Nr. 3
JUGEND
1899'
&J*
irw»
Das Album
Von Jeanne Marni
Im Salon einer Villa zu Rueil;
Oktober — es regnet in Strömen
Genovefa: 7 Jahre alt
Martha: 6 '/a Jahre alt
Genovefa(die Wirthin machend):
Heut kann man im Garten doch
nicht spielen; wir wollen hier
bleiben und hier spielen. Willst
Du?
Martha (etwas furchtsam): Ja.
G.: WeisstDu, Du kannst Dich
auf den grossen Sessel setzen.
Du hast doch saubre Füsse?
M.: Ja. Das Mädchen in der
Küche hat sie mir abgewischt.
(Auf den Sessel springend). Ei,
wie fein sich das tanzt! Gerade,
wie auf einem grossen Ballon.
G. (wohlwollend): Das — das
sind die Sprungfedern. Du hast
wohl keine Sessel bei Dir zu
Hause?
M.: Nein! Bloss Stühle. Die
bindet man mit Bindfaden zu-
sammen, und dann zieht man
— und dann fahren wir Kiki in
der Kutsche.
G.: Kiki?
M.: Das ist mein kleiner
Bruder.
G.: Wie alt ist denn Dein
Bruder?
M.: Ö, der ist noch klein
— ganz, ganz klein.
G.: Ist er artig?
M.: Er schreit — weil näm-
lich seine Zähne durchkommen.
Und Nachts schreit er auch im-
mer, weil ihm das weh thut. Aber
darum ist er doch niedlich.
G.: Er ist wohl blond?
M.: Ja, und so viele Haare
hat er.
G.: Wenn er schreit, dann
wird wohl sein Kindermädchen
immer sehr böse?
M.: O, wir haben kein Kinder-
mädchen bei uns. Mama ist doch
sein Kindermädchen.
G.: Also, dann ist Deine Mut-
ter Schneiderin und dann auch
noch Dienstmädchen?
AL: Ja! Aber für andere Leute
ist Mama nicht Dienstmädchen
— nur für Papa und für Kiki
und für mich. Und wenn ich
erst grösser bin, dann helfe ich
ihr, und dann wasch’ ich alle Tel-
ler ab.
G.: Deine Mama ist wohl
sehr froh, weil ihr meine Mama
immer Kleider zum Ausbessern
gibt?
AL: Ja, natürlich. Und Papa
ist auch froh. Wenn er in die
Stube kommt und auf dem Bett
die seidenen Röcke liegen sieht,
dann riecht er immer dran und
dann sagt er: „Das riecht fein,“
sagt er. Aber Mama will nicht,
dass er so nah ’rankommt, weil er
doch die schmutzige Blouse anhat.
G.: Dein Papa hat eine Blou-
se an?
AL: Ja, aber nur die Woche;
Sonntags nicht. — Sonntags trägt
er einen „Panetot.“
Hugo Frhr. v. Habermann (München).
JUGEND
1899'
&J*
irw»
Das Album
Von Jeanne Marni
Im Salon einer Villa zu Rueil;
Oktober — es regnet in Strömen
Genovefa: 7 Jahre alt
Martha: 6 '/a Jahre alt
Genovefa(die Wirthin machend):
Heut kann man im Garten doch
nicht spielen; wir wollen hier
bleiben und hier spielen. Willst
Du?
Martha (etwas furchtsam): Ja.
G.: WeisstDu, Du kannst Dich
auf den grossen Sessel setzen.
Du hast doch saubre Füsse?
M.: Ja. Das Mädchen in der
Küche hat sie mir abgewischt.
(Auf den Sessel springend). Ei,
wie fein sich das tanzt! Gerade,
wie auf einem grossen Ballon.
G. (wohlwollend): Das — das
sind die Sprungfedern. Du hast
wohl keine Sessel bei Dir zu
Hause?
M.: Nein! Bloss Stühle. Die
bindet man mit Bindfaden zu-
sammen, und dann zieht man
— und dann fahren wir Kiki in
der Kutsche.
G.: Kiki?
M.: Das ist mein kleiner
Bruder.
G.: Wie alt ist denn Dein
Bruder?
M.: Ö, der ist noch klein
— ganz, ganz klein.
G.: Ist er artig?
M.: Er schreit — weil näm-
lich seine Zähne durchkommen.
Und Nachts schreit er auch im-
mer, weil ihm das weh thut. Aber
darum ist er doch niedlich.
G.: Er ist wohl blond?
M.: Ja, und so viele Haare
hat er.
G.: Wenn er schreit, dann
wird wohl sein Kindermädchen
immer sehr böse?
M.: O, wir haben kein Kinder-
mädchen bei uns. Mama ist doch
sein Kindermädchen.
G.: Also, dann ist Deine Mut-
ter Schneiderin und dann auch
noch Dienstmädchen?
AL: Ja! Aber für andere Leute
ist Mama nicht Dienstmädchen
— nur für Papa und für Kiki
und für mich. Und wenn ich
erst grösser bin, dann helfe ich
ihr, und dann wasch’ ich alle Tel-
ler ab.
G.: Deine Mama ist wohl
sehr froh, weil ihr meine Mama
immer Kleider zum Ausbessern
gibt?
AL: Ja, natürlich. Und Papa
ist auch froh. Wenn er in die
Stube kommt und auf dem Bett
die seidenen Röcke liegen sieht,
dann riecht er immer dran und
dann sagt er: „Das riecht fein,“
sagt er. Aber Mama will nicht,
dass er so nah ’rankommt, weil er
doch die schmutzige Blouse anhat.
G.: Dein Papa hat eine Blou-
se an?
AL: Ja, aber nur die Woche;
Sonntags nicht. — Sonntags trägt
er einen „Panetot.“
Hugo Frhr. v. Habermann (München).