1899
- JUGEND
Und nun wird cs sich für die Dame in den
meisten Fällen empfehlen, sich zu entfernen. —
Ulan dringe nun abermals in das Mädchen
und stoße ein paar Mal die Bitte hervor:
„Nur noch einen Kuß, Dn Süßei"
Dieser Letzte wird gewöhnlich stehend,
während die Dame ihren Hut wieder gerade
richtet, verabfolgt nnd fällt in der Regel kürzer
aus. Nach verlassen der Laube spreche man
die Dame wieder mit „Sie" an.
Das Kliffen der Hände ist nur als A»s-
bilfs,nittel üblich. Die behandsänihte Hand
küßt man nur im äußersten Nothfalle; an der
Innenseite, vor den Knöpfen, findet sichübrigcns
immer eine kleine bloße Stelle, auf der ein
Kuß zur Noth Platz hat.
Bei späteren Zusammenkünften mit Küssen
entfällt das Festhalten der Hände.
-Eiebesgeflüsker
und breit Niemand zu
sehen ist, stets im F l ll>
st ertön geführt. Ls
würde auf die Dauer
keinen guten Eindruck
mache», wenn die Da-
me ganz still bliebe.
Ihre Aeußcrungen
werden in den meisten Fällen auf die scham-
hafte Zurückweisung männlichen Ungestüms be-
schränkt bleiben können. Doch soll dies immer-
hin in so zarter Form geschehen, daß der Andere
nicht abgekühlt wird oder aus seiner Rolle fällt.
Aeußerungen der Zweifclsucht oder des Miß-
trauens sind den Damen zu widerrathen; man
thue ruhig, als ob man Alles glauben würde
und bilde sich nicht ein, die Männer bessern
zu wollen.
Das einst beliebte Niederknien vor der
Geliebten ist mehr und mehr aus der Mode
gekommen; sind die Bodenverhältnisse dazu ge-
eignet nnd weiß man, daß man allein wieder
leicht auf die Beine kommt, so mag man's
immerhin einmal thun, aber es hat keinen
rechten Zweck. Um das Ausbohren der Kniec
in den Beinkleidern zu vermeiden, ziehe inan
letztere jedenfalls vorher ein wenig hinauf.
er das
Mir sind bei dem schwierigsten Kapitel
dieser Unterweisungen angelangt, denn es lassen
sich für diese Abart der mündlichen Unter-
haltung verliebter wohl kaum feste Regeln
vorscbrciben.
jedenfalls vermeide man politische The-
mata oder konfessionelle Fragen und drücke
sich möglichst poetisch aus. Durch das Lin-
streuen von kleinen Liebesgedichten, wie solche
in jeder größeren Buchhandlung vorräihig sind,
hat mau schon gute Erfolge erzielt. Nur
memorire man dieselben vorher gut nnd ziehe
bei deren Auswahl nöthigen-
ch vj. a, ^ falls einen Freund zu Rathe.
V V / braucht nicht erst gesagt zu
werden, daß sich ein verliebter
lächerlich machen würde, wenn
„Lied von der Glocke" oder den
„Kampf mit dem Drachen" deklamiren
wollte, ganz unpassend sind auch Ge-
dichte wie „Die Kindsmörderin", und
mögen sie hundertmal von Schiller sein.
Auf junge Mädchenherzen machen
Gleichnisse aus der Botanik immer einen
guten Eindruck. So kann man beispiels-
weise beginnen: „Fräulein, Sie sind wie
eine Knospel"
jsr die Betresiende eine lviltwc oder
ein älteres Mädchen, so nenne man eine
ältere Blume.
3m klebrigen spreche man nur von
seinen Gefühlen. Man versichere die
Dame, die sür's Erste nicht zu sprechen
braucht, — und, will sie ein Uebriges
thun, manchmal vor sich hinseufze, —
daß man von ihr einen nnanslöschlichen
Eindruck empfangen, daß man Tag und
Nacht an sie denke und ab nnd zu von
ihr träume. Die kleine Nothlüge ist im
galanten Verkehr wohl erlaubt und üb-
lich. Damen träumen hingegen niemals
von Herren.
Tritt eine Gesprächspause ein, oder
reißt dem noch Ungeübten der Faden
ab, so ergreife er die Hände der Dame,
drücke sie an seine Brust
nnd wiederhole, wir
schon im Abschnitt „Ren
dez-vous“ gesagt wurde
den Ausruf: „Du mein
Abgott!"
Diese Gespräche wer
den, selbst wenn wer
Winke für die angehende Braut
Jede junge Dame wird im Verkehr mit ihrem
Verehrer bald wissen, woran sie ist. Es muß
ihrem Scharfsinn überlassen bleiben, denselben,
ohne daß er es gerade merkt, zu einer bin-
denden Erklärung zu drängen; dann suche sie
ihn sofort ihrer Mutter zuzuführen, welche das
Geschäftliche mit ihm zu besprechen hat. viel-
fach wird auch nach getroffener Verabredung
das Paar bei einem Stelldicbein mütterlicherseits
überrascht, wodurch die Erklärung beschleunigt
wird. Aber Verehrer und angehende Freier,
die noch nicht viel angehalten haben, werden
dadurch oft derart in Schrecken versetzt, daß
es ihnen die Rede verschlägt, und mehr als
einmal ist der gutangelegte plan kläglich miß-
glückt. Ueberhaupt: erzwingen läßt sich nichts!
lveiß ein junges Mädchen, daß ernste Ab-
sichten vorhanden sind, so gehe sie direkt auf
ihr Ziel los. Sie lasse unter andern Aeußer-
ungen fallen, daß sie ihre hüte selber mache,
daß sie im Kocben tüchtig sei, und ein gemüth-
liches heim allen rauschenden, geselligen Ver-
gnügungen vorziehe.
Kommt der Freier schon in's Hans, so
miethe man eine Nähmaschine und behaupte,
daß man darauf die Kleider selbst nähe, auch
laste man sich nicht ohne Handarbeit sehen;
man findet halbvollendcte überall vorräthig.
Die Besuche des Freiers suche matt auf ein
bescheidenes Maß zurückzuführcn, damit nicht
schon ror der Hochzeit eine Uebersättigung
eintritt.
Auch das Küssen reduzire man aus den-
selben Gründen auf das Nothwendigste, und
geübte Bräute pflegen dem Bräutigam weniger
Freiheiten zu gewähren, als in der früheren
Nf. 1
Epoche der Bewerbung
Selbst das Alleinsein ist
möglichst zu vermeiden,
nur bei der Verabschied-
ung ziehen sich Eltern
oder Geschwister zurück,
und nun kann die Braut
ganz wohl ein bischen
wärmer werden. Nach
dem Abschiedskuß sagt die
Verlobte dann gewöhn-
lich: „lvann kommst Du
wieder, Karl?" oder
„lvenn Du wüßtest, wie
ich mich nach Dir sehne,
KarlI"
Natürlich wird, wie
schon einmal gesagt, im-
mer der betreffende Name
des Freiers genannt und
man hüte sich vor Ver-
wechslungen.
Die Männer, die ge-
wöhnlich schon vorher
mehr oder weniger ge-
liebt haben, sind dieser
Gefahr ungleich mehr
ausgesetzt und es ist zu empfehlen, daß man
sich grundsätzlich nicht an den Vornamen der
Damen gewöhne, sondern sie immer „Mein
Schatz" nenne. Das paßt für Alle und er-
spart Einem peinliche Verlegenheiten.
Will die Braut nach der Verabschiedung
ein Uebriges thun, so trete sie an's Fenster und
winke dem Davoneilenden mit einem reinen
Taschentuch nach, ju Hofwohnungen unter-
bleibt dies.
Und so haben wir das glückliche paar voin
ersten Erwachen der Neigung bis zum Braut-
stand, knapp an die Schwelle der Ehe begleitet.
Das Kapitel Liebe ist somit zu Ende.
Paul v. Schönthan.
Lin stiller Denker
In Hamburg bietet e>n Matrose auf
dem Geflügelmarkte einen Papagei seil,
den er von einer Reise mitgebracht hat.
Lr hat chn einige Sätze sprechen gelehrt
und verlangt einen ziemlich hohen Preis
für den Vogel. Lin Bäuerlein, welches
eine Gans zu verkaufen hat, hört das
und glaubt, daß eine allgemeine Preis-
steigerung auf dem Markte eingetreten
sei. Als ein Kauflustiger den Bauer fragt:
„Wat schall Din Ganner gellen?" fordert
er zwanzig Mark. Der Käufer hält ihn
für verrückt, aber ruhig weist er auf den
Papagei hin, der doch ein kleiner Vogel
wäre, und noch mehr koste, und als der
Käufer einwendet, daß jener Vogel ja
,fnaken‘ könne, entgegnet das Bäuerlein:
„Snaken kann min Ganner nich, aber
hei denkt sich sm Deel." Gl.
- JUGEND
Und nun wird cs sich für die Dame in den
meisten Fällen empfehlen, sich zu entfernen. —
Ulan dringe nun abermals in das Mädchen
und stoße ein paar Mal die Bitte hervor:
„Nur noch einen Kuß, Dn Süßei"
Dieser Letzte wird gewöhnlich stehend,
während die Dame ihren Hut wieder gerade
richtet, verabfolgt nnd fällt in der Regel kürzer
aus. Nach verlassen der Laube spreche man
die Dame wieder mit „Sie" an.
Das Kliffen der Hände ist nur als A»s-
bilfs,nittel üblich. Die behandsänihte Hand
küßt man nur im äußersten Nothfalle; an der
Innenseite, vor den Knöpfen, findet sichübrigcns
immer eine kleine bloße Stelle, auf der ein
Kuß zur Noth Platz hat.
Bei späteren Zusammenkünften mit Küssen
entfällt das Festhalten der Hände.
-Eiebesgeflüsker
und breit Niemand zu
sehen ist, stets im F l ll>
st ertön geführt. Ls
würde auf die Dauer
keinen guten Eindruck
mache», wenn die Da-
me ganz still bliebe.
Ihre Aeußcrungen
werden in den meisten Fällen auf die scham-
hafte Zurückweisung männlichen Ungestüms be-
schränkt bleiben können. Doch soll dies immer-
hin in so zarter Form geschehen, daß der Andere
nicht abgekühlt wird oder aus seiner Rolle fällt.
Aeußerungen der Zweifclsucht oder des Miß-
trauens sind den Damen zu widerrathen; man
thue ruhig, als ob man Alles glauben würde
und bilde sich nicht ein, die Männer bessern
zu wollen.
Das einst beliebte Niederknien vor der
Geliebten ist mehr und mehr aus der Mode
gekommen; sind die Bodenverhältnisse dazu ge-
eignet nnd weiß man, daß man allein wieder
leicht auf die Beine kommt, so mag man's
immerhin einmal thun, aber es hat keinen
rechten Zweck. Um das Ausbohren der Kniec
in den Beinkleidern zu vermeiden, ziehe inan
letztere jedenfalls vorher ein wenig hinauf.
er das
Mir sind bei dem schwierigsten Kapitel
dieser Unterweisungen angelangt, denn es lassen
sich für diese Abart der mündlichen Unter-
haltung verliebter wohl kaum feste Regeln
vorscbrciben.
jedenfalls vermeide man politische The-
mata oder konfessionelle Fragen und drücke
sich möglichst poetisch aus. Durch das Lin-
streuen von kleinen Liebesgedichten, wie solche
in jeder größeren Buchhandlung vorräihig sind,
hat mau schon gute Erfolge erzielt. Nur
memorire man dieselben vorher gut nnd ziehe
bei deren Auswahl nöthigen-
ch vj. a, ^ falls einen Freund zu Rathe.
V V / braucht nicht erst gesagt zu
werden, daß sich ein verliebter
lächerlich machen würde, wenn
„Lied von der Glocke" oder den
„Kampf mit dem Drachen" deklamiren
wollte, ganz unpassend sind auch Ge-
dichte wie „Die Kindsmörderin", und
mögen sie hundertmal von Schiller sein.
Auf junge Mädchenherzen machen
Gleichnisse aus der Botanik immer einen
guten Eindruck. So kann man beispiels-
weise beginnen: „Fräulein, Sie sind wie
eine Knospel"
jsr die Betresiende eine lviltwc oder
ein älteres Mädchen, so nenne man eine
ältere Blume.
3m klebrigen spreche man nur von
seinen Gefühlen. Man versichere die
Dame, die sür's Erste nicht zu sprechen
braucht, — und, will sie ein Uebriges
thun, manchmal vor sich hinseufze, —
daß man von ihr einen nnanslöschlichen
Eindruck empfangen, daß man Tag und
Nacht an sie denke und ab nnd zu von
ihr träume. Die kleine Nothlüge ist im
galanten Verkehr wohl erlaubt und üb-
lich. Damen träumen hingegen niemals
von Herren.
Tritt eine Gesprächspause ein, oder
reißt dem noch Ungeübten der Faden
ab, so ergreife er die Hände der Dame,
drücke sie an seine Brust
nnd wiederhole, wir
schon im Abschnitt „Ren
dez-vous“ gesagt wurde
den Ausruf: „Du mein
Abgott!"
Diese Gespräche wer
den, selbst wenn wer
Winke für die angehende Braut
Jede junge Dame wird im Verkehr mit ihrem
Verehrer bald wissen, woran sie ist. Es muß
ihrem Scharfsinn überlassen bleiben, denselben,
ohne daß er es gerade merkt, zu einer bin-
denden Erklärung zu drängen; dann suche sie
ihn sofort ihrer Mutter zuzuführen, welche das
Geschäftliche mit ihm zu besprechen hat. viel-
fach wird auch nach getroffener Verabredung
das Paar bei einem Stelldicbein mütterlicherseits
überrascht, wodurch die Erklärung beschleunigt
wird. Aber Verehrer und angehende Freier,
die noch nicht viel angehalten haben, werden
dadurch oft derart in Schrecken versetzt, daß
es ihnen die Rede verschlägt, und mehr als
einmal ist der gutangelegte plan kläglich miß-
glückt. Ueberhaupt: erzwingen läßt sich nichts!
lveiß ein junges Mädchen, daß ernste Ab-
sichten vorhanden sind, so gehe sie direkt auf
ihr Ziel los. Sie lasse unter andern Aeußer-
ungen fallen, daß sie ihre hüte selber mache,
daß sie im Kocben tüchtig sei, und ein gemüth-
liches heim allen rauschenden, geselligen Ver-
gnügungen vorziehe.
Kommt der Freier schon in's Hans, so
miethe man eine Nähmaschine und behaupte,
daß man darauf die Kleider selbst nähe, auch
laste man sich nicht ohne Handarbeit sehen;
man findet halbvollendcte überall vorräthig.
Die Besuche des Freiers suche matt auf ein
bescheidenes Maß zurückzuführcn, damit nicht
schon ror der Hochzeit eine Uebersättigung
eintritt.
Auch das Küssen reduzire man aus den-
selben Gründen auf das Nothwendigste, und
geübte Bräute pflegen dem Bräutigam weniger
Freiheiten zu gewähren, als in der früheren
Nf. 1
Epoche der Bewerbung
Selbst das Alleinsein ist
möglichst zu vermeiden,
nur bei der Verabschied-
ung ziehen sich Eltern
oder Geschwister zurück,
und nun kann die Braut
ganz wohl ein bischen
wärmer werden. Nach
dem Abschiedskuß sagt die
Verlobte dann gewöhn-
lich: „lvann kommst Du
wieder, Karl?" oder
„lvenn Du wüßtest, wie
ich mich nach Dir sehne,
KarlI"
Natürlich wird, wie
schon einmal gesagt, im-
mer der betreffende Name
des Freiers genannt und
man hüte sich vor Ver-
wechslungen.
Die Männer, die ge-
wöhnlich schon vorher
mehr oder weniger ge-
liebt haben, sind dieser
Gefahr ungleich mehr
ausgesetzt und es ist zu empfehlen, daß man
sich grundsätzlich nicht an den Vornamen der
Damen gewöhne, sondern sie immer „Mein
Schatz" nenne. Das paßt für Alle und er-
spart Einem peinliche Verlegenheiten.
Will die Braut nach der Verabschiedung
ein Uebriges thun, so trete sie an's Fenster und
winke dem Davoneilenden mit einem reinen
Taschentuch nach, ju Hofwohnungen unter-
bleibt dies.
Und so haben wir das glückliche paar voin
ersten Erwachen der Neigung bis zum Braut-
stand, knapp an die Schwelle der Ehe begleitet.
Das Kapitel Liebe ist somit zu Ende.
Paul v. Schönthan.
Lin stiller Denker
In Hamburg bietet e>n Matrose auf
dem Geflügelmarkte einen Papagei seil,
den er von einer Reise mitgebracht hat.
Lr hat chn einige Sätze sprechen gelehrt
und verlangt einen ziemlich hohen Preis
für den Vogel. Lin Bäuerlein, welches
eine Gans zu verkaufen hat, hört das
und glaubt, daß eine allgemeine Preis-
steigerung auf dem Markte eingetreten
sei. Als ein Kauflustiger den Bauer fragt:
„Wat schall Din Ganner gellen?" fordert
er zwanzig Mark. Der Käufer hält ihn
für verrückt, aber ruhig weist er auf den
Papagei hin, der doch ein kleiner Vogel
wäre, und noch mehr koste, und als der
Käufer einwendet, daß jener Vogel ja
,fnaken‘ könne, entgegnet das Bäuerlein:
„Snaken kann min Ganner nich, aber
hei denkt sich sm Deel." Gl.