1899
CI:
JUGEND
/US
JDxixpuxxx« Gxtxoxx« nx»ä{b«x
b£üß«u um {{au« Qltcext.
QTUt felfxoaxxoxx Seg«£xx
fauft
miin DxaHcxxfIxff.
in b«xx gxüxxcxx ExfAt
bxütfxt xntxxx« Aauft bas <Stcucx,
{«xxxe COfRxnpcx surfst.
5u $9it! 5h Dil!
2lntcx meinem fpKgxCxibeu G3o£bpaxxxcx,
aus iim bie Sonne ftxaßft,
frfopft
mein S«xs.
•Saufe, wo bi« {uixtexx {Rmpc£n {xcuxieix
gEänxexx auf bemfc£{«xx {ZüHexfpxxxb,
ü{«x Caeoije ©ßxxet, Stinbc unb Dank«,
„ <Sef)i{£«x unb (J>oclße.
' ■>«>be fietßeiCigt an ein unb bemjcf&en tSppsßxanst
Saufe, wo bx« Junten [fKiupciw {nennen,
ßäugt an b«xfef{«xx QiRbgxooobtapct«,
übex bemlef&en Qlo{oilo)cljiim,
rwijeßen Jxfingcx unb Sofiufat,
{Rxxton oou 29«xix«x.
^'H Saufe, wo bie {unten {Rmpcfn {nennen,
fpiefen bi«f«£6eix frf)£auPscn Sänbe,
auf bemfefbeu cS{mf)?£xf£xig«{,
r> _ mit bemfe£{en Gßit unb Aeuel,
Xcbei^ Aean^ois Gßoptix unb ,£xibo£f 29a{bnxaixxx.
Saufe, wo bie {unten Afmpekn {nennen,
auf ««xgokbeiexx Stüßfcßen fitjcnb,
ixixxflt man Gßaßfis, JOiffnex unb Seit,
ßommt bann peu ä peu auf MiehHe,
jufetjt wilb getankt,
flüffe «xxtxürfxt bex Sausfxan bie Sanb,
. ^uttäufcße «xxxexx aftexexx, gfattxajixtcix Scxxn
^ Exumrooffnen Sanb)clfußen unb QfSabenftxümpfi
buxH eine Qltaxlx ‘(ExxnPxgxüb
xmb xxcxklfxmnb«.
{fix gxaues ©xün
ocxbäinmexn 9U«f«uftämme.
90ou gxeifen {Reffen
ßäixgt
in fangen .(Bäxtcix Qlloos.
^xgeixbwo. . , ßämmexnb . . . ei>x Speflft.
^rntbex Wolf? WäAftbas WunMkxaut tziex?
29xxb auf xßxexxx wechen 5eftex,
{äAefnb,
axif mein {Eopfevibes Scxs xxx
bie Jpxxixxtffxix leiten?
MxHts.
29ie fAwaxxe Äfxwektfixöten,
x«guxxgs£oo,
ßarfst am 2V«g bex ÄVaHßofbex.
DaHxvxf«st«xx,
gxftxotß,
{«urfxtexx Akxeeienpikxe,
^ ^ Arno Dolz,
Nr. 5
Renees Verlobte
So oft Rense sich verlobt, nehme ich eine
weifte Cravatte unb eine scheinheilige Miene aus
dem Schrank, lege meine taubengrauen Hand-
schuhe und mein liebenswürdigstes Lächeln an,
und begebe mich zu Renee. Ich komme jedes-
mal und gratulire ihr. In den letzten Jahren
ist Rense davon abgekommen, Verlobnugskarteii
auszuschicken. Es hilft ihr nichts, Ich komme
trotzdem. Ich bin in allem, was Reuse angeht,
allzeit unterrichtet. Und wenn sie sich verlobt,
so weift ich das früher, als sie selbst. Dann
lomme ich mit meiner fröhlichen Miene und lasse
mir von den Eltern die Verlvbiingsgeschichte er-
zählen, denn es gibt nichts ans der Welt, was
mich so intereffiren würde, als Verlobungs-
geschichten, Dann gratulire ich und gehe weg,
Uber nicht für immer. Ich komme wieder, Ost
dauert es Wochen, ja Monate, Renee und ihre
Eltern geben sich schon der Hoffnung hin, ich
sei gestorben. Ich bin es nicht. Ich komme
ivieder. Denn früher oder später kommt der
Tag, an dem Neuses Verlobung in die Brüche
gehr. Sie mag dabei noch so vorsichtig Vor-
gehen, ich weift es. Und sowie ich es weift, bin ich auch
ivieder bei ihr mit meiner fröhlichen Miene, Man
braucht mich nicht eiuzuladeu. Brauchen Sie die Raben
einzuladen, das; sie nach der Schlacht das Leichenfelü
besuchen? Ich bin wie die Raben, lind so oft ich an-
geflattert komme, ivird Reuse blaft.
Ich weift, sie möchte mich gerne ermorden, sie
sucht nur nach einer schicklichen Gelegenheit, Inzwischen
aber ist sie von einer bezaubernden Liebenswürdigkeit
gegen mich, Ihr reizendstes Lächeln, ihre heißesten
Blicke verschwendet sie an mich, und wenn wir einen
Augenblick allein sind, legt sie ihre Hand auf meine
Schulter und sagt mir in ihrer schalkischen Art: „Alter
Freund," Und wie Reuse, so sind auch ihre Eltern
mit mir. Sie haben keine Idee, wie lieb mich diese
Leute haben. Freilich das war nicht immer so. Bei
Renees zweiter Verlobung gab es einmal einen Augen-
blick, daß sie fest entschlossen ivaren, mich hinauszu-
iverfen. Es war ein Augenblick, Papa sagte, er werte
Briefe schreiben müssen. Er sagte nicht einmal „leider,"
Maina hatte dazu nichts zu bemerken, sie schaute ge-
spannt und wortlos auf das Zifferblatt der Wanduhr,
und Reuse streckte die Arme mit den geballten weiften
Fäusten aus und fragte mit einem unterdrückten Gähnen:
„Bleiben Sie vielleicht zum Thee?" Es war ein Augen-
blick, Ich lehnte mich in meinen Pvlsterstuhl zurück
und fragte im leichten Gesprächston: „Wissen Sie, Fräu-
ein Renee, daß ich Ihren Herrn Verlobten schon seit
fahren kenne? Jawohl, Und ich erzähle ihm viel
von Ihnen," Ich sagte „viel," nichts weiter. Aber
Sie hätte» sehen sollen, ivelche Veränderung dieses be-
scheidene Wörtchen in allen Gesichtern her-
vorrief, Papa kam sofort davon ab, Briete
zu schreiben, Mama hob den Blick von der
Wanduhr und sagte: „Wie rasch die Zeit
vergeht in Ihrer Gesellschaft!" lind Reuse
sprang auf, lachte mich au mit einem Blick
voll heimlicher Gluthen und rief: „Sie bleiben zum
Thee," Und seither wurde man von Verlobung zu
Verlobung immer liebenswürdiger mit mir. Man
verwöhnt mich, man vergöttert mich in diesem Haufe,
lind ich kann sagen, ich fühle mich nirgends so wohl,
als bei Renee, wenn sie sich mit einem anderen
verlobt,
Oder, wenn die Verlobung in die Brüche geht.
Das ist eigentlich noch mehr nach meinem Geschmack,
All fremdem Glücke weide ich mich nur mit Wider-
streben, Ich bin nicht verlobt und mag es auch
nicht, wenn andere Leute verlobt sind. Und dann,
wenn eine Verlobung zurückgeht, da lassen sich so
hübsche Parallelen ziehen zwilchen Einst und Jetzt,
Ich liebe es, Parallelen zu ziehen zivischen Einst
lind Jetzt: es ist ein letztes Vergnügen, Da sitze
ich bei Renees Eltern im Salon, genau wie einst,
vor mehreren Monaten, als Rense noch verlobt war.
Und genau wie einstmals sprechen wir über Renees
Verlobten, Der Verlobte hat sich nicht geändert,
Rur seine Stellung zum Hause hat sich verschoben
durch die Einivirkung irgend einer Kraft, die viel-
leicht außerhalb seiner selbst lag. Kurz, einst war
er „der Verlobte" und jetzt ist er „der von ehemals,"
Das macht einen kleinen Unterschied in unserem
Gespräch: Denn „der Verlobte" ist immer eine Perle,
aber „der von ehemals" ist immer ein Schuft,
Greifen wir einen Fall heraus. Sie wissen
wclleiäst noch, wie Doktor Dalberg dazu kam, sich
mit Renöe zu verloben? Wenn Sie das wissen.
M. Vogel (München).
CI:
JUGEND
/US
JDxixpuxxx« Gxtxoxx« nx»ä{b«x
b£üß«u um {{au« Qltcext.
QTUt felfxoaxxoxx Seg«£xx
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miin DxaHcxxfIxff.
in b«xx gxüxxcxx ExfAt
bxütfxt xntxxx« Aauft bas <Stcucx,
{«xxxe COfRxnpcx surfst.
5u $9it! 5h Dil!
2lntcx meinem fpKgxCxibeu G3o£bpaxxxcx,
aus iim bie Sonne ftxaßft,
frfopft
mein S«xs.
•Saufe, wo bi« {uixtexx {Rmpc£n {xcuxieix
gEänxexx auf bemfc£{«xx {ZüHexfpxxxb,
ü{«x Caeoije ©ßxxet, Stinbc unb Dank«,
„ <Sef)i{£«x unb (J>oclße.
' ■>«>be fietßeiCigt an ein unb bemjcf&en tSppsßxanst
Saufe, wo bx« Junten [fKiupciw {nennen,
ßäugt an b«xfef{«xx QiRbgxooobtapct«,
übex bemlef&en Qlo{oilo)cljiim,
rwijeßen Jxfingcx unb Sofiufat,
{Rxxton oou 29«xix«x.
^'H Saufe, wo bie {unten {Rmpcfn {nennen,
fpiefen bi«f«£6eix frf)£auPscn Sänbe,
auf bemfefbeu cS{mf)?£xf£xig«{,
r> _ mit bemfe£{en Gßit unb Aeuel,
Xcbei^ Aean^ois Gßoptix unb ,£xibo£f 29a{bnxaixxx.
Saufe, wo bie {unten Afmpekn {nennen,
auf ««xgokbeiexx Stüßfcßen fitjcnb,
ixixxflt man Gßaßfis, JOiffnex unb Seit,
ßommt bann peu ä peu auf MiehHe,
jufetjt wilb getankt,
flüffe «xxtxürfxt bex Sausfxan bie Sanb,
. ^uttäufcße «xxxexx aftexexx, gfattxajixtcix Scxxn
^ Exumrooffnen Sanb)clfußen unb QfSabenftxümpfi
buxH eine Qltaxlx ‘(ExxnPxgxüb
xmb xxcxklfxmnb«.
{fix gxaues ©xün
ocxbäinmexn 9U«f«uftämme.
90ou gxeifen {Reffen
ßäixgt
in fangen .(Bäxtcix Qlloos.
^xgeixbwo. . , ßämmexnb . . . ei>x Speflft.
^rntbex Wolf? WäAftbas WunMkxaut tziex?
29xxb auf xßxexxx wechen 5eftex,
{äAefnb,
axif mein {Eopfevibes Scxs xxx
bie Jpxxixxtffxix leiten?
MxHts.
29ie fAwaxxe Äfxwektfixöten,
x«guxxgs£oo,
ßarfst am 2V«g bex ÄVaHßofbex.
DaHxvxf«st«xx,
gxftxotß,
{«urfxtexx Akxeeienpikxe,
^ ^ Arno Dolz,
Nr. 5
Renees Verlobte
So oft Rense sich verlobt, nehme ich eine
weifte Cravatte unb eine scheinheilige Miene aus
dem Schrank, lege meine taubengrauen Hand-
schuhe und mein liebenswürdigstes Lächeln an,
und begebe mich zu Renee. Ich komme jedes-
mal und gratulire ihr. In den letzten Jahren
ist Rense davon abgekommen, Verlobnugskarteii
auszuschicken. Es hilft ihr nichts, Ich komme
trotzdem. Ich bin in allem, was Reuse angeht,
allzeit unterrichtet. Und wenn sie sich verlobt,
so weift ich das früher, als sie selbst. Dann
lomme ich mit meiner fröhlichen Miene und lasse
mir von den Eltern die Verlvbiingsgeschichte er-
zählen, denn es gibt nichts ans der Welt, was
mich so intereffiren würde, als Verlobungs-
geschichten, Dann gratulire ich und gehe weg,
Uber nicht für immer. Ich komme wieder, Ost
dauert es Wochen, ja Monate, Renee und ihre
Eltern geben sich schon der Hoffnung hin, ich
sei gestorben. Ich bin es nicht. Ich komme
ivieder. Denn früher oder später kommt der
Tag, an dem Neuses Verlobung in die Brüche
gehr. Sie mag dabei noch so vorsichtig Vor-
gehen, ich weift es. Und sowie ich es weift, bin ich auch
ivieder bei ihr mit meiner fröhlichen Miene, Man
braucht mich nicht eiuzuladeu. Brauchen Sie die Raben
einzuladen, das; sie nach der Schlacht das Leichenfelü
besuchen? Ich bin wie die Raben, lind so oft ich an-
geflattert komme, ivird Reuse blaft.
Ich weift, sie möchte mich gerne ermorden, sie
sucht nur nach einer schicklichen Gelegenheit, Inzwischen
aber ist sie von einer bezaubernden Liebenswürdigkeit
gegen mich, Ihr reizendstes Lächeln, ihre heißesten
Blicke verschwendet sie an mich, und wenn wir einen
Augenblick allein sind, legt sie ihre Hand auf meine
Schulter und sagt mir in ihrer schalkischen Art: „Alter
Freund," Und wie Reuse, so sind auch ihre Eltern
mit mir. Sie haben keine Idee, wie lieb mich diese
Leute haben. Freilich das war nicht immer so. Bei
Renees zweiter Verlobung gab es einmal einen Augen-
blick, daß sie fest entschlossen ivaren, mich hinauszu-
iverfen. Es war ein Augenblick, Papa sagte, er werte
Briefe schreiben müssen. Er sagte nicht einmal „leider,"
Maina hatte dazu nichts zu bemerken, sie schaute ge-
spannt und wortlos auf das Zifferblatt der Wanduhr,
und Reuse streckte die Arme mit den geballten weiften
Fäusten aus und fragte mit einem unterdrückten Gähnen:
„Bleiben Sie vielleicht zum Thee?" Es war ein Augen-
blick, Ich lehnte mich in meinen Pvlsterstuhl zurück
und fragte im leichten Gesprächston: „Wissen Sie, Fräu-
ein Renee, daß ich Ihren Herrn Verlobten schon seit
fahren kenne? Jawohl, Und ich erzähle ihm viel
von Ihnen," Ich sagte „viel," nichts weiter. Aber
Sie hätte» sehen sollen, ivelche Veränderung dieses be-
scheidene Wörtchen in allen Gesichtern her-
vorrief, Papa kam sofort davon ab, Briete
zu schreiben, Mama hob den Blick von der
Wanduhr und sagte: „Wie rasch die Zeit
vergeht in Ihrer Gesellschaft!" lind Reuse
sprang auf, lachte mich au mit einem Blick
voll heimlicher Gluthen und rief: „Sie bleiben zum
Thee," Und seither wurde man von Verlobung zu
Verlobung immer liebenswürdiger mit mir. Man
verwöhnt mich, man vergöttert mich in diesem Haufe,
lind ich kann sagen, ich fühle mich nirgends so wohl,
als bei Renee, wenn sie sich mit einem anderen
verlobt,
Oder, wenn die Verlobung in die Brüche geht.
Das ist eigentlich noch mehr nach meinem Geschmack,
All fremdem Glücke weide ich mich nur mit Wider-
streben, Ich bin nicht verlobt und mag es auch
nicht, wenn andere Leute verlobt sind. Und dann,
wenn eine Verlobung zurückgeht, da lassen sich so
hübsche Parallelen ziehen zwilchen Einst und Jetzt,
Ich liebe es, Parallelen zu ziehen zivischen Einst
lind Jetzt: es ist ein letztes Vergnügen, Da sitze
ich bei Renees Eltern im Salon, genau wie einst,
vor mehreren Monaten, als Rense noch verlobt war.
Und genau wie einstmals sprechen wir über Renees
Verlobten, Der Verlobte hat sich nicht geändert,
Rur seine Stellung zum Hause hat sich verschoben
durch die Einivirkung irgend einer Kraft, die viel-
leicht außerhalb seiner selbst lag. Kurz, einst war
er „der Verlobte" und jetzt ist er „der von ehemals,"
Das macht einen kleinen Unterschied in unserem
Gespräch: Denn „der Verlobte" ist immer eine Perle,
aber „der von ehemals" ist immer ein Schuft,
Greifen wir einen Fall heraus. Sie wissen
wclleiäst noch, wie Doktor Dalberg dazu kam, sich
mit Renöe zu verloben? Wenn Sie das wissen.
M. Vogel (München).