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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 52 (24. Dezember 1898)
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1898

. JUGEND -

(Redaktionsschluss: 13. Dez. 1898)

Lieöesweröen

Ich l)6f’ was klingen über'» Rhein,

Und diesmal keine Rriegsrrsmpeten —
Ganz deutlich klingt es wie Schalmei'»

In rnoll, die Fricdcnswciscn flöten!

Schier zärtlich tönt's aus Herrn Lalance
Verführerischen Liebesliedern —
weiß Gott, es sucht sich rnadarne France
Mit Nachbar Michel anzubiedernl

2lus Freundschaft wird die Liebe dann,
wo böse Rachsucht eh'dem tobte,

Bis schließlich Michel und Marianne
Sich gar empfehlen als Verlobte I

Bald zieh'» verliebt und wohlgemut!)

In's Brautgemach die Licbcslcute —

Doch halt: Vorher das Hcirathsgut,

Erst das Geschäft und dann die Freite!

„Gelt," flüstert süß das liebe Rind,

„Du bringst mir — 's ist nun meine Laune! —
Zwei Stückchen Acker mit! Sic sind
Nicht groß — dort liegen sie am Zaune!

Ich bau' mir dann ein Gärtchen dort,

Für blaue Bohnen und Granaten,

Und Du — bei meinem Ehrenwort! —
Rricgst, was Du willst, von meinen Saaten!

Zum Beispiel wäre da zunächst
Ein Gut, das ich mein Eigen nenne,
wo der famose Pfeffer wächst,

In schönster Gegend in Laycnne!

Noch nicht genug mein Liebster? So
Geb ich Dir noch die Teufelsinsel
Mitsammt der Villa iVlonrepos —

Greif zu und sei kein Einfaltspinsel!"

Doch Michel kraut sich hinterm Ghr:
„Daher die sanften Flötentöne?

Du kommst mir etwas happig vor
Für eine Braut, geliebte Schöne!

Entpuppst Du so Dich peu ä peu,

Sei Gott der Herr dem Gatten gnädig!
So leid mir's thut, mein Schatz adieu!
Ich glaub halt doch, ich bleibe ledig!"

Kob.

begehen, er will nur dazu gezwungen werden.
Er ist wie ein schüchternes Mägdelein, das so
oft wie möglich verführt sein möchte. Auf
eigene Verantwortung zu sündigen — ja, da-
zu fürchtet er Gott zu sehr!

Das Zentrum hat die lex Heinze wieder
Angebracht. Es wird voraussichtlich eine 77 er
Kommission gebildet werden müssen, da der
Andrang zu dieser ungemein interessanten
Kommission in allen Parteien sehr stark ist.

In einer Berliner Zeitung erschien folgen-
des Inserat:

„Eine Dame sucht einen Mäcen, um

ein Engagement an einem Theater in Ber-
lin ohne Gage annehmen zu können."

Bravo! Fort mit der Gage für kleine
Schauspielerinnen überhaupt! Was soll
dieses Feigenblatt von einem Fünf-
markschein! Und Mäcene gibt es in Deutsch-
land gottlob noch immer genug! Wenigstens
für Damen!

In einem norddeutschen Schullesebuch ist
der Anfang des Dornröschen-Märchens weg-
gelassen; Dornröschen wird sofort geboren; die
Erörterungen über die lange Unfruchtbarkeit
der Königin hat der „verfassende" Pädagoge
unterdrückt. Dergleichen ist nach seinem Gefühl
unsittlich; ein anständiger Mensch hat immer
'n Kind.

In England führt man jetzt vielfach Theater-
stücke auf, die vorzugsweise oder ausschließlich
von Thi eren, z. B. Pferden, Hunden re- ge-
spielt werden. Verschiedene deutsche Kultus- und
Polizeiministerien sind eifrig bemüht, deutsche
Theaterdirektoren zu ähnlichen Unternehmungen
zu ermuthigen. Besonders wurde in Aussicht
genommen, daß bei solchen Stücken die Zensur-
behörden eine etwas größere Freiheit gewähren
werden, soweit es sich um den Dialog, über-
haupt um das mündliche Benehmen der Per-
sonen handle.

Ein Oekonomieinspektor, der ährcnlescnde
Frauen mit den Worten „Spitzbubengesellschaft,
Luder, ich reite euch über den Haufen, ich
schlage euch todt!" regaliert und eine schwan-
gere Frau mit dem Reitstock geschlagen hatte,
wurde wegen Beleidigung in „idealer" Kon-
kurrenz mit Bedrohung und Körperverletzung
zu 6 Mark Strafe verurtheilt. So nähern wir
uns endlich dem Abschluß einer barbarischen
Epoche. Die nächsten Urtheile über dergleichen
Schucidigkeiten werden auf 5, 4, 3, 2 und
1 Mark lauten und dann wird man endlich zu
Belohnungen übergehen können.

Lustige Nachrichten

Kaum ist die Pcstgefahr glücklich überstanden,
so kommt aus Wien die Kunde, daß die Stu-
denten der Universität einen Musenalmanach
planen. Die umfassendsten Absperr-
ungsmaßregeln sind getroffen; ein Pe- rchä,
dcll, der verdächtige Symptome zeigte, -D kr
wurde zu genauerer Beobachtung im
Jsolierpavillon untergebracht.

Selbst in Amerika ist man entrüstet
über die hohle, ans lauter schwächlichen
Gemeinplätzen bestehende Botschaft

McKinleys. Aber was will man _

denn? Mc Kinley hat den redlich- „ , .. ... , ""j a r , „

n orvrr rr * • m . Er wehrte sich mit Angst und Grau n, Und sieh, der Gockel hatte

tteu -USUlert, allerlei Gaunereien zu In den verflixten Topf zu schauen. I Denn als er's that, hekarn's

885

Aus Wien erhalten wir folgende Zuschrift:
Geehrter Herr Schriftleiter!

Ich Lin kein Abonnent der „Jugend" und
lese dieselbe nur im Kaffeehaus. Mit Entrüstung
habe ich in Nummer 49 einen Aussatz gesehen,
de» ich nicht gelesen, sondern nur überflogen
habe, aus dem mir aber sofort klar wurde, daß
es sich um nichts geringeres, als um eine
Persiflage des Schwankes „das weiße Rössel"
handelt! Noch einmal, ich habe den Artikel nicht
gelesen, aber ich habe das Stück gesehen, und
wenn ich auch kein Urtheil über derartige Bühnen-
schöpfungen habe, so kann ich nur das Eine gegen
die „Jugend" zu Felde führen, daß sich meine
Frau göttlich amüsirt hat. Sie hat so gelacht,
das; ich ihr den Leib halten mußte. Es war
der Wunsch meiner Frau das Stück zu sehen,
da es ihr von unserer Hausmeisterin warm
empfohlen wurde, und da wir zufällig Freibillets
erhielten, brachte ich meiner Frau das Opfer,
meinen Königrufer-Abend ausfallen zu lassen.
Die „Jugend", mit der meine Frau nichts zu thun
hat, mag darüber anderer Ansicht sein, und persi-
fliren so lang sie mag! Meine Frau hält das
Stück für sehr bedeutend, ich selber verstehe we-
nig vom Theater, aber als es auf dem Theater
zu regnen anfing, da konnte ich auch nicht
länger an mich halten. Ich habe diesen Effekt
schon bei den Wasserpantomimen in; Zirkus ge-
sehen, aber einen so aus dem Leben gegriffenen
Regen habe ich nicht erlebt, so alt meine Frau
ist. — Die „Jugend" kümmert sich natürlich (?)
nicht um unsere Klassiker, aber ich frage blos:
Wo finden Sie Regen bei Goethe, bei Schiller,
;a nicht einmal bei Lessing? Warum regnet cs
im Wilhelm Teil nicht, warum nicht bei Faust,
ja selbst in Minna von Barnhelm läßt Lessing
die Sonire scheinen, und es wäre doch so nahe-
liegend, daß der arme Major Tellheim Pritschel-
naß auf die Bühne kommt, tveil er seinen Regen-
schirm versetzt hat. Warum frage ich? Einfach
weil es ihnen, wie sic da sind, nicht eingefallen
ist. Ihre Satire zielt offenbar auf das Diobskuren-
paar Blumenthal-Kadelburg ab. Im Namen
des Zwerchfells meiner Frau frage ich: Wohin
soll es kommen, wenn zwei Dichter dieser Art vor
Verunglimpfung nicht mehr sicher sein sollen! Wa-
rum soll der Pegasus nicht einmal ein weißes
Rössel sein? Nun gut, sie ließen es regnen, ihr
Drang trieb sie dazu! Sie haben alte Wirths-
hausspäße auf die Bühne gebracht, aber gerade
die Jugend durfte daran nicht Anstoß nehmen!
Denn die Späße sollten ihr unbekannt sein!

Ja, tvenn zwei Geister wie Kadelburg und
Blumenthal, die sonst vor der Jugend sicher sind,
vor Ihrer „Jugend" nicht mehr sicher sein
sollen, — was soll denn daraus werden?

Meine Frau hat sich sogar das Buch „In,
weißen Rössel" gekauft und es liegt in ihrem
Nachtkästchen. Sie werden vielleicht sagen: Lieber
Leser, Ihre Frau hat einen schlechten Geschmack.

— Mag sein, ich habe sie nicht gekostet, aber
wenn meine Frau Seitenstechen bekommt — rühre
das nun vom Lachen oder von tvas anderm her

— so ist das für mich eine Genugthuung.

Jedeitfalls tverde ich jenes Kaffeehaus nicht

mehr betreten, und ein Anderes besuchen, — in
dem man die „Jugend" hält.

Mit Achtung

Ein Leser.

„Ex-lex“-Zustand

in Ungarn

Ein Strich und ein Klecks —

Die Verfassung ist ex.

Da stirbt die Grammatik infolge
des Schrecks,
Und aus beider Gräbern erblüht
das Gewächs

„Ex lex.“ Stephan.

Recht —
ihm schlecht!
Register
Monogrammist Frosch: Die Revision
Bob: Liebeswerben
Stefan: Ex-lex-Zustand
[nicht signierter Beitrag]: Lustige Nachrichten
[nicht signierter Beitrag]: Zuschrift (fiktiv)
 
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