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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 52 (24. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0457
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Nr. 52

JUGEND

1893

— Gnädiges Zräulein, es ist nicht alles Gold, was glänzt. J■ R- Witzei (München).

— Allerdings. Aurn Beispiel Brillanten!

C. : Dubuis!

D. : Jawohl, mein Herz.

C. : Aber Dubuis.

D. : Und den Beweis dafür ... (er zieht
ein kleines sorgsam verhülltes Packet aus der
Tasche) . . . hier habe ich ihn. In diesem
kleinen Packet. Weisst Du, was das ist?

C. : Habe keine Ahnung.

D. : Sie wird schon kommen, die Ahnung,
Hast Du nicht etwas verloren dieser Tage?

C. (unsicher, weil er lügt): Nein.

D. : Denk nur nach.

C. : Das heisst . . .

D. : Aha!

C. : Ja, meine —

D. : Brieftatsche — ?

C. (angstvoll): Du hast sie? Ist es das?

D. : Das ist es.

C. (der gern wissen möchte): Und —

D. (stellt sich dumm): Was?

C.\ Hast Du ... Wie hast Du sie gefunden?

D : Vorgestern im Treppenhaus. Ich hab
sie sofort an mich genommen.

C. : Du hast sie geöffnet? Du hast doch
nicht geschaut . . .?

D. : Was sie enthielt? Aber ja.

C. (springt auf): Ol

D. : Um zu erfahren, wem sie gehöre.
Visitkarten waren keine darinnen. Nur Papiere
und Briefe . . . Und da —

C : Du hast sie gelesen?

D.: Alle.

C : Das ist gemein! Das ist . . .

D : Ich finde nicht. Ich las den Brief
unseres Freundes Gandeuil, der Dir dafür dankt,
dass Du ihm Zeit lässt soviel er will, zehn Jahre,
wenn er will, um Dir die 500 Francs zurück-
zuzahlen, die Du ihm geliehen hast.

C. (wüthend): Das ist unedel von Dir.

D. (ganz ruhig): In der rechten Seiten-
tasche fand ich die Photographie einer Dame
mit dieser Widmung: „Meinem Paul. Seine
kleine Rosette. Erinnerung an einen Tag
im Grünen.“

C : Nur weiter jetzt, wenn Du schon
alles weisst!

D. (im selben Ton): In einem kleinen
Calender fand ich ein paar Notizen: „An
Mamas Grab nicht vergessen. — Papas Bild
zum Rahmenmacher geben.“ Und dann ein
kleines, verstecktes Couvert: „Haare meiner
kleinen blonden Schwester . . .“

C: Genug. Das wirst Du büssenl (Er
entreisst ihm die Brieftasche) Ich werde kein
Wort mehr mit Dir reden, verstehst Du mich:
Kein Wort! (Er will fortgehen.)

D.\ Aber bist Du dumm! Wirst Du bleiben?

C. : Nein.

D. : Und mir die Hand geben? Und zwar
auf der Stelle? (Er nimm ihn bei der Hand.
Clapois lässt es mit Widerstreben geschehen.)

Warum bist Du so? Warum sprichst Du das
Gegentheil von dem, was Du denkst? Du
kannst Dich lang auf den Abgeklärten hin-
ausspielen wollen, in Paris kommt alles heraus.
Du bist ja gar kein so fader Kerl, Du kannst
ja lieb sein wie ein Kind, und letzten Mitt-
woch bist Du nach Montmorency gefahren,
mit Deiner kleinen Rosette. Man hat Euch
gesehen, jedes auf einem Esel, wie zwei
kleine vergnügte Schulkinder!

C. : Man hat mich auf dem Esel gesehen!!
Das hat gerade noch gefehlt!

D. : So lach' doch darüber.

C. : Ich hab wahrhaftig keine Lust dazu.
Ich hab eine solche Wuth, eine solche Wuthl

D. : Gestehe frank und frei . . .

C.: Dass ich Euch allen einen Bären auf-
gebunden habe. Nun ja, also, nachdem es
einmal heraus ist. Ich hab Euch einen un-
geheueren Bären aufgebunden Aber was
willst Du? Die Furcht vor der Lächerlich-
keit. Heutzutage wenn man eine Rolle spielen
will, muss man mit 20 Jahren ein abgeklärter
Greis sein. Und wenn einen einmal die Lust
überkommt, sich so recht aus Herzenslust zu
unterhalten, so muss man — es ist traurig
zu sagen — es im Geheimen thun . . Und
wenn man mit seiner kleinen Rosette von
Montmorency zurückkommt, so stellt man
seinen Mantelkragen auf, um nicht erkannt

zu werden. ,, , , . ,

(Deutsch von It. Auernheimer.)

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Josef Rudolf Witzel: Brillanten zum Beispiel!
 
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