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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 39 (24. September 1898)
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Nr. 39

J U GE KD

189S

Lin Bewunderer des Melden Henry Hut
vorgeschlagen, man solle ihm, der sich für die
Ehre des französischen Heeres den Hals ab-
schnitt, ein Denkmal errichten.

Wärecs nicht ökonomischer, damitzu warten,
bis über kurz oder lang einmal der ganze fran-
zösische Generalstab ansgehauen wird?

Der „Lclaire" wirft dem Lapiiän Drey-
fus vor, daß er „jedes seiner Worte abwiegt
und sich niemals frei gehen läßt". —
Und doch wünscht sich Dreyfus seit Jahren
nichts anderes. Dasselbe Blatt rühmt das
süperbe Llima der Tenfelsinsel. Am Lude
könnte man einen Luftkurort für' dienstlich
angegriffene französische Generälstabsoffiziere
daraus machen. Wie man Layenue die „tro-
ckene Guillotine" nennt, wäre die Tcufels-
insel dann als das „trockene Rasirin esser"
zu bezeichnen. __

Einige Halunken in der französischen Ar-
mee versprechen den Dreyfusfreunden für den
Fall, daß diese auf eine Revision des Dreyfus-
prozesses verzichten, eine andere Revision:
die des Frankfurter Friedens. Wenn sie
sich nur nicht schneiden!

Endlich liegt der berühmte Brief des
deutschen Kaisers an den unglücklichen Ex-
kapitän im Wortlaute vor. Rochefort, der
große Vorkämpfer der Wahrheit, veröffentlicht
ihn im „Intrausigeant". Der Brief lautet:

Liebes Dreyfüschen!

Wie gcht's alter Schwede? Hast wieder
spionirt? Deine letzte Sendung war großartig.
Anbei Mk. (o für Deine Bemühungen. Apro-
pos : sind nicht noch ein paar Herren ans Lurcin
Generalstab zu haben zu zivilen Preise::? Ls
soll mir auf ein paar Mark nicht ankoinmcn.
Wie wär's mit einem kommandirenden Ge-
neral, oder gar einmal einem Kriegsminister
— wenn er nicht zu theuer ist?

Und nun meine .nächsten . Aufträge: .

Erstens: brauche ich einen Stadtplän von
Paris, Mein Kricgsplau — Du weißt doch,
daß wir nur Tag und . Rächt darandenken.
Euch zu überfallen — ist der: Ich fahre mit
meiner Flotte unter dem Vorwand einer
Panzerschiffregatta durch den Kanal, biege aber
heimlich bei Havre in die Seine ein und über-
rasche eines Morgens Paris durch ein Bom-
bardeinent im Leutrum der Stadt. Aber ich
inuß einen Plan haben' wegen der Brücken!
Sei auch so gut und iniß ihre Höhe, dam:t
wir wissen, ob wir unten durchfahren können.
Es gibt einen Hauptspaß. Ich lade Dich dann
auf die Hohenzollern zu einer Portion. Sauer-
kraut. wie steht's mit den Pendulen? Habt
Ihr recht viele?

Nächstens könntest Du mir auch ein paar
von Euren schweren Geschützen schicken als
Muster ohne Werth, von jeden: Kaliber Eines,
ganz unauffällig. Dann möchte ich eine An-
sichtspostkarte aus Belfort und eine aus Nancy
haben. Meine Adresse weißt Du ja. Dann
eine Photographie Eures Präsidenten mit
sämmtlichcn (Orden. And dann das Adreß-
buch von Paris.

von Deiner letzten Sendung war uns be-
sonders der Ziegelstein, welchen Du als Probe
aus den Sperrforts-Befestigungen mitschicktest,
von Werth, weniger wissen wir mit dein
Schnitt Euerer neuen Militäruiiterhosen au-
zufangen. Das Liffelthurmmodell ist recht
nett, aber meine Buben haben schon eines in
ihrem Sxielzcugkasten.

Auf den Moulin rouge freu' ich mich jetzt
schon. Wir werden wohl unser Hauptquartier
dort einrichten. Wie ist die Stiinmung dort?
Wird man uns nett a::fi:ohn:cn?

Grüße nur den Zola und den picquart!
Und lass' Dich von Henry nicht beim Sxionircn
erwischen!

Nun leb' wohl! Ich habe heute noch eilte
umfangreiche Lorrespondenz mit meinen Spio-

nen in Rußland, England, Montenegro.
Monaco, Spanien, Portugal, Venezuela, Grie-
chenland, Liberia, der Türkei, San Marino
:>. s. w. Ich muß das Alles selber machen.
Ans die Andern kann man sich ja nie ver-
lassen. Sei froh, Dreyfüschen, daß Du nicht
zu regieren brauchst.

In aufrichtigster Hochachtung u. Werthschätzung
Dein Freund und Auftraggeber

W. '

l. R.

P. S. Ein Detail, das Dich interessiren
wird: Wir richten jetzt Millionen von Maul-

würfen ab, die Eure Sperrforts untergraben
sollen. Es wird großartig. Schicke mir doch
schleunigst ein Modell Eurer Mäusefallen,
daunt wir uns vorseheu können. Bismarck
läßt grüßen.

Er und Sie

Mit Brot und Wurst ist nichts gethan,
Der Mensch braucht geistiges Manna:
Drum schrieb denIohannes der Sudermann
Und Björnson schrieb die Johanna.

Und als sie noch fleißig dichteten dran,
Rief Alles schon Hosiannah:

Dem Björnson wie dem Sudermann,
Dem Johannes, wie der Johanna.

Und voller Begierde stürzte man
Wie einstens auf Aola's Nana
Auf den Johannes von Sudermann,

Auf Björnson seine Johanna.

Doch sang- und klanglos schlich alsdann
Lin Pärchen nach Nirwana,

Es hieß Björn-Björnson-Sudermann,
Johannes und Johanna. A. Mo.

Herausgeber: Dr. GEORG HIRIH; verantwortlicher Redakteur: F. von ÖSTINI; G. HIRTIi’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN; sämmtlioh in München

Druck von KNORR & FIIRTH, Ges. in. bcschr. Haftung in München.

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