schlafenden gehört? Viel-
leicht schnarcht der da schon seit vier Stunden und
ein anderer ist später dazu gekommen, hat sich zur
Rast hingelegt, ist dann weiter gezogen und hat
seinen Sack vergessen! Und den habe ich nun ge-
funden. Muss ich denn so klug sein wie ein Polizei
mann? Der Herr Notar, der würde freilich gleich er
rathen, dass der Schlafende und der Sack zusammen
gehören. Ich aber bin bloss ein dummer Zigeuner,
der sich auf solche Spitzfindigkeiten nicht versteht.
Gefunden ist gefunden — das weiss ich. Also was
habe ich, Gott sei Dank, gefunden? Einen saftigen
Speck, einen fetten Brtndzakäse, drei Paar Blut-
würste, zwei Flaschen Schnaps, eine Flasche Essig,
eine Flasche Leinöl, ein Töpfchen Wagenschmiere,
drei Brode, . . . aber halt, da sind ja noch 6 Eier!
Wo bringe ich die unter, dass sie nicht zerbrechen ?“

Der Kirchenmaler
Register
Adolf Flachs: Purvo im Paradies
Emanuel Forster: Gedanken
Otto Ernst: Anwartschaft des Ruhms
Julius Diez: Der Kirchenmaler
 
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