1899
JUGEND
Nr. 3
G.: Einen gelben, wie mein Papa?
AL (lachend): Ach nein!
G.: Warum lachst Du denn?
AL: Dein Papa, weisst Du — der, der
Ist doch zu — lustig.
G. (erstaunt): Lustig —drollig, meinstDu?
M.; Ja.
G.: Aber Du kennst ihn doch gar nicht!
. AL: Doch! Wir haben ihn doch so oft
getroffen — in der Pferdebahn, Mama und
•eh. Er hat ein ganz, ganz faltiges Gesicht
"7 mit lauter kleinen Falten, und auch
einen dicken Stock, und dann steckt er
immer die Zunge aus dem Munde, wie
die kleinen Hündchen, wenn sie Durst
haben. Gestern haben wir ihn auch ge-
sehen, und da ist er ganz dicht an Mama
herangekommen; aber die hat zu ihm ge-
sagt: „Lassen Sie mich in Ruhe, verstehen
Sie?“
G. (gekränkt): Du lügst! Das hat Deine
"^tter nicht zu meinem Papa gesagt.
AL: Das hat sie doch gesagt! Und
<tann hat sie das auch meinem Papa ge-
sagt. „Ich hab’ ihm keine ’runtergehauen
aus Rücksicht auf meine Kundin; aber
das nächste Mal, wenn er mir wieder so
kommt, werde ich ihm den Zinken ein-
schlagen.“
G.: Den Zinken?
Al.: Die Nase.
G. (erschrocken): Deine Mama?
Al- (stolz): Ja wohl, meine Mama!
G.: O, die ist aber bös!
Al.: Geh doch, die ist doch gut — so
gut; da brauchst Du keine Angst zu haben.
Weisst Du, wir beide, der Kiki und ich,
wir haben auch gar keine Angst. Nein!
Mama gibt uns nie Ohrfeigen! Niemals!
Und wenn sie dann mit ihrer Arbeit fertig
ist, dann nimmt sie uns beide auf den
Schooss; und dann küsst sie uns — immer
abwechselnd. — „Wem gehört denn der
kleine Bub hier? Und wem gehört denn
das kleine Mädel da? Und wem dies
Schnäbelchen? Wem gehören denn die
lieben kleinen schwarzen Guckelchen?
Und die lieben kleinen blauen Guckelchen?
Ist wohl alles der Nachbarin ihrs?“ Und
dann sagen wir so zum Spass: „Ja, ist
alles der Nachbarin ihr’s!“ — Dann thut
Mama so, als wäre sie ganz bös und ganz
traurig und setzt uns gleich auf die Erde.
„Da geht doch zur Nachbarin, geht nur!“
Aber wir klettern gleich wieder auf ihren
Schooss und küssen sie immerzu, immerzu
— das ganze Gesicht. „Nein, nein, ist
alles Deins, alles Deins — Deine kleinen
Kinderchen! — Musst nicht weinen.“ Aber
sie weint nicht! Sie lacht. Ach, das ist
so hübsch ! Und wenn erst Papa kommt —!
Mit dem spielen wir Wolf. Papa ist näm-
lich der Wolf, aber nicht so schlimm! —
Mama will nicht Wolf sein, nicht mal im
Spass. Ach, Mama ist doch so gut. Da
brauchst Du keine Angst zu haben; die
thut Dir nichts Schlimmes. Nur Deinem
Papa will sie die Nase einschlagen.
G.: Den Zinken?
AL: Ja.
G.: Warum denn?
AL (geheimnissvoll): Weil es ein ganz
abscheulicher, alter Mensch ist.
G.: Das ist wahr, das ist wahr! Er
macht mir immer die Backe nass, wenn
er mich küsst. Aber (vertraulich) ich habe
noch einen andern Papa! Einen hübscheren!
AL: Wo ist er denn?
G.: In dem Album.
AL: Ach, zeig doch mal!
G.: Ja, gleich !
Sie nimmt ein Photographiealbum und öffnet es.
AL: (das Bild eines Offiziers erblickend):
Ist der aber hübsch!
G.: Ja; aber der ist es nicht.. Der ist
mein Erster.
AL: Dein Erster?
G.: Mein erster Papa. Wie ich noch
bei meiner Amme war, bei Frau Victor,
besuchte er mich immer und kaufte mir
Kuchen. Und Bilderbogen brachte er mit,
lauter Soldaten, und dann auch eine kleine
Puppe, die als Soldat angezogen war.
Damit spielten wir beide. Ich konnte ihn
sehr gut leiden. (Nach kurzem Schweigen):
Er ist gestorben.
AI.: Im Kriege?
G.: Ich weiss nicht.
AI. (auf ein Bild weisend, das einen Ad-
vokaten in Amtstracht darstellt): Ach, warum
hat denn der Herr einen Unterrock an?
Dauer tut Wechsel E- Ateumann (München).
»Warum so traurig, oller Lcbegrcis? Bist ja wie ausgcwcchsclti" — „Ist er ooch, Senta! Sein Schatz hat ihn wechseln
lassen." — „Wieso?" — „tta, er ist fünfzig und sie har jetzt Zweie zu fünfundzwanzig!"
JUGEND
Nr. 3
G.: Einen gelben, wie mein Papa?
AL (lachend): Ach nein!
G.: Warum lachst Du denn?
AL: Dein Papa, weisst Du — der, der
Ist doch zu — lustig.
G. (erstaunt): Lustig —drollig, meinstDu?
M.; Ja.
G.: Aber Du kennst ihn doch gar nicht!
. AL: Doch! Wir haben ihn doch so oft
getroffen — in der Pferdebahn, Mama und
•eh. Er hat ein ganz, ganz faltiges Gesicht
"7 mit lauter kleinen Falten, und auch
einen dicken Stock, und dann steckt er
immer die Zunge aus dem Munde, wie
die kleinen Hündchen, wenn sie Durst
haben. Gestern haben wir ihn auch ge-
sehen, und da ist er ganz dicht an Mama
herangekommen; aber die hat zu ihm ge-
sagt: „Lassen Sie mich in Ruhe, verstehen
Sie?“
G. (gekränkt): Du lügst! Das hat Deine
"^tter nicht zu meinem Papa gesagt.
AL: Das hat sie doch gesagt! Und
<tann hat sie das auch meinem Papa ge-
sagt. „Ich hab’ ihm keine ’runtergehauen
aus Rücksicht auf meine Kundin; aber
das nächste Mal, wenn er mir wieder so
kommt, werde ich ihm den Zinken ein-
schlagen.“
G.: Den Zinken?
Al.: Die Nase.
G. (erschrocken): Deine Mama?
Al- (stolz): Ja wohl, meine Mama!
G.: O, die ist aber bös!
Al.: Geh doch, die ist doch gut — so
gut; da brauchst Du keine Angst zu haben.
Weisst Du, wir beide, der Kiki und ich,
wir haben auch gar keine Angst. Nein!
Mama gibt uns nie Ohrfeigen! Niemals!
Und wenn sie dann mit ihrer Arbeit fertig
ist, dann nimmt sie uns beide auf den
Schooss; und dann küsst sie uns — immer
abwechselnd. — „Wem gehört denn der
kleine Bub hier? Und wem gehört denn
das kleine Mädel da? Und wem dies
Schnäbelchen? Wem gehören denn die
lieben kleinen schwarzen Guckelchen?
Und die lieben kleinen blauen Guckelchen?
Ist wohl alles der Nachbarin ihrs?“ Und
dann sagen wir so zum Spass: „Ja, ist
alles der Nachbarin ihr’s!“ — Dann thut
Mama so, als wäre sie ganz bös und ganz
traurig und setzt uns gleich auf die Erde.
„Da geht doch zur Nachbarin, geht nur!“
Aber wir klettern gleich wieder auf ihren
Schooss und küssen sie immerzu, immerzu
— das ganze Gesicht. „Nein, nein, ist
alles Deins, alles Deins — Deine kleinen
Kinderchen! — Musst nicht weinen.“ Aber
sie weint nicht! Sie lacht. Ach, das ist
so hübsch ! Und wenn erst Papa kommt —!
Mit dem spielen wir Wolf. Papa ist näm-
lich der Wolf, aber nicht so schlimm! —
Mama will nicht Wolf sein, nicht mal im
Spass. Ach, Mama ist doch so gut. Da
brauchst Du keine Angst zu haben; die
thut Dir nichts Schlimmes. Nur Deinem
Papa will sie die Nase einschlagen.
G.: Den Zinken?
AL: Ja.
G.: Warum denn?
AL (geheimnissvoll): Weil es ein ganz
abscheulicher, alter Mensch ist.
G.: Das ist wahr, das ist wahr! Er
macht mir immer die Backe nass, wenn
er mich küsst. Aber (vertraulich) ich habe
noch einen andern Papa! Einen hübscheren!
AL: Wo ist er denn?
G.: In dem Album.
AL: Ach, zeig doch mal!
G.: Ja, gleich !
Sie nimmt ein Photographiealbum und öffnet es.
AL: (das Bild eines Offiziers erblickend):
Ist der aber hübsch!
G.: Ja; aber der ist es nicht.. Der ist
mein Erster.
AL: Dein Erster?
G.: Mein erster Papa. Wie ich noch
bei meiner Amme war, bei Frau Victor,
besuchte er mich immer und kaufte mir
Kuchen. Und Bilderbogen brachte er mit,
lauter Soldaten, und dann auch eine kleine
Puppe, die als Soldat angezogen war.
Damit spielten wir beide. Ich konnte ihn
sehr gut leiden. (Nach kurzem Schweigen):
Er ist gestorben.
AI.: Im Kriege?
G.: Ich weiss nicht.
AI. (auf ein Bild weisend, das einen Ad-
vokaten in Amtstracht darstellt): Ach, warum
hat denn der Herr einen Unterrock an?
Dauer tut Wechsel E- Ateumann (München).
»Warum so traurig, oller Lcbegrcis? Bist ja wie ausgcwcchsclti" — „Ist er ooch, Senta! Sein Schatz hat ihn wechseln
lassen." — „Wieso?" — „tta, er ist fünfzig und sie har jetzt Zweie zu fünfundzwanzig!"