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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI issue:
Nr. 43 (22. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0301

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1898

München, 11. Oktober

Eine Ehrenpflicht

In einer Versammlung des Bundes der Land-
wirthe sang vor einiger Zeit den Berichten zn-
solge ein Redner ein Loblied ans die „Grvß-
thaken des Adels "und führte als Zeugen auch
die Herren von Schiller und von Goethe am
Da ja diese beiden Herren immerhin schon
ganz brave Dichter waren, als sie die Gnade
ihrer Landesfürsten mit einem „von" beglückte,
könnte vielleicht durch eine Posthume Nobilisirung
mit gleichem Recht noch eine größere Anzahl deut-
scher Geistesherven für den Adel gewonnen wer-
den, ganz so, wie der Papst besonders verdienst-
volle verstorbene Katholiken von Zeit zu Zeit in
den Stand der Heiligen, der „Edelsten des Para-
dieses" erhebt. Auch Wappen müssen den Leu-
ten verliehen werden und schöner klingende Na-
men. So könnte Schiller einen Handschuh tut
Wappen führen und Friedrich Edler von
Schiller — v vn der Glock' heißen. Sein gro-
ßer Partner in Apoll verdient schon eine nenn-
zackigc Krone und ein Wappen, in dem etwa eine
„Faust", ein „Haideröslein", ein „griechisches Ca-
pital" und eine „Goldorange" auf die verschied-
enen Seiten seines Genius Hinweisen. Sein Name
würde dann vielleicht lauten: G r a f W o l f g n n g
G o e t h c v o 11 S c s e n h e i m - B l o ck s b e r g - 8N ti-
senbacb. Lessing, der sich auch noch immer
in den Tiefen der Bürgerlichkeit herumtreibt,
würde als Lessing Ritter von Nathan-
sohn mit drei Ringen im Wappen ebenfalls eine
bessere Figur machen, desgleichen der Dichter der
„Loreley" als Heinrich Heine von derDüs-
sel; sein Wappen hat sich der Letztere ja selbst
schon ausgesucht: die „lachende Thräne."

Anstandshalber müßte auch Martin Luther
dem Adel einverleibt werden und verdiente minde-
stens einen „Ritter von der Wartburg,"und
ein Teufel, dem just ein Tintenfaß an den Kopf
fliegt, würde in seinem Wappen keine üble Figur
uiachen. Ein Richard Wagner müßte wohl auch
seinen entsetzlich bürgerlichen Namen ganz ob-
legen und für ihn schlagen wir den Titel eines
Grafen von Wahnsried-Niflheim-Wal-
hall vor: als Wappen würden wir ihm ein
schwarzes Roß auf waberlohefarbigem Grund
geben und Rabcnflügcl als Helmzier.

AuchJohannes Gutlenberg hat der Welt
so Großes gethan, wie es von Rechtswegen nur
einem Adeligen zu thuen zukommt. Gebt ihm den
Winkelhaken ins Wappen und den Titel eines
Freiherrn von Satzberg auf Druckstetn!
Dem Wolfgang Amadäus aber Verleiht die
Würde eines Edlen vonMozart-Almaviva-
Sarastro, dem Ludwig vanBeethoven gebt
zum Wenigsten statt seines werthlosett holländ-
ischen vnti ein vollwichtiges von! Alles mit den
entsprechenden Wappenthieren!

Ein Dürer muß ntindestens baronisirt wer-
den. Schade, daß er sich sein Wappen nicht mehr
selber zeichnen kann, er hätte das ganz nett ge-
macht! Der Freiherr Arnold von Böcklin-
Mecrsburg, Ritter auf Nixenwald-Fabel-
stein mit den sieben Regenbogenfarben tut Wap-
pen würde sich doch ganz anders machen, als der
einfache Maler Arnold Böcklin.
ll. s. w. n. s. f.

Nicht zu vergessen den Berthold Schwarz,
der das Pulver erfunden hat! sjoMiis.

Der Brief des General Lambert

Der General Schafkoppcn
Har, in einem frechen, saloppen
Brief, um die Welt zu foppen,
Beschimpft den Schwarzkoppen.

Sie sollten solchen Trappen
Mit einem tüchtigen Proppen
Das Maul stoppen,

Sonst werden wir ihnen die Joppen
Noch mal verkloppen. .

. JUGEND .

Probatum est!

Nibelungenstrophen des (Oberlehrers
Ambrosius Fuchser.

Uns ward in diesen Tagen verheißungsvolle Atär.
von einem mitteldeutschen Gymnasium kam sie her.
von Serta bis zur prima jedweder Tadel soll,
Den sich ein Schüler zuzog, geschrieben werden in

ein Protokoll.

Zum Beispiel, wenn in Serta ein Kind so ruch-
los war,

Lin andres Kind zu zupfen am Dhre oder Haar,
vielleicht es gar zu piksen im dicksten Theil des Beins,
So nimmt der Lehrer Leder und Protokoll her
und notirt ihm eins.

Dort ble.bt nun bis zum Abgang das schnöde
Schandmal steh'n,

Und all und jedes — wa'r's auch das winzigste

vergeh'n —

Trägt man mit echter Tinte in diese Blätter ein.
sDas Buch muß selbstverständlich zu diesem Zweck
ein ziemlich dickes sein!)

Steht nun der bange Füngling im Abiturium,

So wendet der Herr Schulrath blos diese Blätter um.
Nicht fürchtet ihn der Lromme — den Bösen

trifft sein fluch:

Des prüffings ganze Seele, sie liegt ja offen vor
ihm wie ein Buch!

D Heil der neuen Schule, die Londuiten schreibt.
Daß auch der kleinste Fehler nicht ungeahndet bleibt!
Hält' s o man Bonapartc traktirt von Anfang an,
Lr war' vielleicht geworden ein tüchtiger und

ordentlicher Mann.

EOS.

ht

Lustige Nachrichten

Die Patres Serviten in Innsbruck
sind Hausbesitzer. Versehentlich hatte inan
zwei Schauspieler in ihre. Häuser anfge-
nommen; als die Patres das hörten, ließen
sic ihnen sofort kündigen. Die Rivalität ist
eben nirgends größer als beim Theater.

Wie die Blätter berichten, wird der Minister
v. d. Recke demnächst in einem vertraulichen
Erlaß die Polizeipräsidenten anweisen, daß bei
ausbleibendem Applaus' gegenüber .Knackfuß-
schen Bildern utld Lanff'schen Dramen auf

das Theater- und Museenpublikum sofort mit
scharfer Klinge einzuhauen utld nach bcm ersten
faulen Apfelwurf scharf zu schießen sei.

Johannes Schlaf hat sich darüber ge-
wundert, daß seine Stücke nicht aufgcführt
werden. Johannes Schlaf hat eben vergessen,
daß, so lange zugkräftige Stücke vorhanden
sind, doch nicht der geringste Grund vorliegt,
neue aufzuführen, und daß, so lange die ein-
geführten Atltoren den Bedarf • decken können,
doch kein Anlaß gegeben ist, neue anzustellen

Berlin, den 15. Oktober Nachts 11 Uhr
20 Minuten. Eine ungeheure Unruhe hat sich
der Bevölkerung bemächtigt; das gesannnte
Militär ist in den Kasernen konsignirt. Man
glaubt, das etwas Unerhörtes und Furchtbares
bevorstehe, da in den letzten 6 Minuten keine
neue Zeitschrift ersch ienen ist.

Der unwiderstehliche Held und Liebhaber
Aribert Briillowsky kehrt.soeben von einer
Tournee durch das Gebiet der Mab und a-
Marutse-Völker zurück. Der große Künstler
erntete für seine Leistungen zwei Schiffsladungen
voll Elfenbein und ein volles Verständniß.

Die nächste Nordpolexpedition dürfte
besonderen Erfolg versprechen, da sie unter
Mitwirkung des berühmten Tenoristen Läppel-
süß stattfindet. Sobald das Schiff im Eise
festsitzt, wird Herr Läppelsüß die Arie des
Oktavio ans dem „Don Juan":

„Derrähnen wom Wrahoindä

g äderrohohoh oh oh o cknäd"
mit seiner unvergleichlich schmelzenden
Stimme singen, worauf nach seiner ltcbcrzeug-
uug die Eismassen zerfließen werden.

Von Reichswegen ist eine Kommission zur
Berathnug des Urheberrechts einbernfen worden.
Urheber sind die Lente, die den geistigen Besitz
einer Nation schaffen. In der Kommission be-
fiudeir sich darum keiir Komponist, kein Maler
oder Bildhauer oder sonstiger bildender Künstler,
zivei Schriftsteller und ca. ein Dutzend Verleger
und Agenten. Diese Zusammensetzung wird
überall gerechte Entrüstung erregen. Was sollen
die zwei Schriftsteller dal Die können doch
nur stören!

In „Schillcr's Werken", Ausgabe in einem
Bande, herausgcgeben von I. G. Fischer, so-
eben erschienen bei der Deutschen Verlagsanstalt
in Stuttgart, findet sich auf Seite 67 in
„Kassandra" folgender Druckfehler:

„Selig preis ich Polyxenen
In des Herzens trunknem Wahn,

Denn die besten der Hellenen
Hofft sie bräutlich zu umfahn."

Aber Fräulein Kassandra!

Derw Bjö'rnsons Woche

Montag, 5. Oktober. Der Dichter Björn-
stjerne Björnfon hat an Mac Linley
einen offenen Brief gerichtet, in welchem er
ein änglo-amerikanisches Bündniß ver-
langt.

Dienstag, 4. Oktober. Der Dichter Björn-
stjerne Björnson richtet an den deutschen
Reichskanzler die Aufforderung, endlich

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Index
Ki-Ki-Ki: Herrn Björnsons Woche
Nobilis: Eine Ehrenpflicht
Dick: Der Brief des General Lambert
Eos: Probatum est!
[nicht signierter Beitrag]: Lustige Nachrichten
Julius Diez: Zeichnung ohne Titel
 
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