Nr. 38
1898
Der Bien muß!
Ein biologisches Märchen für
Leo Tolstoi.
^dn unvordenklichen Zeiten, als der Mensch noch
&&L nicht reden konnte und überhaupt noch kein
Mensch war, da gab es unter dem uralten Kultur-
volke der Bienen eine Art Revolution. Bis dahin
hatten nämlich diese Thierchen ein Wespenhaftes
Nomadenleben geführt und ihre höchst sinnreiche
und dabei schmackhafte Ausbeutung der Blumen-
ivelt ■ nur familienweise betrieben. Nun aber
traten die stärksten und talentvollsten unter ihnen
mit weitergehenden Kunst- und Staatslehren auf:
die Vorrathskammern (welche der spätere Mensch
Waben nannte) wurden derart eonstruirt, das;
ihrer mehrere nebeneinander unter Benutzung
von Kömmunmauern bestehen konnten. Durch
diese kunstvolle Anlage wurde die lästige Wachs-
produktion vermindert, und das Zusammen-
arbeiten Aller bildete zugleich eine Versicherung
gegen Nahrungs- und Eiersorgen. Die Männ-
chen konnten nun besser, als vorher, sich der Ent-
faltung ihrer Kriegskunst gegen die zahlreichen
Honigfreunde in der übrigen Thierwelt widmen;
während die Weibchen für das.Haus und die
.Nachkommen sorgten, organisirten die Männchen
-treffliche militärische Verbände, so das; den Bären)
-den Dachsen und anderen Feinden des Bienen-
stagtes alle Lust zu räuberischen Ueberfällen
verging.
- Bor allem aber konnten nun auch die fried-
lichen Kiinste sich frei entwickeln, welche, mehr
noch als bei den Menschen, ganz wesentlich in
der stärkeren Begabung der Männer wurzelten.
Bon diesen wunderlichen Künsten können wir Uns
heute nur schwer einen Begriff machen; aber ganz
sicher, ist es, das; die Bienen damals in ihrer
Weise vorzügliche Dichter, Dekorateure und
Musikanten hatten. Freilich spielte nun auch die
Liebe mit allen-ihren Freuden und Schmerzen
eine größere Rolle; es ist nicht .zu leugnen, daß
sie viel Unglück in den Bienenherzen anrichtete,
und daß mit der Pflege der Künste, dem gestei-
gerten Wohlstand, und der Sicherheit des Er-
werbs sich (auch manche Gepflogenheiten ein-
stellten, welche mit dem früheren patriarchalischen
Leben stark- konträstirten. .
Die Zahl der Unzufriedenen, der Philister und
Reaktionäre wuchs zusehends.' Allerorten bildeten
sich Vereine zur Hebung der Moralität, an denen
sich namentlich das Weibervolk aktiv betheiligte.
Schon.von Natur boshaft, neidisch, undankbar,
lieblos,'heimtückisch, ungerecht, klatschsüchtig u.s.w.
wurden die.Bienenweibchen durch das Vereins-
leben doppelt gefährlich für die Freiheiten der
Männchen. Die bald allgemeine Entziehung des
Hausschlüssels ivar nur ein sehr unschuldiges
Symptom für die überhandnehmende Herrschaft
des Unterrocks. -
Da trat als Apostel der Sittlichkeit und ein-
fachen Lebensweise ein ehrwürdiger Bienengreis
auf, der selbst in jüngeren Jahren zu den ersten
Künstlern gehört hatte. Er hatte nun das er-
lösende Wort gefunden: „Die Künste sind es, die
uns moralisch so heruntergebracht haben. Es ist
ein Unsinn, daß die Männer sich zu Virtuosen
in all diesen überflüssigen Dingen hcranbilden;
anstatt sich der gemeinen Nothdurst des Lebens
zu widmen, schwelgen sie in Genüssen, die mit
Honig und Wachs nichts-mehr-zu thun haben.
Es' ist eine freventliche Ueberreizung der Sinne
und Nerven, ein ganz überflüssiger und gefähr-
licher Bienenwähn! Was scheren uns Talent
und Individualität, welche-ja doch .nur vorgeschützt
werden, um ihren, angeblichen Inhabern zu einem
ungebundenen, unsittlichen Lebenswandel zu ver-
helfen. Fort mit allem Kunstgnark!"
Von den Weibchen, welche — das muß man
zugestehen — die Last der gemeinen Arbeit .vor-
wiegend zu tragen und unter den Kunst- und
Liebeslaunen der Männchen viel zu leiden gehabt
' JUGEND *
hatten, wurden die neuen Lehren des Apostels
mit Enthusiasmus ausgenommen. Mau darf
nicht vergessen, daß bei den Bienen das. Weib-
chen niemals so intelligent war, wie bei den
Menschen; eine edlere „Frauenbewegung" hat es
dort niemals gegeben. Daher, und von ihrem
Mangel an Liebesbedürfniß kommt es, daß sie
keinerlei Verständniß für die höheren Bestrebungen
ihrer Männer hatten. Daß es gerade ein mit
allen Kunstwassern gewaschener, hochangcsehener
Bienengreis war, der die neue männerfeindliche
Lehre von sich gab, das kam ihnen gerade recht.
Aber sie begnügten sich nicht damit, in seine
Jeremiade einzustimmen, sondern sagten sich:
„Freiheitsdrang, Talent, Kunst, Fortschritt und
alles ähnliche dumme Zeug sind von der männ-
lichen Natur unzertrennlich; wollen wir diese
beunruhigenden Dinge los werden, so müssen
wir uns der Männer selbst entledigen." Das
war einleuchtend. So wurde denn eine regel-
rechte Verschwörung inscenirt. Den auch in der
Bienenwelt zahlreich vertretenen Pantoffelhelden
wurde ohne Weiteres daheim der Garaus ge-
macht; die übrigen, auch, die Kriegskünstler,
wurden in einer großen männermordenden Luft-
schlacht vernichtet, denn soviel auch die armen
Männlein studirt und geübt hatten, dem weib-
lichen-Giftstachel konnten sie ja schon aus an-
geborener Galanterie nicht ividcrstehen. Unter
den unrühmlich Gefallenen befand sich auch der
würdige Bienengreis; „stirb, altes Wachsgesicht,
Verächter Deiner eigenen Jugendkraft", hatte die
kleine Frau gesagt, als sie ihren reizenden Stachel
ihm in's Herz stieß.
Seit jenen Tagen datirt das .Weiberregiment
im Bienenstaate. Einmal vertraut mil 'den Prak-
tiken und der Wollust des Männermorhes, haben
die schneidigenBienimren es verstanden, die männ-
liche Brut und die Sinnlichkeit auf das zur Staats-
erhaltung absolut nothwendige Maas; herabzu-
drücken. Freie Männer giebt es überhaupt nicht
mehr, nur noch Drohnen. Sobald der Hochzeits-
flug der wohlgemästeten, jungen Königin beendet
ist — zur Vermeidung des bösen Beispiels geht
die Reise in die höchsten Lüste — werden die
armen Kerle einfach abgemurxt. Schon beim
Eierlegxn sorgt die kluge Königin dafür, daß der
Männlein nicht zu viele werden; im Uebrigen
hat sie nichts zu sagen. Kunst und Talent, In-
telligenz und Sinnlichkeit des Bienenvolkes sind
nun in ewigem Turnus darauf gerichtet, dem
Menschen seinen Frühstückshonig zu liefern; so
automatisch geht das Alles von Statten, so ohne
alle Regungen männlicher Eigenwilligkeit, daß
ein Professor auf die Idee kommen konnte, in
den Bienen nichts weiter als denkunfähige Reflex-
maschinen zu erkennen. Sie gehen denn auch
gutwillig in jede Falle, die ihnen der honig-
lüsterne Mensch stellt; und wenn.den heulenden
Weibchen das Flugloch anfangs zu klein dünkt,
dann sagt der kluge Imker: „Der Bien muß!"
Georg Hirth.
£•>
Lästige Nachrichten
Cavaignac und die Generale Pellieux, Gonse
und Boisdeffre erklärten sich soeben bereit, ihr
Ehrenwort zu verpfänden. Es gibt aber nie-
niand was darauf.
Bei einer Bernehmung vor dem Unter-
suchungsrichter beschwor der Oberst du Paty
de Clam, daß Dreyfus am 81. September 1898
ein geheimes Aktenstück an Deutschland aus-
geliefert habe. Die Regierung ist solidarisch
entschlossen, alle Bestrebungen, die diese Be-
kundung antasten, mit unerbittlicher Strenge
zu unterdrücken, und hat die Confiskation aller
Kalender verfügt, die den September mit 30
Tagen nngebcn, damit das arme Frankreich
endlich Ruhe habe und die Ehre seiner Armee
gerettet werde.
Die Berliner Theaterzensur hat das Wort
„lausen" verboten. Die Zensur wird aber
ihren Zweck nie erreichen, wenn sie das Wort
verbietet und die S a ch e ungestraft ihren Fort-
gang nimmt.
Tolstoi hat über Wagner gesprochen. Dessen
Kunst ist „Scheinkuust" „ohne organische Ein-
heit," „plumpste Pseudopoesie", erregt endlosen
„Ekel", zeigt „keine Spur von Musik" re. Be-
sonders hat es ihm mißfallen, wie Siegfried
im Waldiveben sich eine Flöte schnitzt und
dann sein'Horn bläst. Der russische Weise ist
bekanntlich mehr für Blech. Aber jetzt ist der
Wagnerschaden schon angerichtet. Die Aesthetik
des Russen kommt zu spät, gerade wie seine
Keuschheitsgedanken post festum kamen.
Auf dem Würzburger Universitätsgebäude
wurde unlängst eine Prometheusgruppe aus-
gestellt, welche der Prinzregent von Bayern
ausgesucht, der berühmte Komiker und Cultns-
referent Daller aber in der Kämmer als „un-
sittlich" beanstandet hat. .Wie man sagt,
wird der genannte Dalai-Lama von Obcr-
bayern sich jetzt am Bodensee ansiedeln. Er
hat diesen für den einzigen anständigen Sec
seiner Bekanntschaft erklärt, seit er in der Zeit-
ung gelesen hat, daß dort Wasser-Hosen be-
obachtet wurden.
Ein bekannter norwegischer Jrredentist
ist bei dem Versuche, keinen schwedischen
Punsch mehr zu trinken, wahnsinnig geworden.
Im Vatikan betrachtet man den Abrüstungs-
Vorschlag des Zaren als einen Eingriff in die
Rechte der Kirche. Frieden zu stiften, sei Sache
der Kirche, und wenn sie bisher nicht dazu ge-
kommen sei, so liege das daran, daß sie so
viel anderes zu thun habe.
Die Augen. Spaniens und der Türkei sind
nach England gerichtet. Dort macht man näm-
lich neuerdings wieder Versuche mit der Tele-
graphie ohne Draht, Forzeur.
Immer aktuell
„Haufen Sic das Neueste — Abriistungs-
cravatteul" —
„Meso — Abrüstungscravatten?" —
„Sie schießen nicht!" B- K_
— „Was tbut man denn mit dem Militär,
wenn abaeriistct wird?"
— „Man schickt cs einfach in Dispositionsurlaub
und es wird nur jährlich 2 mal auf je S Monate
zu Friedensübungen eiittzerufen." n
Gb die Heilsarmee auch abrüstct?
Die kurze Freude
La France: Unsere Allianz bedeutet den
Frieden!
La R u s s i e ; Za, den dauernden Mclt-
srieden!
La France (fällt in Vhnmacht).
La Russie (verwundert): Za, was mein-
ten S i e denn?
Herausgeber: Dr. GEORG IHR 1II; verantwortlicher Redakteur: F. von OST INE; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwort'ich für den Inseratentheil: G.EICHHANN; sämmtlich in München.
Druck von KNORR et HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
1898
Der Bien muß!
Ein biologisches Märchen für
Leo Tolstoi.
^dn unvordenklichen Zeiten, als der Mensch noch
&&L nicht reden konnte und überhaupt noch kein
Mensch war, da gab es unter dem uralten Kultur-
volke der Bienen eine Art Revolution. Bis dahin
hatten nämlich diese Thierchen ein Wespenhaftes
Nomadenleben geführt und ihre höchst sinnreiche
und dabei schmackhafte Ausbeutung der Blumen-
ivelt ■ nur familienweise betrieben. Nun aber
traten die stärksten und talentvollsten unter ihnen
mit weitergehenden Kunst- und Staatslehren auf:
die Vorrathskammern (welche der spätere Mensch
Waben nannte) wurden derart eonstruirt, das;
ihrer mehrere nebeneinander unter Benutzung
von Kömmunmauern bestehen konnten. Durch
diese kunstvolle Anlage wurde die lästige Wachs-
produktion vermindert, und das Zusammen-
arbeiten Aller bildete zugleich eine Versicherung
gegen Nahrungs- und Eiersorgen. Die Männ-
chen konnten nun besser, als vorher, sich der Ent-
faltung ihrer Kriegskunst gegen die zahlreichen
Honigfreunde in der übrigen Thierwelt widmen;
während die Weibchen für das.Haus und die
.Nachkommen sorgten, organisirten die Männchen
-treffliche militärische Verbände, so das; den Bären)
-den Dachsen und anderen Feinden des Bienen-
stagtes alle Lust zu räuberischen Ueberfällen
verging.
- Bor allem aber konnten nun auch die fried-
lichen Kiinste sich frei entwickeln, welche, mehr
noch als bei den Menschen, ganz wesentlich in
der stärkeren Begabung der Männer wurzelten.
Bon diesen wunderlichen Künsten können wir Uns
heute nur schwer einen Begriff machen; aber ganz
sicher, ist es, das; die Bienen damals in ihrer
Weise vorzügliche Dichter, Dekorateure und
Musikanten hatten. Freilich spielte nun auch die
Liebe mit allen-ihren Freuden und Schmerzen
eine größere Rolle; es ist nicht .zu leugnen, daß
sie viel Unglück in den Bienenherzen anrichtete,
und daß mit der Pflege der Künste, dem gestei-
gerten Wohlstand, und der Sicherheit des Er-
werbs sich (auch manche Gepflogenheiten ein-
stellten, welche mit dem früheren patriarchalischen
Leben stark- konträstirten. .
Die Zahl der Unzufriedenen, der Philister und
Reaktionäre wuchs zusehends.' Allerorten bildeten
sich Vereine zur Hebung der Moralität, an denen
sich namentlich das Weibervolk aktiv betheiligte.
Schon.von Natur boshaft, neidisch, undankbar,
lieblos,'heimtückisch, ungerecht, klatschsüchtig u.s.w.
wurden die.Bienenweibchen durch das Vereins-
leben doppelt gefährlich für die Freiheiten der
Männchen. Die bald allgemeine Entziehung des
Hausschlüssels ivar nur ein sehr unschuldiges
Symptom für die überhandnehmende Herrschaft
des Unterrocks. -
Da trat als Apostel der Sittlichkeit und ein-
fachen Lebensweise ein ehrwürdiger Bienengreis
auf, der selbst in jüngeren Jahren zu den ersten
Künstlern gehört hatte. Er hatte nun das er-
lösende Wort gefunden: „Die Künste sind es, die
uns moralisch so heruntergebracht haben. Es ist
ein Unsinn, daß die Männer sich zu Virtuosen
in all diesen überflüssigen Dingen hcranbilden;
anstatt sich der gemeinen Nothdurst des Lebens
zu widmen, schwelgen sie in Genüssen, die mit
Honig und Wachs nichts-mehr-zu thun haben.
Es' ist eine freventliche Ueberreizung der Sinne
und Nerven, ein ganz überflüssiger und gefähr-
licher Bienenwähn! Was scheren uns Talent
und Individualität, welche-ja doch .nur vorgeschützt
werden, um ihren, angeblichen Inhabern zu einem
ungebundenen, unsittlichen Lebenswandel zu ver-
helfen. Fort mit allem Kunstgnark!"
Von den Weibchen, welche — das muß man
zugestehen — die Last der gemeinen Arbeit .vor-
wiegend zu tragen und unter den Kunst- und
Liebeslaunen der Männchen viel zu leiden gehabt
' JUGEND *
hatten, wurden die neuen Lehren des Apostels
mit Enthusiasmus ausgenommen. Mau darf
nicht vergessen, daß bei den Bienen das. Weib-
chen niemals so intelligent war, wie bei den
Menschen; eine edlere „Frauenbewegung" hat es
dort niemals gegeben. Daher, und von ihrem
Mangel an Liebesbedürfniß kommt es, daß sie
keinerlei Verständniß für die höheren Bestrebungen
ihrer Männer hatten. Daß es gerade ein mit
allen Kunstwassern gewaschener, hochangcsehener
Bienengreis war, der die neue männerfeindliche
Lehre von sich gab, das kam ihnen gerade recht.
Aber sie begnügten sich nicht damit, in seine
Jeremiade einzustimmen, sondern sagten sich:
„Freiheitsdrang, Talent, Kunst, Fortschritt und
alles ähnliche dumme Zeug sind von der männ-
lichen Natur unzertrennlich; wollen wir diese
beunruhigenden Dinge los werden, so müssen
wir uns der Männer selbst entledigen." Das
war einleuchtend. So wurde denn eine regel-
rechte Verschwörung inscenirt. Den auch in der
Bienenwelt zahlreich vertretenen Pantoffelhelden
wurde ohne Weiteres daheim der Garaus ge-
macht; die übrigen, auch, die Kriegskünstler,
wurden in einer großen männermordenden Luft-
schlacht vernichtet, denn soviel auch die armen
Männlein studirt und geübt hatten, dem weib-
lichen-Giftstachel konnten sie ja schon aus an-
geborener Galanterie nicht ividcrstehen. Unter
den unrühmlich Gefallenen befand sich auch der
würdige Bienengreis; „stirb, altes Wachsgesicht,
Verächter Deiner eigenen Jugendkraft", hatte die
kleine Frau gesagt, als sie ihren reizenden Stachel
ihm in's Herz stieß.
Seit jenen Tagen datirt das .Weiberregiment
im Bienenstaate. Einmal vertraut mil 'den Prak-
tiken und der Wollust des Männermorhes, haben
die schneidigenBienimren es verstanden, die männ-
liche Brut und die Sinnlichkeit auf das zur Staats-
erhaltung absolut nothwendige Maas; herabzu-
drücken. Freie Männer giebt es überhaupt nicht
mehr, nur noch Drohnen. Sobald der Hochzeits-
flug der wohlgemästeten, jungen Königin beendet
ist — zur Vermeidung des bösen Beispiels geht
die Reise in die höchsten Lüste — werden die
armen Kerle einfach abgemurxt. Schon beim
Eierlegxn sorgt die kluge Königin dafür, daß der
Männlein nicht zu viele werden; im Uebrigen
hat sie nichts zu sagen. Kunst und Talent, In-
telligenz und Sinnlichkeit des Bienenvolkes sind
nun in ewigem Turnus darauf gerichtet, dem
Menschen seinen Frühstückshonig zu liefern; so
automatisch geht das Alles von Statten, so ohne
alle Regungen männlicher Eigenwilligkeit, daß
ein Professor auf die Idee kommen konnte, in
den Bienen nichts weiter als denkunfähige Reflex-
maschinen zu erkennen. Sie gehen denn auch
gutwillig in jede Falle, die ihnen der honig-
lüsterne Mensch stellt; und wenn.den heulenden
Weibchen das Flugloch anfangs zu klein dünkt,
dann sagt der kluge Imker: „Der Bien muß!"
Georg Hirth.
£•>
Lästige Nachrichten
Cavaignac und die Generale Pellieux, Gonse
und Boisdeffre erklärten sich soeben bereit, ihr
Ehrenwort zu verpfänden. Es gibt aber nie-
niand was darauf.
Bei einer Bernehmung vor dem Unter-
suchungsrichter beschwor der Oberst du Paty
de Clam, daß Dreyfus am 81. September 1898
ein geheimes Aktenstück an Deutschland aus-
geliefert habe. Die Regierung ist solidarisch
entschlossen, alle Bestrebungen, die diese Be-
kundung antasten, mit unerbittlicher Strenge
zu unterdrücken, und hat die Confiskation aller
Kalender verfügt, die den September mit 30
Tagen nngebcn, damit das arme Frankreich
endlich Ruhe habe und die Ehre seiner Armee
gerettet werde.
Die Berliner Theaterzensur hat das Wort
„lausen" verboten. Die Zensur wird aber
ihren Zweck nie erreichen, wenn sie das Wort
verbietet und die S a ch e ungestraft ihren Fort-
gang nimmt.
Tolstoi hat über Wagner gesprochen. Dessen
Kunst ist „Scheinkuust" „ohne organische Ein-
heit," „plumpste Pseudopoesie", erregt endlosen
„Ekel", zeigt „keine Spur von Musik" re. Be-
sonders hat es ihm mißfallen, wie Siegfried
im Waldiveben sich eine Flöte schnitzt und
dann sein'Horn bläst. Der russische Weise ist
bekanntlich mehr für Blech. Aber jetzt ist der
Wagnerschaden schon angerichtet. Die Aesthetik
des Russen kommt zu spät, gerade wie seine
Keuschheitsgedanken post festum kamen.
Auf dem Würzburger Universitätsgebäude
wurde unlängst eine Prometheusgruppe aus-
gestellt, welche der Prinzregent von Bayern
ausgesucht, der berühmte Komiker und Cultns-
referent Daller aber in der Kämmer als „un-
sittlich" beanstandet hat. .Wie man sagt,
wird der genannte Dalai-Lama von Obcr-
bayern sich jetzt am Bodensee ansiedeln. Er
hat diesen für den einzigen anständigen Sec
seiner Bekanntschaft erklärt, seit er in der Zeit-
ung gelesen hat, daß dort Wasser-Hosen be-
obachtet wurden.
Ein bekannter norwegischer Jrredentist
ist bei dem Versuche, keinen schwedischen
Punsch mehr zu trinken, wahnsinnig geworden.
Im Vatikan betrachtet man den Abrüstungs-
Vorschlag des Zaren als einen Eingriff in die
Rechte der Kirche. Frieden zu stiften, sei Sache
der Kirche, und wenn sie bisher nicht dazu ge-
kommen sei, so liege das daran, daß sie so
viel anderes zu thun habe.
Die Augen. Spaniens und der Türkei sind
nach England gerichtet. Dort macht man näm-
lich neuerdings wieder Versuche mit der Tele-
graphie ohne Draht, Forzeur.
Immer aktuell
„Haufen Sic das Neueste — Abriistungs-
cravatteul" —
„Meso — Abrüstungscravatten?" —
„Sie schießen nicht!" B- K_
— „Was tbut man denn mit dem Militär,
wenn abaeriistct wird?"
— „Man schickt cs einfach in Dispositionsurlaub
und es wird nur jährlich 2 mal auf je S Monate
zu Friedensübungen eiittzerufen." n
Gb die Heilsarmee auch abrüstct?
Die kurze Freude
La France: Unsere Allianz bedeutet den
Frieden!
La R u s s i e ; Za, den dauernden Mclt-
srieden!
La France (fällt in Vhnmacht).
La Russie (verwundert): Za, was mein-
ten S i e denn?
Herausgeber: Dr. GEORG IHR 1II; verantwortlicher Redakteur: F. von OST INE; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwort'ich für den Inseratentheil: G.EICHHANN; sämmtlich in München.
Druck von KNORR et HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.