Nr. 51
JUGEND
1898
Lin Freudentag!
von Otto Ernst.
Jaja, ich Hab mir 'ne pfeife gekauft,
Line Tabakspfeife von Thon!
Ja, Weibchen, ja: der „Dekonomie"
Und aller Vernunft zum Hohn!
Haha, ich Hab mir 'ne pfeife gekauft,
Sine stattliche Pfeife von Thon,
wie sie Mynheer van Holland raucht,
Der reiche Auckerbaron!
ja lache nur, Weib, Du hast ganz recht:
jch rauch' überhaupt keine Pfeif';
Doch weil ich so überglücklich war,
So mußt' ich sie kaufen: begreif'!
Daß unser junge nun wieder gesund,
Das machte mich wunderfroh!
Und bin ich vergnügt, so kauf' ich was,
Ganz einerlei was und wo.
Und bin ich vergnügt, so verschwend'
ich was,
Leichtsinnig, w>e ich nun bin.
So bin ich geboren, so sterb' ich einst.
So leb' ich inzwischen dahin.
Und siehst Du: so Hab ich diepfeifegekaust;
jst sie nicht schön und lang?
jch gab, bei Gott, eine Mark dafür,
Lin Markstück rund und blank!
Die pfeif' in der Hand, so schlendert' ich hin
Und sang und summte beglückt.
Die Spießer glotzten und stießen sich an,
Und grinsten: „Der ist verrückt!"
Und wenn Du, mein Liebchen, dasselbe
jch stell' es Dir gänzlich frei.
jch Hab meine pfeife von feinstem Thon;
Da junge, schmeiß sie entzwei!
wie
der Teufel den Gla holen wollte
Von Alfred af lse den stj e rna.
(v"^s hatte Anfangs keine Gefahr mit dem
Gla in Kirchdorf. Er war fleißig und
tüchtig, und was die Ehrlichkeit aubetrifft,
nahm er es damit gerade so genau, als es
rin Bauer in diesen Zeiten thun kann; das
heißt, er ging nachts nicht etwa aus und
schaffte einen ^aferhocken vom Acker des Nach-
bars auf seinen eignen, aber freilich band er
es dem Käufer auch nicht gerade auf die Nase,
daß die Mutterftute ein Krippenbeißer war,
wenn er auf dem jahrmarkte stand und seine
Zugthiere verhandelte, und er nahm es auch
nicht so genau, wenn er einmal aus dem
Fischteich des Küsters einen Zug that, wenn
inan gerade in stiller Nacht beim Fang war.
Als aber Gla alt wurde und hinfällig
und ihm die Gicht zusetzto, begann er so ab
und zu einen „Doppelten" ans dem Wand-
schrank zu nehmen, um den Schmerz zu lindern
und sich zu erwärmen, und als die Gicht und
die Kälte schlimmer und schlimmer wurden,
ging so ein Viertelchen oder auch noch eines
am Tage d'rauf.
Das linderte ja die Schmerzen, und wärmen
that es auch, die Goodtemplcr mögen sagen,
was sie wollen, aber es „hob" auch die
Stimmung Gla's, fodaß seine Frau bisweilen
eine „watsche" bekam und die alte Mähre rein
geschunden wurde von all' den Schlägen, wenn
Gla an den Markttagsabendcn von der Stadt
heimfuhr. Unter besseren Leuten wird der-
gleichen „mißlaunige Werktagsstimmung" ge-
nannt, in feineren Schichten könnte es heißen
„wahrnehmbare Disharmonieen im Saitenspiel
der Seele", aber die Nachbarn und kfausleute
sagten ganz einfach, „Gla führt ein Teufels-
leben."
Er stieß die Magd, er zankte sich mit dem
Gemeindevorsteher, er zerrte seine Frau sogar
am Weihnachtsabend in der Stube an den
Haaren herum, und der Teufel mußte ihm
behilflich gewesen sein, daß er zu entdecken
vermochte, daß in der Kirchenkasse S000 Reichs-
thaler fehlten, und sein eigener Seelsorger
beinahe um sein Amt gekommen wäre.
Und er rrank so, daß die Fliegen mitten im
januar begannen, sich auf seine Nase zu setzen,
und eine kleine Ratte kroch bisweilen auf den
Glasrand hinauf und nickte: „Prosit!"
Er wohnte dicht beim Kirchhof und stol-
perte bisweilen betrunken und im Dusel über
die Gräber, und wenn er dann auf einein
Kreuze las: „die und die Großbäurin" und
„der oder der Kirchenvocsteher," fluchte er so auf
die seligen Todten, sie hätten ihm ein Bein
gesetzt, daß man bis tief in die Seele erschauerte.
Aber in einer Sommernacht, als Gla wie-
der den Todtenackcr xassirte, mit seinen drei
Guart innerlich und großen Lchmklumpcn
auf dcr jacke, erblickte er eine entsetzlich schauer-
liche Erscheinung, sodaß sein Herz eine ganze
weile zu schlagen aufhörte und die schmierige
Mütze sich förmlich von den grauen Haaren
des alten Sünders emporhob — da diese so
in die Höhe stiegen, wie die Schwanzhaare
einer Katze, die sich irgendwie in ihren Rech-
ten gekränkt fühlt.
Um das Grab des Gerichtsbeisitzers in
Kirchdorf schwebten drei weiße Gespenster, und
daß es nichts Anderes war, konnte man deut-
lich daraus ersehen, daß Flammen aus ihren
Hälsen emporschlugou, sodaß es wohl richtige
Höllenboten waren, und sie hatten Feuer in
den känden, das hin- und herflammte.
Kalter Schweiß rann an Gla's Körper in
kleinen Bächen herab, wie er da in die Kniee
E. Ewerbeck (München).
JTbend-JIkt
gesunken, auf einem Grabe mit gefalteten:
fänden lag und seufzte: „Gott sei mir armen
Sünder gnädig!"
Der Gerichtsbeisitzer war wahrlich ber
Lebzeiten auch kein musterhaftes Mutterkind
gewesen, und nun hatte der alte Gottseibeiuns-
offenbar seine Leute geschickt, um seinen sünd-
igen Körper in ihre Gbhut zu nehmen. Plötz
lich blickten die Gespenster nach dorthin, wo
Dia lag, und er hörte, wie der eine von ihnen:
flüsterte: „Sieh, da liegt Gla von Kirchdorf!"'
„Den holt der Teufel wohl auch bald mib
Haut und Haaren", erwiderte der Andere.
Mit einet» Schrei der Verzweiflung fuhr
Gla auf und schwankte auf seinen vor Todes-
angst zitternden Beinen heim.
Die Frau lag im Bett und war auf ein
paar tüchtige Hiebe gefaßt, als aber Gla, statt:
dessen mit bebender Stimme sagte:
„Mi . . . i . . . llste wohl so gut sind, <r
biskcu weder nach de wand tau rücke!" wurde
ihr doch Angst und sie schrie:
„Herrje, wat fehlt Dich, Gla, daß De so
bcschieden red'st? Du bist doch woll nich
krank? willst',! Schnaps?"
„Niemals konrmt mich mehr een Troxpen
Stärket über meene Lippen. Zerschlag' gleich-
det Deibelsbiest", — meinte Gla.
Das that nun die Frau zwar nicht, denn
auch der Branntwein ist in jedem Fall eine
Gottesgabe, wenn man ihn richtig gebraucht
und ein Heilmittel für Menschen und Vieh;,
aber sie setzte die Flasche auf dem Boden in
einen leeren Bienenkorb und bedeckte sie mit
Fellen. Als sie dann wieder kam, hatte Gla-
das „Vater unser" und „den Segen" herunter-
geleiert und plagte sich mit einem „Gott gieb
uns unsres Leibes Nothdurft . . ."
wenn man nicht das Auswendiglernen der
kleinen Kinder für die Religionsstunden mit-
rechnet, warGottes Wort in Kirchdorf seit sieben
jahren nicht so viel gebraucht worden, wie es
nun in einer eitizigen Nacht angewandt wurde.
Am Morgen stand Gla früh auf und
wusch sich von oben bis unten. Es war lange
her seit dem letzten Mal, sodaß er drei Mal,
das Wasser wechseln mußte, während er sich
ankleidete, kam der älteste Sohn und rief:
„De verdammte Gchse häwe de Krippe-
stäude 'rumgcrisse . . ."
„Hst — jung'! Du därfst den Bösen nich
nenne, aber ooch Gottes Name därfste nich
mißbrauche," sagte der Gla.
Der junge sperrte den Mund auf, als
wollte er ihn entzweireißen, und flüsterte der
Mutter zu: „js he vielleicht krank? Soll eck
tan'm Dokter fahre?"
Die Mutter erwiderte schluchzend:
„jo, Andersche, et steiht nimmer rächt
mit'm Voder, He will keenen Branntwin nich
bäwen, un he schimxt nich uff mi den ganzen
Mo'gen. Aber da nitzt keen Dokter nischt.
Sin Tid is woll gekümme!"
Als der Gla fertig war, ging er in den
Keller hinunter. Dort hing ein frisch-
ocschlachtetes Kalb. Gla nahm das halbe
Kalb und einen großen Käse und dann machte
er sich, schwer beladen, auf den weg zum
pfarrhof. ,Der Pfarrer bekam Angst, als er
ihn erblickte, und wußte es so einzurichten,
daß sie den großen Eßtisch zwischen sich hatten,
als sie miteinander sprachen.
8s4
JUGEND
1898
Lin Freudentag!
von Otto Ernst.
Jaja, ich Hab mir 'ne pfeife gekauft,
Line Tabakspfeife von Thon!
Ja, Weibchen, ja: der „Dekonomie"
Und aller Vernunft zum Hohn!
Haha, ich Hab mir 'ne pfeife gekauft,
Sine stattliche Pfeife von Thon,
wie sie Mynheer van Holland raucht,
Der reiche Auckerbaron!
ja lache nur, Weib, Du hast ganz recht:
jch rauch' überhaupt keine Pfeif';
Doch weil ich so überglücklich war,
So mußt' ich sie kaufen: begreif'!
Daß unser junge nun wieder gesund,
Das machte mich wunderfroh!
Und bin ich vergnügt, so kauf' ich was,
Ganz einerlei was und wo.
Und bin ich vergnügt, so verschwend'
ich was,
Leichtsinnig, w>e ich nun bin.
So bin ich geboren, so sterb' ich einst.
So leb' ich inzwischen dahin.
Und siehst Du: so Hab ich diepfeifegekaust;
jst sie nicht schön und lang?
jch gab, bei Gott, eine Mark dafür,
Lin Markstück rund und blank!
Die pfeif' in der Hand, so schlendert' ich hin
Und sang und summte beglückt.
Die Spießer glotzten und stießen sich an,
Und grinsten: „Der ist verrückt!"
Und wenn Du, mein Liebchen, dasselbe
jch stell' es Dir gänzlich frei.
jch Hab meine pfeife von feinstem Thon;
Da junge, schmeiß sie entzwei!
wie
der Teufel den Gla holen wollte
Von Alfred af lse den stj e rna.
(v"^s hatte Anfangs keine Gefahr mit dem
Gla in Kirchdorf. Er war fleißig und
tüchtig, und was die Ehrlichkeit aubetrifft,
nahm er es damit gerade so genau, als es
rin Bauer in diesen Zeiten thun kann; das
heißt, er ging nachts nicht etwa aus und
schaffte einen ^aferhocken vom Acker des Nach-
bars auf seinen eignen, aber freilich band er
es dem Käufer auch nicht gerade auf die Nase,
daß die Mutterftute ein Krippenbeißer war,
wenn er auf dem jahrmarkte stand und seine
Zugthiere verhandelte, und er nahm es auch
nicht so genau, wenn er einmal aus dem
Fischteich des Küsters einen Zug that, wenn
inan gerade in stiller Nacht beim Fang war.
Als aber Gla alt wurde und hinfällig
und ihm die Gicht zusetzto, begann er so ab
und zu einen „Doppelten" ans dem Wand-
schrank zu nehmen, um den Schmerz zu lindern
und sich zu erwärmen, und als die Gicht und
die Kälte schlimmer und schlimmer wurden,
ging so ein Viertelchen oder auch noch eines
am Tage d'rauf.
Das linderte ja die Schmerzen, und wärmen
that es auch, die Goodtemplcr mögen sagen,
was sie wollen, aber es „hob" auch die
Stimmung Gla's, fodaß seine Frau bisweilen
eine „watsche" bekam und die alte Mähre rein
geschunden wurde von all' den Schlägen, wenn
Gla an den Markttagsabendcn von der Stadt
heimfuhr. Unter besseren Leuten wird der-
gleichen „mißlaunige Werktagsstimmung" ge-
nannt, in feineren Schichten könnte es heißen
„wahrnehmbare Disharmonieen im Saitenspiel
der Seele", aber die Nachbarn und kfausleute
sagten ganz einfach, „Gla führt ein Teufels-
leben."
Er stieß die Magd, er zankte sich mit dem
Gemeindevorsteher, er zerrte seine Frau sogar
am Weihnachtsabend in der Stube an den
Haaren herum, und der Teufel mußte ihm
behilflich gewesen sein, daß er zu entdecken
vermochte, daß in der Kirchenkasse S000 Reichs-
thaler fehlten, und sein eigener Seelsorger
beinahe um sein Amt gekommen wäre.
Und er rrank so, daß die Fliegen mitten im
januar begannen, sich auf seine Nase zu setzen,
und eine kleine Ratte kroch bisweilen auf den
Glasrand hinauf und nickte: „Prosit!"
Er wohnte dicht beim Kirchhof und stol-
perte bisweilen betrunken und im Dusel über
die Gräber, und wenn er dann auf einein
Kreuze las: „die und die Großbäurin" und
„der oder der Kirchenvocsteher," fluchte er so auf
die seligen Todten, sie hätten ihm ein Bein
gesetzt, daß man bis tief in die Seele erschauerte.
Aber in einer Sommernacht, als Gla wie-
der den Todtenackcr xassirte, mit seinen drei
Guart innerlich und großen Lchmklumpcn
auf dcr jacke, erblickte er eine entsetzlich schauer-
liche Erscheinung, sodaß sein Herz eine ganze
weile zu schlagen aufhörte und die schmierige
Mütze sich förmlich von den grauen Haaren
des alten Sünders emporhob — da diese so
in die Höhe stiegen, wie die Schwanzhaare
einer Katze, die sich irgendwie in ihren Rech-
ten gekränkt fühlt.
Um das Grab des Gerichtsbeisitzers in
Kirchdorf schwebten drei weiße Gespenster, und
daß es nichts Anderes war, konnte man deut-
lich daraus ersehen, daß Flammen aus ihren
Hälsen emporschlugou, sodaß es wohl richtige
Höllenboten waren, und sie hatten Feuer in
den känden, das hin- und herflammte.
Kalter Schweiß rann an Gla's Körper in
kleinen Bächen herab, wie er da in die Kniee
E. Ewerbeck (München).
JTbend-JIkt
gesunken, auf einem Grabe mit gefalteten:
fänden lag und seufzte: „Gott sei mir armen
Sünder gnädig!"
Der Gerichtsbeisitzer war wahrlich ber
Lebzeiten auch kein musterhaftes Mutterkind
gewesen, und nun hatte der alte Gottseibeiuns-
offenbar seine Leute geschickt, um seinen sünd-
igen Körper in ihre Gbhut zu nehmen. Plötz
lich blickten die Gespenster nach dorthin, wo
Dia lag, und er hörte, wie der eine von ihnen:
flüsterte: „Sieh, da liegt Gla von Kirchdorf!"'
„Den holt der Teufel wohl auch bald mib
Haut und Haaren", erwiderte der Andere.
Mit einet» Schrei der Verzweiflung fuhr
Gla auf und schwankte auf seinen vor Todes-
angst zitternden Beinen heim.
Die Frau lag im Bett und war auf ein
paar tüchtige Hiebe gefaßt, als aber Gla, statt:
dessen mit bebender Stimme sagte:
„Mi . . . i . . . llste wohl so gut sind, <r
biskcu weder nach de wand tau rücke!" wurde
ihr doch Angst und sie schrie:
„Herrje, wat fehlt Dich, Gla, daß De so
bcschieden red'st? Du bist doch woll nich
krank? willst',! Schnaps?"
„Niemals konrmt mich mehr een Troxpen
Stärket über meene Lippen. Zerschlag' gleich-
det Deibelsbiest", — meinte Gla.
Das that nun die Frau zwar nicht, denn
auch der Branntwein ist in jedem Fall eine
Gottesgabe, wenn man ihn richtig gebraucht
und ein Heilmittel für Menschen und Vieh;,
aber sie setzte die Flasche auf dem Boden in
einen leeren Bienenkorb und bedeckte sie mit
Fellen. Als sie dann wieder kam, hatte Gla-
das „Vater unser" und „den Segen" herunter-
geleiert und plagte sich mit einem „Gott gieb
uns unsres Leibes Nothdurft . . ."
wenn man nicht das Auswendiglernen der
kleinen Kinder für die Religionsstunden mit-
rechnet, warGottes Wort in Kirchdorf seit sieben
jahren nicht so viel gebraucht worden, wie es
nun in einer eitizigen Nacht angewandt wurde.
Am Morgen stand Gla früh auf und
wusch sich von oben bis unten. Es war lange
her seit dem letzten Mal, sodaß er drei Mal,
das Wasser wechseln mußte, während er sich
ankleidete, kam der älteste Sohn und rief:
„De verdammte Gchse häwe de Krippe-
stäude 'rumgcrisse . . ."
„Hst — jung'! Du därfst den Bösen nich
nenne, aber ooch Gottes Name därfste nich
mißbrauche," sagte der Gla.
Der junge sperrte den Mund auf, als
wollte er ihn entzweireißen, und flüsterte der
Mutter zu: „js he vielleicht krank? Soll eck
tan'm Dokter fahre?"
Die Mutter erwiderte schluchzend:
„jo, Andersche, et steiht nimmer rächt
mit'm Voder, He will keenen Branntwin nich
bäwen, un he schimxt nich uff mi den ganzen
Mo'gen. Aber da nitzt keen Dokter nischt.
Sin Tid is woll gekümme!"
Als der Gla fertig war, ging er in den
Keller hinunter. Dort hing ein frisch-
ocschlachtetes Kalb. Gla nahm das halbe
Kalb und einen großen Käse und dann machte
er sich, schwer beladen, auf den weg zum
pfarrhof. ,Der Pfarrer bekam Angst, als er
ihn erblickte, und wußte es so einzurichten,
daß sie den großen Eßtisch zwischen sich hatten,
als sie miteinander sprachen.
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