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Nr. 1

JUGEND

1899

„Aussprechen? — Aussprechen?! — Ja, aber
über was in aller Welt haben wir uns — aus-
zusprechen?!"

Er bebte vor Nervosität. Denn ihre Ruhe
reizte ihn überaus. Und dabei diese — Eman-
zipirtheit, diese — Selbständigkeit, die ihm ge-
radezu unausstehlich war! — Ja, und — wie
war ihm nur? — Hatte er ein — schlechtes Ge-
wissen? Oder was? — Hatte er sich irgend einen
Vorwurs zu machen, daß er sich mit einem Mal
doch auch wieder so minderwerthig vorkam? So
— halb und halb — erbärmlich?

Noch immer stand sie so gegen den Tisch ge-
lehnt und blickte ruhig, völlig ruhig auf ihre
Hand, die leise über die Tischplatte hinstrich.

„Sieh! Ueberhaupt: es ist wohl das Beste,
wenn wir ein Ende machen."

„Was?!"

„Ueber kurz oder lang muß es ja doch unfehl-
bar so kommen, nicht wahr? — Und, aufrichtig!
ich fühle — auf meiner Seite — ist es so weit."

Sie betrachtete wieder ihre Fingerspitzen. Mit
einem Blick, wie ein Mediziner, der irgend ein
Versuchsobjekt untersucht.

„Und — nicht wahr? — wir haben Einsicht
und — Geschmack genug, daß wir uns dieses
letzte Stadium so eines Verhältnisses beiderseitig
ersparen und nun gar die übliche Auflösung in
das betreffende — Wohlgefallen? — Wir haben
uns doch wohl zu viel — zu — danken, als
daß — das das Ende sein sollte."

Jetzt stockte ihre Sümme doch ein wenig. Aber
wie es ihn nun drängte, loszupoltern, ivar er
doch nicht im Stande, auch nur ein Wort zu
finden und vermochte sie nur wie ein Blöd-
sinniger anzustarren.

Sie schien aus eine Erklärung seinerseits zu
warten; wie er sie nun aber immer blos so
geradezu idiotisch anstarrte, schien es, als gehe
über ihr Gesicht ein schmerzliches Zucken. Es
traf ihn flüchtig mit einem wehen Schmerz. Aber
nun hatte sie sich auch schon wieder gefaßt und
sagte mit einem harten Lachen — es schien ihm
geradezu roh und cynisch — das den vollen
Klang ihrer Stimme noch vertiefte:

„Oder wohin sollte unser Verkehr noch führen?

— Wollen wir uns etwa gar — heiraten?"

Sie machte eine Pause, gleichsam als erwarte

sie eine Antwort, und dann sagte sie kurz, hart
und höhnisch, ihre Worte mit einer scharfen Geste
begleitend:

„Nun also! Das wäre ja doch wohl geradezu

— absurd!"

Endlich wurde er ftei.

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Fernand Khnopff: Gratulieren sollt' ich auch
 
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