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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 40 (1. Oktober 1898)
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N r. 40

JUGEND

1398

Der Wächter der Küste

Mit dem Panzer, mit dem Speere
Und der Armbrust fiir die Ferne
Wandelt er am weiten Meere,

Wacht und späht — und müht sich gerne.
Und des Greises Blick, vergraben,
Ruht auf Dorf und Burggemäuer —
Neben ihm die Hirtenknaben
Spielen um ein Reisigfeuer.

Und sie fragen: Meister, sage,

Was bewachst Du diese Kiiste?

Warum blickst Du Jahr und Tage
Auf die dunkle Wasserwüste?

Niemals kam auf Wellenwegen
Je ein fremdes Schiff geschwommen,
Diese Bucht, so tief entlegen,

Niemals sah sie Feinde kommen.

Sprach der Greis: Vor langen Jahren —
Ich war Kind, so wie ihr heute —
Kamen über’s Meer Barbaren,

Voller Durst nach Blut und Beute.
Unsre Jugend ward erschlagen,

Und sie raubten unsre Frauen —

In den jammervollen Tagen

Sank das Dorf in Feuers Grauen! —

Lasst nur eure Ziegen grasen,

All die rothen, buntgefleckten.

Lasst die wilden Pferde rasen,

Diese scheuen, leichterschreckten . . .
Jene, ohne Spur entschwunden,
Könnten ungeahnt erscheinen —

Und im Schmerze neuer Wunden
Müssten unsre Augen weinen.

Darum will ich auf die Brandung
Bis zu meinem Tode schauen.

Darf in eiserner Gewandung
Nicht dem reinsten Tage trauen —
Und mit ihm, der euch beschieden.
Mögt ihr Kinder — Greise werden:
Selig, selig ist der FRIEDEN! —
Weidet, weidet eure Heerden.

Fr. Früh, von Khaynach.

Allerhand Riebe

Die jungen Leute

jungen Leute auf der Promenade, die
die Lindenallee hinabgehen im lebendigen,
fröhlich wechselnden Licht- und Schattenspiel
der schönen FrühlingssonneI —

(2s ist nach der Schule.

Die tserren Secnndancr und Primaner in
ihren Jaquettanzügen, schneidig und kork mit
ihren kleinen bunten Mützen, ihre Bücher
unterm Arm; und die Selectanerinnen mit
ihren Mappen, in ihren lichten luftigen Kleidern,
mit Schleifen, Bändern, Zöpfen, Stirnlöckchen,
Hellen Strohhüten und frischen Gesichtern I —
Die jungen Damen trotten Arm in Arm, die
Gesichter schelmisch-züchtig halb geneigt, lächelnd,
in der Unterhaltung grade vor sich hinflüsternd,
kichernd; ab und zu wendet sich wohl auch mal
ein Gesicht für einen flüchtigen Augenblick zur
Seite oder halb rückwärts, mit einem Ausdruck,
der hochmüthig-gleichgiltig sein soll. —

Die jungen lhcrrcn hinterher. Aber cs
versteht sich, daß sie sich männlich freier be-
nehmen. Sie lachen sehr viel und reden in
einer markirten Art, die hier und da etwas
Gespreiztes hat, natürlich alles mit Bezug auf
das voranschreitende schöne Geschlecht, ein Be-
zug, der freilich oft nur in der erhobenen
Stimme und in diesen! markirten Lachen zum
Ausdruck gelangt, das zuweilen noch im Stimm-
wechsel zu sein scheint, halb sich über sich selbst
belustigt und voll lauter Ausgelassenheit ist
über den eigenen — Wagemnth. —

Einige Schwerenöther aber stolziren neben
den „Damen" einher, sind schon „diesbezüg-
licher" und drechseln die wunderschönsten Redens-
arten und Eomplimcute, die zwar noch ein
wenig schlackerig sind wie die jungen Kälber,
im übrigen aber, was natürlich die lhauptsache
ist, mit dem betreffenden Kichern gewürdigt
und als besonders geistreich quittirt worden.

Es geschieht aber wohl auch, daß ein auf-
munternd schnippisch Wörtlein herüberkommt.

— Und dies plötzliche Aufblitzen der.Augen!

— Die kleinen Rackerl —

Aber wie köstlich naiv es noch alles sagt!

— Wie wenig es noch verschweigen kann! —
Kindliche Freude am Spiel halb, Halb Furcht
wie wegen einer Handlung, die sich noch nicht

schickt. — Und dies Sichgeschmeichcltfühlen:
man sieht ordentlich, wie das Herzchen höher
klopft. — Dieses Avancenmachen I — Und
der herbfrische Reiz, die frische Natürlichkeit
dieser Loquctterieen l Dieses Auslachon, dieses,
man möchte sagen, eckige Auflachen, das noch
dreiviertel Verlegenheit ist, weil nian's eben
nun mal noch nicht so recht „los hat." —
Und alles noch wie ein halbes Verwundern
über den ersten, leise erwachenden Ernst. —

Die Liebkosung

waren beieinander, eine fröhliche
Abendgesellschaft. — Lauter lustige, junge
Leute, Damen und Herren. —

Auf der Terrasse saßen sie an weiß ge-
deckter Tafel in dem schönen Sommerabend
mitten in de» Farben und Düften einer üppigen
Blumenfülle. In zierlichen Kelchen funkelte
blntrothcr und bernsteingelber Griechenweiu.
Und alles war Lachen, Gesang, heiteres geist-
belebtes Gespräch und festliche Fröhlichkeit.

Ueber der weiten Parkwiese und den hohen
Mipfelkronen stand schon der Mond mitten
im klaren Himmel, wirkte seinen Glast in die
Dünste der Miese, kräuselte Helle Lichter in
das kaubdunkel und ließ die weißen Leiber
der Marniorgottheiten aus der Ahornallee
Herüberschimmern.

Der hübsche kleine Baron, der Jüngste der
Gesellschaft, saß neben der schönen Lon, der
schönsten von all den schönen Damen.

Die ganze Zeit über hatte er nur immer so
stumm neben ihr gesessen und hatte auf ihre
runde tiefe Stimme und ihr üppiges Lachen ge-
hört, und seine Blicke hatten an ihren großen,
strahlenden Augen gehaftet. Denn alles an ihr
war Rausch und Leben und Schönheit. —

Wie er sie liebte! . . .

Der Mein sing an, seine Wirkung zu üben,
und die Fröhlichkeit wurde lauter und aus-
gelassener. —■ Er hatte kaum getrunken, so ganz
war er in ihrem Bann.

Aber nun wurde die schöne Lou ungeduldig,
weil er so gar nichts sagte, und im Rausch
ihres Uebermuthes schlang sie ihre runden Arnie
um den hübschen kleinen Baron und zog seinen
Kopf lachend gegen ihre heiß-athmende duftige
Brust, während ihre Hand ihn liebkoste.

Der kleine Baron hielt höflich ganz still.
Aber er war todtblaß geworden und eiskalt

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Register
Johannes Schlaf: Allerhand Liebe
Max Feldbauer: Zeichnung zum Gedicht "Der Wächter der Küste"
Friedrich Frh. v. Khaynach: Der Wächter der Küste
 
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