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Nr. 5

Der KöllenVraten

(mit Zeichnung von Julius Diez.)

Zog einst der Satan auf die Reis'

Durch'» platt- Land. — Der Tag war heiß.
Der Teufel müd, der Weg war schlecht —

Da kam ihm sust ein Karren recht,

Der tief im Staub zog seine Spur
Und Säcke nach der Mühle fuhr.

Der Müller war im weiten Land —

Und in der Hölle — wohl gekannt
Als Pfennigschaber und Leuteschinder,

Sowie als Wucherer nit minder.

„Steig' auf, Du armer Teufel Du!"

Rief er dem Gottseibeiuns zu;

Der ließ sich das nit zweimal sagen.

Da Hub der Müller an zu fragen:

„Wohin des Weg's?" —■ „Ach mein! Ich geh',
tvb ich nit wo ein Brätlein seh'.

Für uns ist gar ein schlechtes Jahr,

Die Holl' ist leer, der Braten rar,

weil die Leut' so fromm im Großen und Ganzen —
Kein Schwänzlein Hab' ich noch im Ranzen!" —
Da kam des weg's ein Bäuerlein;

Der zerrt am Strick ein böses Schwein,

Das machte dem Mann die Arbeit sauer,
wollt' immer anders, als der Bauer.

Zuletzt erbost der Landmann schrie:

„Hol' Dich der Teufel! Dummes Vieh!"

Der Müller lachte: „Herr Urian,

Der bietet Luch einen Braten an!" —

„Ach nein > Das möcht mir übel frommen,

Der Wunsch ist nit von Herzen kommen!" —

Sie fuhren weiter die Straße her,

Die Sonne brannte heiß und schwer.

Ts schritten an ihnen des Wegs vorbei
Der Thier' und Menschen mancherlei;

So kam auf einer Bruck' gegangen
Tine Bettelfrau mit ihrem Rangen,

Der that sie ärgern baß und necken.

Da schrie das Weib und hob den Stecken:

„Du Aas! Dich soll der Teufel holen!" —
„So thu' doch, wie man Dir befohlen!"

Sagte der Müller zu seinem Kumpan;

Der aber lachte: „Da käm' ich an!

Der Wunsch kam nit vom Herzensgrund,
Thut ihn das Weib auch jede Stund,

Der Balg ist doch ihr ganzes Glück!" —

Sie fuhren weiter ein gutes Stück
An einen schattigen, grünen Platz:

Da stund ein Bursch mit seinem Schatz.

Das Dirnlein war über und über roth,

Der stürmische Werber bracht's in Roth.

Lockte sie tiefer in den Hain,

Bat und flehte — sie sagte „Rein!",

Zlehte und bat — sie lief davon,

Da rief er zornig in heiserm Ton:

„Hol' Dich der Teufel, Du Spröde, Du!'
Sagte der Müller: „Jetzt griff' ich zu,

Mich dünkt, der Braten war' nit schlecht!"
„Geh!" rief der Schwarze, „da käm' ich recht!
Sein Lebtag thät' er es nit verschmerzen,

So wenig kam ihm der Wunsch vom Herzen!"

Sie fuhren weiter durch Staub und Sand.

Bis an der Straße ein Dörflein stand.

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ü

Nr. 5

- utt kamen des weg's daher,

~ wh'n den Müller und schalten sehr:
vi!er Scljclm!“ schrie Liner, „Gott sei's geklagt,
'ch hat er von Haus und Hof gejagt!"

”^!r hat er die Zrucht am Halm gepfändet!"
Uhh 1,01 er gar mein Kind geschändet
v. bann verlassen in bitt'rer Roth —

Un wiegt sie ihr Würmlein und weint sich todt!" -
"Den Beutelschneider, den Weiberverführer,
Höllenbraten, den Kehlzuschnürer,

D°n hop der Teufel mit Haut und Haar!" -
"ücht," lachte der Satan, „jetzt ist fürwahr
D°n Leuten der Wunsch von Herzen gekommen!" -
hat den Müller beim Schopf genommen —
m Krach — da stund mit stierem Blick
's Schurken Antlitz im Genick.

^ lausen hob sich und ein Brausen.

°b Volk am weg erfaßte Grausen,
harten es in den Lüften schrei'n:

»"er Braten soll mir wohl gedeih'n —

AUen, die ich haben könnt',

Qr Keiner mir so wohl gegönnt!" F. v. o.

6o ist das eeben

von A. of Dedenftserua

a’er Kandidat med. Eberhard Berg, der bald
seinen Doktor machen sollte, stand in dem
Empfangszimmer seiner zweizimmerigen Wohn-
ung in Stockholm und packte seinen Reisekosser.

Es handelte sich um die froheste Fahrt, die
er noch in seinem ganzen 32jährigen Leben ge-
macht. Er sollte zu „ihr" Hinreisen, die sein
Herz erobert hatte. In der verborgensten Tasche
seines Portemonnaies trug er die sogenannte
„goldene Kette," die er morgen Abend an ihren
Finger stecken wollte. Ach. wie dumm die Men-
schen doch sind! „GoldeneKette!" Altes, häßliches,
triviales Wort! ^ Eil' Siegeszeichen, eine Tro-
phäe war es, dieses kleine Ding, das er noch
einmal, mitten im Tumult des Einhackens her-
vorzog und leicht liebkoste.

Es war im Juni und der Glanz des Früh-
sommers lag über seinem ganzen Dasein. Er

Julius Diez (München).

war jung und frisch und stark, voll Begeistcr-
uug für den Beruf, den er erwählt, seine äus;ereii
Verhältnisse ivaren der Art, daß er seine Studien
ohne Schulden abschließen konnte, und seine
Braut besaß eine Erbschaft, die sie in Stand
setzen würde, recht bald ihr eigenes Heim zu
begründen, auch wenn seine Karriere im An-
fang nicht sonderlich einträglich werden sollte.

Vierundzwanzig Stunden später würde er bei
ihr sein, dort hoch oben in Nordland.

Aber seltsam! Kandidat Berg's schönes, männ-
liches Gesicht strahlte doch nicht jenes frohe Ent-
zücken ivieder, das man bei so günstigen Um-
ständen hätte erwarten können. Während Freuden-
blitze aus seinen großen, blauen Augen leuchteten,
zogen schivere Wolken über sein Gesicht, und
während er hie und da den Refrain einer lustigen
Mesodie trällerte, drangen schwere Seufzer aus
seiner sich hochwölbenden Brust hervor.

Eberhard Berg war nämlich ein ganz unge-
wöhnlicher junger Mann und angehender Arzt.
Erstens hatte er ein Gewissen, leicht beweglich,

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