1899
JUGEND
Nr. 2
Liebestraum
Im Traum sah ich Dich diese Nacht
Und habe frohen Sinnes gelacht!
Mit rothen Herzen warfest Du munter
Nach mir von Deinem Fenster herunter!
Ich fing sie und biss sie lustig entzwei,
All' meine Rivalen waren dabei I
Doch ach, ich passte nicht auf und im Nu
Zerbiss ich mein eigenes Herze dazu —
Du kreischtest vor Lachen beim Bluten der Wunde
Und ich erwachte, den Finger im Munde!
Simili
Ach, es ist ja Alles Schwindel
Und entartet das Geschlecht,
Selbst das Kindel in der Windel
Ist zuweilen auch nicht echt!
Seufzer, Schwüre, Lachen, Thränen:
Alle sind sie nachgemacht,
Und wie ist es mit den Zähnen.
Wenn ein kleines Mädchen lacht?
Simili sind alle Herzen,
Falsch vom Wirbel bis zur Zeh,
Tiefgedrückt von wahren Schmerzen
Kratz ich sinnend mein Toupet!
Einen Pfennig
Nein, ich könnt’ nicht widerstehen,
Die Versuchung war zu gross,
Als den Nacken ich gesehen,
Diesen Nacken, duftig, bloss!
Einen Pfennig liess ich gleiten
Zwischen Hals und Seidenband —
Hui, ein Schrei, ein Schelten, Streiten -
Und er sank in's sel’ge Land:
„Wie abscheulich! Da, jetzt ist er —
Nie mehr bin ich Ihnen gut!“
Und der kleine, weiche Nacken
Färbte sich in rascher Glut!
Arriv6
Nun hat er ein schwaches Weib verführt,
In trunkenen Nächten die Karten berührt,
Mit einem Flegel sich tapfer geschossen,
Bei Bois die sämmtlichen Schnäpse genossen,
Ein Rennen gewonnen, auch ist ihm ein Orden
Von einem Raubstaatfürsten geworden!
Nun kennt er gelangweilt das ganze Leben,
Was kann die Zukunft noch weiter geben?
Pfui Deibel, die Welt! Verdient sie es jetzt,
Dass ein Monokle in’s Auge man setzt?
Rachegedanken
Ich wollt ich war eine weisse Gans
Und trüge den lieblichen Namen Hans
Und würde von Dir gefüttert mit Mais,
Und legte Dir Eier, rundlich und weise,
Und würde geschlachtet, mit Aepfeln gefüllt.
Mit brauner würziger Sauce umhüllt,
Und dann bei Deinem Verlobungsessen
Mit Appetit und Kartoffeln gegessen!
Dann wür.d’ ich — ich schwöre! — mit Grimm und Behagen
So schwer Dir liegen im kleinen Magen,
Dass Du Dir nie verziehest im Leben,
Dass Du dem'Hans einen Korb gegeben!
Die Karre quietschtl
Es ist umsonst! Die Karre quietscht!
Ich habe Fett aus unsren grossen Dichtern,
Aus allen mir bekannten Kirchenlichtern
Genommen und mich selbst anjetzt
In grosse, wahre Stimmungen versetzt,
Und echte Thränen hab’ ich auch vergossen
Und mich gewälzt in wirklich schmutz’gen Gossen
Dass endlich mir einmal ein Lied gelänge,
Und ich nicht immer Dissonanzen sänge —
Es ist umsonst — die Karre quietschtl
m
Üflfjj
"CASPAR I
Qixed tsMckles
Von Friedrich Wilhelm Schulze (cand. poes.).
JUGEND
Nr. 2
Liebestraum
Im Traum sah ich Dich diese Nacht
Und habe frohen Sinnes gelacht!
Mit rothen Herzen warfest Du munter
Nach mir von Deinem Fenster herunter!
Ich fing sie und biss sie lustig entzwei,
All' meine Rivalen waren dabei I
Doch ach, ich passte nicht auf und im Nu
Zerbiss ich mein eigenes Herze dazu —
Du kreischtest vor Lachen beim Bluten der Wunde
Und ich erwachte, den Finger im Munde!
Simili
Ach, es ist ja Alles Schwindel
Und entartet das Geschlecht,
Selbst das Kindel in der Windel
Ist zuweilen auch nicht echt!
Seufzer, Schwüre, Lachen, Thränen:
Alle sind sie nachgemacht,
Und wie ist es mit den Zähnen.
Wenn ein kleines Mädchen lacht?
Simili sind alle Herzen,
Falsch vom Wirbel bis zur Zeh,
Tiefgedrückt von wahren Schmerzen
Kratz ich sinnend mein Toupet!
Einen Pfennig
Nein, ich könnt’ nicht widerstehen,
Die Versuchung war zu gross,
Als den Nacken ich gesehen,
Diesen Nacken, duftig, bloss!
Einen Pfennig liess ich gleiten
Zwischen Hals und Seidenband —
Hui, ein Schrei, ein Schelten, Streiten -
Und er sank in's sel’ge Land:
„Wie abscheulich! Da, jetzt ist er —
Nie mehr bin ich Ihnen gut!“
Und der kleine, weiche Nacken
Färbte sich in rascher Glut!
Arriv6
Nun hat er ein schwaches Weib verführt,
In trunkenen Nächten die Karten berührt,
Mit einem Flegel sich tapfer geschossen,
Bei Bois die sämmtlichen Schnäpse genossen,
Ein Rennen gewonnen, auch ist ihm ein Orden
Von einem Raubstaatfürsten geworden!
Nun kennt er gelangweilt das ganze Leben,
Was kann die Zukunft noch weiter geben?
Pfui Deibel, die Welt! Verdient sie es jetzt,
Dass ein Monokle in’s Auge man setzt?
Rachegedanken
Ich wollt ich war eine weisse Gans
Und trüge den lieblichen Namen Hans
Und würde von Dir gefüttert mit Mais,
Und legte Dir Eier, rundlich und weise,
Und würde geschlachtet, mit Aepfeln gefüllt.
Mit brauner würziger Sauce umhüllt,
Und dann bei Deinem Verlobungsessen
Mit Appetit und Kartoffeln gegessen!
Dann wür.d’ ich — ich schwöre! — mit Grimm und Behagen
So schwer Dir liegen im kleinen Magen,
Dass Du Dir nie verziehest im Leben,
Dass Du dem'Hans einen Korb gegeben!
Die Karre quietschtl
Es ist umsonst! Die Karre quietscht!
Ich habe Fett aus unsren grossen Dichtern,
Aus allen mir bekannten Kirchenlichtern
Genommen und mich selbst anjetzt
In grosse, wahre Stimmungen versetzt,
Und echte Thränen hab’ ich auch vergossen
Und mich gewälzt in wirklich schmutz’gen Gossen
Dass endlich mir einmal ein Lied gelänge,
Und ich nicht immer Dissonanzen sänge —
Es ist umsonst — die Karre quietschtl
m
Üflfjj
"CASPAR I
Qixed tsMckles
Von Friedrich Wilhelm Schulze (cand. poes.).