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Nr. 2

1899

Der Zar im Volksmunds

Der Zar ist wohl ein Vetter Gottes,
doch nicht sein Kruder.

Eine Thräne im Auge des Zaren kostet
dem Lande viele Taschentücher.

Nur einer kann Zar sein, doch viele
können ihn lieben.

Ein Ukas des Zaren ist nichts werth,
wenn Gorr nicht Amen dazu sagt.

wenn der Zar ein Reimschmied ist —
Gott gnade den poetcnl

wenn der Zar verschnupft ist, leidet
ganz Rußland an der Influenza.

will das Volk den Zaren hängen, so
reißt der Strick.

Darmhessisches

Zu Anfang der sechziger Jahre ßtzen zwei
junge Frankfurter Herren im Darmhessischen
lzoftheater. Die Hoheiten find auch anwesend.
Man gibt ein Trauerspiel. Lin drolliges vor-
kommniß auf der Bühne veranlaßt die Herren,
laut aufzulachen, während sonst Alles stumm
das Lachen unterdrückt.

' JUGEND «

Der betreßte Theaterdiener verweist die
beiden Lacher mit folgenden Worten:

„Meine Herren, hie werdd net ge-
lacht, wann net gelacht werdd; wann
se lache wolle, do kumme se, wann ge-
lacht werdd." E. Sch- E.

Epigramme

Auf einen Iambenrassler

Das brüllt und lärmt und spritzt nach jeder

Richtung

And ist ein ewiges Gischt- und Lchaum-

getrief'l

Ein wildes Wasser, Freund, ist Deine

Dichtung —

And stille Wasser, sagt man, wären tief.

Auf einen feisten Monarchen

Lein Schlemmer hat bei Spiel und Bauch-

Trgetzen

Lolch ein Gewicht wie König Rülps erreicht.
Auf seinen Grabstein wird sein Volk ihm

fetzen

Das schlichte Wort: „Er fei der Erde leicht!"

Otto Ernst.

wie in einem Spiegel ...

„Blauer Dunst und goldener Schein
lieber wacklige Bretter und Pappen;
Gleißende Flicken auf schäbigen Lappen,,
Baumwollne Fülle um dürres Gebein;
Falsche Waden und falsche Gesichter;
HeldeNgebärden für traurige wichrer;

2llte Schachteln mit Backfischzöpfen;
Blecherne 'Leonen auf Narrenköpfen;
Drohende Schwerter in matter Hand;
Buhlende Sünde im Engelgewand;
Flächserne Locken und wächserne vkasenx
Girrende Seufzer und wirrende Phrasen;,
Dröhnende Worte mit kargem Sinn;
Laute Gefühle, kein Herz darin —

Und klang wirklich ein Ton mal echt,

Daß es Dein Herz ergreifen möchr',
pauken und tuten sie im Orchester,

Bis auch der letzte Wahn entschwebt!" —
„So ist das Theater." —

„O nein, mein Bester:
Das ist das Leben, wie's leibt und lebt!"

E. v. O.

J. R. Witzei (München).

Er (zu seiner Gattin): Hast Du auch schon davon gehört, dass Ehegatten einander im Lauf der Zeit immer
ähnlicher werden?

Sie (seufzend): Ach ja —

schöner werden wir Frauen leider nicht mit den Jahren.
Register
[nicht signierter Beitrag]: Der Zar im Volksmunde
[nicht signierter Beitrag]: Darmhessisches
F. v. O.: Wie in einem Spiegel
Josef Rudolf Witzel: Immer ähnlicher
Otto Ernst: Epigramme
 
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