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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 46 (12. November 1898)
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Nr. 40

JUGEND

1898

Die BonapartisteN sind in ihrer Mehrzahl
mehr für den Prinzen Louis Napoleon als
für den Prinzen Victor Napoleon einge-
nommen. Auch Deroulsde, der große Dichter,
hat sich für ersteren entschieden, treu seinem
längst bewährten Grundsätze: „Es soll der
Sänger mit dem Louis gehen."

Die deutscheste .Stadt ist jetzt gefunden; es
ist Wohlau in Nicderschlcsien. Ein armer
wandernder Thcatcrdirektor hat nämlich in
einem Appell an die. Wohlaucr erklärt, daß
er noch nirgends so wenig Interesse für die
dramatische Kunst gefunden habe wie bei ihnen.

Unsere gefälligen deutschen Blätter bringen
schon wieder einen langen Reklameartikel für
den Maestro Mascagni. Es wird erzählt,
daß der Maestro Verdi besucht und etwas
Nichtssagendes mit ihm gesprochen hat. Nach
diesem neuen Reklamemanöver des Maestros
wird man kaum noch daran zweifeln dürfen,
daß wir wieder am Vorabend einer furcht-
baren Katastrophe stehen. So pflegen sich
Kompositionen des Maestros anzukündigen.

Es ist ein schwacher Trost, daß es vielleicht
bei einem Akte bleibt.

In Saargemünd hat das Schöffengericht
einen Pfarrer zu 100 Mark Strafe verurtheilt,
weil er eine ihm mißliebige Lehrcrsfran wieder-
holt mit dem Weihwedel aus Bosheit so an-
spritzte, daß sie durchnäßt war. Preisfrage:
Wie viel Jahre würde ein „Ungläubiger" be-
kommen/der in ebenso freigiebiger Weise mit
dem Weihwasser umginge?

In Chicago gab ein vielfacher Millionär
für das Hochzeitsfest seiner Tochter eine halbe
Million ans. DieserKostennufwand warnöthig,
um den Bräutigam so betrunken zu machen,
daß er bei der Trauung „Ja" sagte.

St. Zykophantes

„Eheu!" rief Bischof Horum,

„Dieser Professor Schnell
verletzt uns das Dekorum
Und scheint mir viel zu hclll

Gar unchrcrbictig thut er
Und, macht man ihn nicht klein,

Ersteht uns ein zweiter Luther
3u Würzburg an dem Main!

Er thut sich schrecklich crdreusten,

Die Dummheit bekämpft er keck —

Ich aber spur' in den Fäusten
'ncn zweiten Doktor Eck!

Drum reu'n mich keine Spesen,

Ich fahre zum Papst nach Rom,

Sonst schlägt mir der seine Thesen
Lkoch an am Trierer DomI

Er bringt, wenn ich bald nicht ad hoc mir
Den nöthigcn Bannstrahl »erschuf,

Am End' noch den „heiligen Rock" mir
In Mißkredit und Verruf.

Drum will ich als Denunziant es
Verhindern um jeden Preis —

O heiliger Sykophantcs,

Gescgne mir die Aeis'I

Es schwindet der Menschheit gänzlich
Des wahren Glaubens Licht,

Wcnn's nicht bald wieder brenzlich
Nach Scheiterhaufen riecht!

Wir brauchen was zum Braten,

Wir brauchen was für die Tortur,
Sonst spucken die Illuminatcn
Zu frech uns auf die Tonsur!

Ich will die Hcrlc schon lehren,
Ungläubige Hetzer zu sein!

Ich bring sie wieder zu Ehren,

Die Pfaffengass' am RheinI"

So sprach der Bischof Horum
Und schmunzelte orthodop
In Augusta Trevirorum,

Der Stadt des heiligen Rocks!

Ki-Ki-IU.

MUarchand's
®r ging spazieren
Ganz ohne Ziel,

Ganz ohne Auftrag
Kam er zum Nil.

Ls kroch am Wege
Lin Krokodil,

Und diesem folgend
Kam er zum Nil.

weil ihm das Wasser
So wohl gefiel,

Lrgriff Befih er
Vom Land am Nil.

ßHpaziergang
Zn aller Unschuld
Und halb im Spiel —
Lr wußte gar nicht,
Lr sei am Nil.

Als ihm die Kunde
Vom Himmel fiel,

Da war's geschehen,
Lr blieb am Nil.

Verwundert drob Luch
Nicht allzu viel,

Nil admirari

Lernt man am Nil.

J- w.

Herausgeber: br GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN; sämmtlich in München,

Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
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Hans Rossmann: Titelbild
 
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