Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



1899

. J UGEND •

Nr. I

Intelligenz neben gesundem Egoismus weitverzweigte Dankbar-
keit viel Raum hat, brauche ich wohl nicht zu begründen. Genug,
der Mann, den wir vor einem Menscheualter den „Brunnenver-
gifter" nannten, steht nun als armer Schwachkopf vor uns, als
unseliger Defcktmcnsch; wir sehen nun, daß er doch nur sein
bornirter Zwillingsbruder war. Wie er dazu gekommen? Wer
weiß ! Vielleicht hatten schlechte Erziehung, üble Berather und
widrige Schicksale dazu geholfen. Denn heute wissen wir ja, daß
sich die Gehirnnervcn ganz wesentlich nach Maßgabe ihrer In-
betriebsetzung entwickeln, selbst noch in späteren Lebensjahren,
und was die hier zur Herrschaft kommenden Eindrücke, Vor-
stellungen und Ideen aubelangt, so heißt es: Wer zuerst kommt,
mahlt zuerst. Vielleicht aber hatte auch schon von Geburt an,
infolge erblicher Belastung, sein Gehirn eine allzu geringe An-
pafsungsbreite für die Hemmungen des Egoismus. Gewiß können
Herzensgute und Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Achtung vor
den Gefühlen und Interessen Anderer durch Lehre und Beispiel
zu edler Lebensweisheit erhoben werden; aber starke Anlage
dazu muß doch vorhanden sein. Wo diese fehlt, da kann die
befte Erziehung nur unsichere Produkte, keine Charaktereigen-
schaften erzielen; auch der Religionsunterricht bringt es dann
nur zu äußerlicher Moral, der wir nicht über den Weg trauen.

Wenn nun gar die korrigirende Erziehung nicht recht-
zeitig eiligreift, dann kann bei Alkohol und Bummelei
vollständige Entartung eintreten. Die Psyche wird schwab-
belig und erlahmt endlich im aussichtslosen Kampfe mit
der Gesellschaft, in welcher Gegenseitigkeit Trumpf ist, so
wyr daß der „Gegenseitigste" (s. v. v.) immer die besten
garten in der Hand hat. Der Besessenheit folgt die Ver-
deung, oder aber Verzweiflung, Wuth und Schrecken
vcgleiten der armen Seele Sturz,
irf, P ^on ^a,n0e iodt. Der Zufall hat es gewollt, daß
' m 'Utv tlor ^e*nem Ende noch einmal sah. Er war in

k«rUn® un^ "or Allem psychisch sehr heruntergekommen,
«i ?re ^ch in seiner Seele hatte sich immer mehr mit der
ftivn e§ ®^’!eu‘ "ud Verfolgungswahnes erfüllt, in dem belesenen
• eimar ^ geworden. Trotzdem erkannte er mich, erinnerte sich

mr wenig, ein wirres, bitteres, mißtrauisches Lächeln war Alles,
e, feinem Begräbniß war ich außer den Todtengräbcru
er einzige Mensch, obschon die Zeitungen des Ortes, deren Mit-
ar e> er er früher gewesen war, ihm einen kurzen, verlegenen
Nachruf gebracht hatten- Niemand wußte, ob und wie er getauft
war, darum wohl war kein Geistlicher mitgegaugen. Als der
Sarg verfchwand, empfand ich zum ersten Male, daß ich dem
Aermften doch Dank schuldig sei, da er mich, wenn auch wider
Willen durch feine Lehren nicht erschüttert, sondern fester gemacht
hatte. Freilich, wie vielen Anderen mochte er den Brunnen ver-
giftet haben? Aber berechtigte das mich, ihm undankbar zu
sein? ■ Da ertönte hinter der Kirchhofmauer das Knattern
einer Gewchrsalve; durch den Wald der Grabsteine sah ich das
sonnige Glitzern von Helmen und Waffen — dort bestatteten
sie einen Veteranen, einen Kriegskanieraden. Auch Einer, dem
wir Dank schulden, — wir Allel Requiescant in pace!


Ner ^Aarsristster

bebt, racnn itn Qltunb auststnt? O-Paiuiui“

«t mit britisther OOerniHtung drostt.

,,Avst) heut erscheint mir so still und ftumm.“

© «>«!)! ®onn jcljtoeigt er sicher cSiutn tobt.

,,D«r Ärnif, der Keustjkcr, der eHandit!

29erratsten hat er uirsern ©rden!"

2Vodurst)? „Ter ^erl sthimpst niHt mestr mit,

^«it er berühmt g«Wardeir."

Aem «d-dellten dreht man, «inen Shiiß,

2Nenn jcbts QUt[)«i£ und Ä««j«ns^«ft5nbnijö)

Q39i«’s «ingaß Stimmung, unb i^HugcviSiicfi,

Qllau stempelt zu seinem Glaubensbebenntnist.

,,29a» ist da« Elüilr? Sag mir'«, An Qitann oom 3iaAe!
häustg QVort sür «ine selt'ne Säst)«.

k?l»r Fortschritt der Qktoral betheiligt,

^Zind wir darüber einig nun,

Aast nistst der FWeilr die Qktittel heiligt;

AoA der -Lrsolg Wird'« ewig thuir.

«Antfage Arm, Was Au niHt hast:

© heitre Q'TotR unb leistete r£<tft I
cSntjV.g« Aem, was Au nicht bist:

© ©ual und bitt'rer Seelenrwist!

All« ist) an Qktutters 2roclrsaum lies,

Aa dacht' ist) wohl inr Herren tief:

Nie OlNelt bam richtig erst rur ONelt,

Zfll» iA darin mich eingestellt.

AoA stit verthan di« cktinderschirh',

2rust immer deutlicher mir zu
Aer "Tag, der bam und der entwich:

Au Thor, es geht auA ohne diH I

E>ib einen neuen Eedanben der Oststelt:

Sie höhnt und spottet und neekrt;

Aedost) verdienst Au damit viel (Held,

Aann hat sie Meid und Nespebt.

H. Christiansen (Paris).

9
Register
Ludwig Anton Salomon Fulda: Sinngedichte
Hans Christiansen: Zierleiste
 
Annotationen